Storm, Theodor: Ein Doppelgänger. Novelle. Berlin, 1887.rauschten von den Tropfen, die jetzt vom Himmel fielen, und aus der hinterliegenden Stadt kam das Geräusch von allerlei Fuhrwerk. Mit Entsetzen fiel ihm der Brunnen ein: "Wenn sie sich ein Leids gethan hätte!" Er lief den Weg hinauf, wo der Eingang zu den Feldern war; da stolperte sein Fuß, ein Menschenlaut vom Boden wurde hörbar. "Hanna!" schrie er, "Hanna, Du lebst? Gott Dank, Du bist es!" Ein lautes Jauchzen hätte er in die Nacht geschrieen, aber sein Herz, das zum Zerspringen klopfte, machte es ihm unmöglich. Er hob sie wie ein Kind auf seine Arme, und da der Regen stärker fiel, zog er seinen Rock vom Leibe und hüllte sie darein; dann hielt er sie sanft an seine Brust und ging langsam, als sei er zum ersten Mal allein mit seinem jungen Weibe, in dem strömenden Regen ihrem Hause zu. Sie hatte alles ohne ein Zeichen des Lebens sich gefallen lassen; erst als aus ihres Mannes Augen ein warmer Thränenschauer auf ihr Antlitz fiel, streckte sie die Hand empor und strich damit ihm sanft über seine Wange. "Hanna, liebe Hanna!" rief der Mann. Da rauschten von den Tropfen, die jetzt vom Himmel fielen, und aus der hinterliegenden Stadt kam das Geräusch von allerlei Fuhrwerk. Mit Entsetzen fiel ihm der Brunnen ein: „Wenn sie sich ein Leids gethan hätte!“ Er lief den Weg hinauf, wo der Eingang zu den Feldern war; da stolperte sein Fuß, ein Menschenlaut vom Boden wurde hörbar. „Hanna!“ schrie er, „Hanna, Du lebst? Gott Dank, Du bist es!“ Ein lautes Jauchzen hätte er in die Nacht geschrieen, aber sein Herz, das zum Zerspringen klopfte, machte es ihm unmöglich. Er hob sie wie ein Kind auf seine Arme, und da der Regen stärker fiel, zog er seinen Rock vom Leibe und hüllte sie darein; dann hielt er sie sanft an seine Brust und ging langsam, als sei er zum ersten Mal allein mit seinem jungen Weibe, in dem strömenden Regen ihrem Hause zu. Sie hatte alles ohne ein Zeichen des Lebens sich gefallen lassen; erst als aus ihres Mannes Augen ein warmer Thränenschauer auf ihr Antlitz fiel, streckte sie die Hand empor und strich damit ihm sanft über seine Wange. „Hanna, liebe Hanna!“ rief der Mann. Da <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0065" n="65"/> rauschten von den Tropfen, die jetzt vom Himmel fielen, und aus der hinterliegenden Stadt kam das Geräusch von allerlei Fuhrwerk. Mit Entsetzen fiel ihm der Brunnen ein: „Wenn sie sich ein Leids gethan hätte!“ Er lief den Weg hinauf, wo der Eingang zu den Feldern war; da stolperte sein Fuß, ein Menschenlaut vom Boden wurde hörbar. „Hanna!“ schrie er, „Hanna, Du lebst? Gott Dank, Du bist es!“ Ein lautes Jauchzen hätte er in die Nacht geschrieen, aber sein Herz, das zum Zerspringen klopfte, machte es ihm unmöglich. Er hob sie wie ein Kind auf seine Arme, und da der Regen stärker fiel, zog er seinen Rock vom Leibe und hüllte sie darein; dann hielt er sie sanft an seine Brust und ging langsam, als sei er zum ersten Mal allein mit seinem jungen Weibe, in dem strömenden Regen ihrem Hause zu.</p> <p>Sie hatte alles ohne ein Zeichen des Lebens sich gefallen lassen; erst als aus ihres Mannes Augen ein warmer Thränenschauer auf ihr Antlitz fiel, streckte sie die Hand empor und strich damit ihm sanft über seine Wange.</p> <p>„Hanna, liebe Hanna!“ rief der Mann. Da </p> </div> </body> </text> </TEI> [65/0065]
rauschten von den Tropfen, die jetzt vom Himmel fielen, und aus der hinterliegenden Stadt kam das Geräusch von allerlei Fuhrwerk. Mit Entsetzen fiel ihm der Brunnen ein: „Wenn sie sich ein Leids gethan hätte!“ Er lief den Weg hinauf, wo der Eingang zu den Feldern war; da stolperte sein Fuß, ein Menschenlaut vom Boden wurde hörbar. „Hanna!“ schrie er, „Hanna, Du lebst? Gott Dank, Du bist es!“ Ein lautes Jauchzen hätte er in die Nacht geschrieen, aber sein Herz, das zum Zerspringen klopfte, machte es ihm unmöglich. Er hob sie wie ein Kind auf seine Arme, und da der Regen stärker fiel, zog er seinen Rock vom Leibe und hüllte sie darein; dann hielt er sie sanft an seine Brust und ging langsam, als sei er zum ersten Mal allein mit seinem jungen Weibe, in dem strömenden Regen ihrem Hause zu.
Sie hatte alles ohne ein Zeichen des Lebens sich gefallen lassen; erst als aus ihres Mannes Augen ein warmer Thränenschauer auf ihr Antlitz fiel, streckte sie die Hand empor und strich damit ihm sanft über seine Wange.
„Hanna, liebe Hanna!“ rief der Mann. Da
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-11-15T13:54:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-11-15T13:54:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-11-15T13:54:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |