Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Bötjer Basch. Berlin, 1887.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Vortrag des kleinen Künstlers schien mir so lieblich, ja - was indes wohl nur die Folge meiner Stimmung war - so voll Empfindung, daß ich schweigend horchte. "Da habt Ihr einen anmuthigen Hausgenossen!" sagte ich.

Der Alte ließ den weißen Kopf sinken: "Den letzten," murmelte er; "und nur ein Vögelchen."

"Den letzten? Ich dachte, es wohne auch noch so ein altes munteres Jüngferchen bei Euch?"

Meister Daniel nickte: "Ja, ja, Herr; nur - sie hat die Anderen nicht gekannt; der" - und er schaute zärtlich zu dem Vogel auf - "ist noch von meinem Fritz!"

Ich hätte ihm zurufen mögen: "Laßt nicht den Kopf so hängen, Alter! Wer weiß, der Fritz kommt dennoch eines Tages in die Thür gesprungen, und es wird wieder jung und lustig in Eurem Hause!" Denn ich traute dem verlumpten Schwätzer nicht, der jene Kunde über das Meer gebracht hatte; aber dennoch - es sah dem Fritz zu ähnlich, und das Ende war wie ein Blatt aus einer Tagesnummer von da drüben; ich gab schweigend dem alten Mann die Hand: "Meine

Der Vortrag des kleinen Künstlers schien mir so lieblich, ja – was indes wohl nur die Folge meiner Stimmung war – so voll Empfindung, daß ich schweigend horchte. „Da habt Ihr einen anmuthigen Hausgenossen!“ sagte ich.

Der Alte ließ den weißen Kopf sinken: „Den letzten,“ murmelte er; „und nur ein Vögelchen.“

„Den letzten? Ich dachte, es wohne auch noch so ein altes munteres Jüngferchen bei Euch?“

Meister Daniel nickte: „Ja, ja, Herr; nur – sie hat die Anderen nicht gekannt; der“ – und er schaute zärtlich zu dem Vogel auf – „ist noch von meinem Fritz!“

Ich hätte ihm zurufen mögen: „Laßt nicht den Kopf so hängen, Alter! Wer weiß, der Fritz kommt dennoch eines Tages in die Thür gesprungen, und es wird wieder jung und lustig in Eurem Hause!“ Denn ich traute dem verlumpten Schwätzer nicht, der jene Kunde über das Meer gebracht hatte; aber dennoch – es sah dem Fritz zu ähnlich, und das Ende war wie ein Blatt aus einer Tagesnummer von da drüben; ich gab schweigend dem alten Mann die Hand: „Meine

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0070" n="70"/>
        <p> Der Vortrag des kleinen Künstlers schien mir so lieblich, ja &#x2013; was indes wohl nur die Folge meiner Stimmung war &#x2013; so voll Empfindung, daß ich schweigend horchte. &#x201E;Da habt Ihr einen anmuthigen Hausgenossen!&#x201C; sagte ich.</p>
        <p>Der Alte ließ den weißen Kopf sinken: &#x201E;Den letzten,&#x201C; murmelte er; &#x201E;und nur ein Vögelchen.&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Den letzten? Ich dachte, es wohne auch noch so ein altes munteres Jüngferchen bei Euch?&#x201C;</p>
        <p>Meister Daniel nickte: &#x201E;Ja, ja, Herr; nur &#x2013; sie hat die Anderen nicht gekannt; <hi rendition="#g">der</hi>&#x201C; &#x2013; und er schaute zärtlich zu dem Vogel auf &#x2013; &#x201E;ist noch von meinem Fritz!&#x201C;</p>
        <p>Ich hätte ihm zurufen mögen: &#x201E;Laßt nicht den Kopf so hängen, Alter! Wer weiß, der Fritz kommt dennoch eines Tages in die Thür gesprungen, und es wird wieder jung und lustig in Eurem Hause!&#x201C; Denn ich traute dem verlumpten Schwätzer nicht, der jene Kunde über das Meer gebracht hatte; aber dennoch &#x2013; es sah dem Fritz zu ähnlich, und das Ende war wie ein Blatt aus einer Tagesnummer von da drüben; ich gab schweigend dem alten Mann die Hand: &#x201E;Meine
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[70/0070] Der Vortrag des kleinen Künstlers schien mir so lieblich, ja – was indes wohl nur die Folge meiner Stimmung war – so voll Empfindung, daß ich schweigend horchte. „Da habt Ihr einen anmuthigen Hausgenossen!“ sagte ich. Der Alte ließ den weißen Kopf sinken: „Den letzten,“ murmelte er; „und nur ein Vögelchen.“ „Den letzten? Ich dachte, es wohne auch noch so ein altes munteres Jüngferchen bei Euch?“ Meister Daniel nickte: „Ja, ja, Herr; nur – sie hat die Anderen nicht gekannt; der“ – und er schaute zärtlich zu dem Vogel auf – „ist noch von meinem Fritz!“ Ich hätte ihm zurufen mögen: „Laßt nicht den Kopf so hängen, Alter! Wer weiß, der Fritz kommt dennoch eines Tages in die Thür gesprungen, und es wird wieder jung und lustig in Eurem Hause!“ Denn ich traute dem verlumpten Schwätzer nicht, der jene Kunde über das Meer gebracht hatte; aber dennoch – es sah dem Fritz zu ähnlich, und das Ende war wie ein Blatt aus einer Tagesnummer von da drüben; ich gab schweigend dem alten Mann die Hand: „Meine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Die Majuskelschreibweise Ae, Oe, Ue wird als Ä, Ö, Ü wiedergegeben.
  • o über a wird als å dargestellt



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_basch_1887
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_basch_1887/70
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Bötjer Basch. Berlin, 1887, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_basch_1887/70>, abgerufen am 18.05.2024.