abzuholen; ich aber wollte nur an sein Kammer¬ fenster klopfen, um ihm solches zu bestellen.
Also ritte ich am Waldesrande hin, die Augen fast verwirret von den grünlichen Johannis¬ fünkchen, die mit ihren spielerischen Lichtern mich hier umflogen. Und schon ragete groß und finster die Kirche vor mir auf, in deren Mauern Herr Gerhardus bei den Seinen ruhte; ich hörte, wie im Thurm so eben der Hammer ausholete, und von der Glocken scholl die Mitternacht in's Dorf hinunter. "Aber sie schlafen Alle;" sprach ich bei mir selber, "die Todten in der Kirchen oder unter dem hohen Sternenhimmel hieneben auf dem Kirchhof, die Lebenden noch unter den niedern Dächern, die dort stumm und dunkel vor Dir liegen." So ritt ich weiter. Als ich jedoch an den Teich kam, von wo aus man Hans Ott¬ sens Krug gewahren kann, sahe ich von dorten einen dunstigen Lichtschein auf den Weg hinaus¬ brechen, und Fiedeln und Klarinetten schalleten mir entgegen.
Da ich gleichwol mit dem Wirthe reden wollte,
abzuholen; ich aber wollte nur an ſein Kammer¬ fenſter klopfen, um ihm ſolches zu beſtellen.
Alſo ritte ich am Waldesrande hin, die Augen faſt verwirret von den grünlichen Johannis¬ fünkchen, die mit ihren ſpieleriſchen Lichtern mich hier umflogen. Und ſchon ragete groß und finſter die Kirche vor mir auf, in deren Mauern Herr Gerhardus bei den Seinen ruhte; ich hörte, wie im Thurm ſo eben der Hammer ausholete, und von der Glocken ſcholl die Mitternacht in's Dorf hinunter. „Aber ſie ſchlafen Alle;“ ſprach ich bei mir ſelber, „die Todten in der Kirchen oder unter dem hohen Sternenhimmel hieneben auf dem Kirchhof, die Lebenden noch unter den niedern Dächern, die dort ſtumm und dunkel vor Dir liegen.“ So ritt ich weiter. Als ich jedoch an den Teich kam, von wo aus man Hans Ott¬ ſens Krug gewahren kann, ſahe ich von dorten einen dunſtigen Lichtſchein auf den Weg hinaus¬ brechen, und Fiedeln und Klarinetten ſchalleten mir entgegen.
Da ich gleichwol mit dem Wirthe reden wollte,
<TEI><text><body><p><pbfacs="#f0083"n="69"/>
abzuholen; ich aber wollte nur an ſein Kammer¬<lb/>
fenſter klopfen, um ihm ſolches zu beſtellen.</p><lb/><p>Alſo ritte ich am Waldesrande hin, die Augen<lb/>
faſt verwirret von den grünlichen Johannis¬<lb/>
fünkchen, die mit ihren ſpieleriſchen Lichtern mich<lb/>
hier umflogen. Und ſchon ragete groß und<lb/>
finſter die Kirche vor mir auf, in deren Mauern<lb/>
Herr Gerhardus bei den Seinen ruhte; ich hörte,<lb/>
wie im Thurm ſo eben der Hammer ausholete,<lb/>
und von der Glocken ſcholl die Mitternacht in's<lb/>
Dorf hinunter. „Aber ſie ſchlafen Alle;“ſprach<lb/>
ich bei mir ſelber, „die Todten in der Kirchen<lb/>
oder unter dem hohen Sternenhimmel hieneben<lb/>
auf dem Kirchhof, die Lebenden noch unter den<lb/>
niedern Dächern, die dort ſtumm und dunkel vor<lb/>
Dir liegen.“ So ritt ich weiter. Als ich jedoch<lb/>
an den Teich kam, von wo aus man Hans Ott¬<lb/>ſens Krug gewahren kann, ſahe ich von dorten<lb/>
einen dunſtigen Lichtſchein auf den Weg hinaus¬<lb/>
brechen, und Fiedeln und Klarinetten ſchalleten<lb/>
mir entgegen.</p><lb/><p>Da ich gleichwol mit dem Wirthe reden wollte,<lb/></p></body></text></TEI>
[69/0083]
abzuholen; ich aber wollte nur an ſein Kammer¬
fenſter klopfen, um ihm ſolches zu beſtellen.
Alſo ritte ich am Waldesrande hin, die Augen
faſt verwirret von den grünlichen Johannis¬
fünkchen, die mit ihren ſpieleriſchen Lichtern mich
hier umflogen. Und ſchon ragete groß und
finſter die Kirche vor mir auf, in deren Mauern
Herr Gerhardus bei den Seinen ruhte; ich hörte,
wie im Thurm ſo eben der Hammer ausholete,
und von der Glocken ſcholl die Mitternacht in's
Dorf hinunter. „Aber ſie ſchlafen Alle;“ ſprach
ich bei mir ſelber, „die Todten in der Kirchen
oder unter dem hohen Sternenhimmel hieneben
auf dem Kirchhof, die Lebenden noch unter den
niedern Dächern, die dort ſtumm und dunkel vor
Dir liegen.“ So ritt ich weiter. Als ich jedoch
an den Teich kam, von wo aus man Hans Ott¬
ſens Krug gewahren kann, ſahe ich von dorten
einen dunſtigen Lichtſchein auf den Weg hinaus¬
brechen, und Fiedeln und Klarinetten ſchalleten
mir entgegen.
Da ich gleichwol mit dem Wirthe reden wollte,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877/83>, abgerufen am 22.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.