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Storm, Theodor: Ein Doppelgänger. Novelle. Berlin, 1887.

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damit. "Das ist Mutters Tuch", sagte er, "Deine kleinen Füße sind so kalt."

Sie ließ sich das gefallen und schmiegte sich an den Vater, der vergebens hoffte, daß der Schlaf ihr kommen werde. Er hatte die letzten drei Torf so vorsichtig in den kleinen Ofen geheizt, aber es war doch zu kalt geblieben. Da schellte die Hausthürglocke, und Alt-Mariken trat nach einer Weile in die Kammer. Sie deckte ihre kleinen Augen mit der Hand: denn das graue Zwielicht da drinnen hatte sie geblendet; dann nickte sie den Beiden zu. "Das glaub' ich", sagte sie, "Ihr könnt Euch an einander wärmen! So gut hat's unsereiner nicht; denn sieh, John, das Kinderkriegen hab' ich nicht verstanden. Nur einmal war's ein todtes, aber das zählt ja nicht."

John blickte nicht auf. "Da braucht Sie heute auch nur für sich allein zu frieren", sagte er und nahm die kalten Füßchen seines Kindes in seine großen Hände.

"Nun, nun", erwiderte die Alte; "ich weiß mir schon zu helfen; sorg' nicht um mich, John! Die alte Senatorn hört gar zu gern die Geschichten

damit. „Das ist Mutters Tuch“, sagte er, „Deine kleinen Füße sind so kalt.“

Sie ließ sich das gefallen und schmiegte sich an den Vater, der vergebens hoffte, daß der Schlaf ihr kommen werde. Er hatte die letzten drei Torf so vorsichtig in den kleinen Ofen geheizt, aber es war doch zu kalt geblieben. Da schellte die Hausthürglocke, und Alt-Mariken trat nach einer Weile in die Kammer. Sie deckte ihre kleinen Augen mit der Hand: denn das graue Zwielicht da drinnen hatte sie geblendet; dann nickte sie den Beiden zu. „Das glaub’ ich“, sagte sie, „Ihr könnt Euch an einander wärmen! So gut hat’s unsereiner nicht; denn sieh, John, das Kinderkriegen hab’ ich nicht verstanden. Nur einmal war’s ein todtes, aber das zählt ja nicht.“

John blickte nicht auf. „Da braucht Sie heute auch nur für sich allein zu frieren“, sagte er und nahm die kalten Füßchen seines Kindes in seine großen Hände.

„Nun, nun“, erwiderte die Alte; „ich weiß mir schon zu helfen; sorg’ nicht um mich, John! Die alte Senatorn hört gar zu gern die Geschichten

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[96/0096] damit. „Das ist Mutters Tuch“, sagte er, „Deine kleinen Füße sind so kalt.“ Sie ließ sich das gefallen und schmiegte sich an den Vater, der vergebens hoffte, daß der Schlaf ihr kommen werde. Er hatte die letzten drei Torf so vorsichtig in den kleinen Ofen geheizt, aber es war doch zu kalt geblieben. Da schellte die Hausthürglocke, und Alt-Mariken trat nach einer Weile in die Kammer. Sie deckte ihre kleinen Augen mit der Hand: denn das graue Zwielicht da drinnen hatte sie geblendet; dann nickte sie den Beiden zu. „Das glaub’ ich“, sagte sie, „Ihr könnt Euch an einander wärmen! So gut hat’s unsereiner nicht; denn sieh, John, das Kinderkriegen hab’ ich nicht verstanden. Nur einmal war’s ein todtes, aber das zählt ja nicht.“ John blickte nicht auf. „Da braucht Sie heute auch nur für sich allein zu frieren“, sagte er und nahm die kalten Füßchen seines Kindes in seine großen Hände. „Nun, nun“, erwiderte die Alte; „ich weiß mir schon zu helfen; sorg’ nicht um mich, John! Die alte Senatorn hört gar zu gern die Geschichten

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Ein Doppelgänger. Novelle. Berlin, 1887, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_doppelgaenger_1887/96>, abgerufen am 24.11.2024.