theken, tragen den Karakter dieser Unbestän- digkeit. Der leidenschaftliche Eifer, mit wel- chem man sich zuweilen für einen liebenswür- digen Fremden, für große Künstler, für einen gemeinnützigen Vorschlag interessirt, geht in Kälte über, sobald der Gegenstand desselben den Reiz der Neuheit verliert. Selbst die Vergnügungsörter des Publikums, so geschmack- voll und befriedigend sie immer seyn mögen, dürfen auf kein besseres Schicksal Rechnung machen. Nirgend verändert man seine Woh- nung mit solcher Leichtigkeit, als hier; es giebt Leute, die jedes Jahr einen a[nd]ern Stadttheil zu ihren Aufenthalt wählen Fast alle Mieth- kontrakte werden nur auf einen Monat ge- schlossen, und sogar die Domestiken machen sich dieser Einrichtung zu Nutze, um so oft als möglich ihre Herrschaft zu ändern. -- Mit dieser Unbeständigkeit, die sich auch über Sitten, Gebräuche und Moden verbreitet, sticht die Anhänglichkeit des gemeinen Russen an seine Nationallebensart auf eine sonderbare Weise ab. Aber nicht lange mehr wird dieser Kontrast vorhanden seyn.
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theken, tragen den Karakter dieſer Unbeſtaͤn- digkeit. Der leidenſchaftliche Eifer, mit wel- chem man ſich zuweilen fuͤr einen liebenswuͤr- digen Fremden, fuͤr große Kuͤnſtler, fuͤr einen gemeinnuͤtzigen Vorſchlag intereſſirt, geht in Kaͤlte uͤber, ſobald der Gegenſtand deſſelben den Reiz der Neuheit verliert. Selbſt die Vergnuͤgungsoͤrter des Publikums, ſo geſchmack- voll und befriedigend ſie immer ſeyn moͤgen, duͤrfen auf kein beſſeres Schickſal Rechnung machen. Nirgend veraͤndert man ſeine Woh- nung mit ſolcher Leichtigkeit, als hier; es giebt Leute, die jedes Jahr einen a[nd]ern Stadttheil zu ihren Aufenthalt waͤhlen Faſt alle Mieth- kontrakte werden nur auf einen Monat ge- ſchloſſen, und ſogar die Domeſtiken machen ſich dieſer Einrichtung zu Nutze, um ſo oft als moͤglich ihre Herrſchaft zu aͤndern. — Mit dieſer Unbeſtaͤndigkeit, die ſich auch uͤber Sitten, Gebraͤuche und Moden verbreitet, ſticht die Anhaͤnglichkeit des gemeinen Ruſſen an ſeine Nationallebensart auf eine ſonderbare Weiſe ab. Aber nicht lange mehr wird dieſer Kontraſt vorhanden ſeyn.
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theken, tragen den Karakter dieſer Unbeſtaͤn-
digkeit. Der leidenſchaftliche Eifer, mit wel-
chem man ſich zuweilen fuͤr einen liebenswuͤr-
digen Fremden, fuͤr große Kuͤnſtler, fuͤr einen
gemeinnuͤtzigen Vorſchlag intereſſirt, geht in
Kaͤlte uͤber, ſobald der Gegenſtand deſſelben
den Reiz der Neuheit verliert. Selbſt die
Vergnuͤgungsoͤrter des Publikums, ſo geſchmack-
voll und befriedigend ſie immer ſeyn moͤgen,
duͤrfen auf kein beſſeres Schickſal Rechnung
machen. Nirgend veraͤndert man ſeine Woh-
nung mit ſolcher Leichtigkeit, als hier; es giebt
Leute, die jedes Jahr einen andern Stadttheil
zu ihren Aufenthalt waͤhlen Faſt alle Mieth-
kontrakte werden nur auf einen Monat ge-
ſchloſſen, und ſogar die Domeſtiken machen
ſich dieſer Einrichtung zu Nutze, um ſo oft
als moͤglich ihre Herrſchaft zu aͤndern. —
Mit dieſer Unbeſtaͤndigkeit, die ſich auch uͤber
Sitten, Gebraͤuche und Moden verbreitet,
ſticht die Anhaͤnglichkeit des gemeinen Ruſſen
an ſeine Nationallebensart auf eine ſonderbare
Weiſe ab. Aber nicht lange mehr wird dieſer
Kontraſt vorhanden ſeyn.
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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 521. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/539>, abgerufen am 27.11.2024.
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