Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Gedichte. Kiel, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite
Morgane.
An regentrüben Sommertagen,
Wenn Luft und Fluth zusammenragen
Und ohne Regung schläft die See,
Dann steht an unserm grauen Strande
Das Wunder aus dem Morgenlande,
Morgane, die berufne Fee.
Arglistig halb und halb von Sinne,
Verschmachtend nach dem Kelch der Minne,
Der stets an ihrem Mund versiegt,
Umgaukelt sie des Wandrers Pfade,
Und lockt ihn an ein Scheingestade,
Das in des Todes Reichen liegt.
Von ihrem Zauberspiel geblendet
Ruht manches Haupt in Nacht gewendet
Begraben in der Wüste Schlucht ;
Denn ihre Liebe ist Verderben,
Ihr Hauch ist Gift, ihr Kuß ist Sterben,
Die schönen Augen sind verflucht.
Morgane.
An regentrüben Sommertagen,
Wenn Luft und Fluth zuſammenragen
Und ohne Regung ſchläft die See,
Dann ſteht an unſerm grauen Strande
Das Wunder aus dem Morgenlande,
Morgane, die berufne Fee.
Argliſtig halb und halb von Sinne,
Verſchmachtend nach dem Kelch der Minne,
Der ſtets an ihrem Mund verſiegt,
Umgaukelt ſie des Wandrers Pfade,
Und lockt ihn an ein Scheingeſtade,
Das in des Todes Reichen liegt.
Von ihrem Zauberſpiel geblendet
Ruht manches Haupt in Nacht gewendet
Begraben in der Wüſte Schlucht ;
Denn ihre Liebe iſt Verderben,
Ihr Hauch iſt Gift, ihr Kuß iſt Sterben,
Die ſchönen Augen ſind verflucht.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0090" n="80"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#b">Morgane</hi>.<lb/></head>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l><hi rendition="#in">A</hi>n regentrüben Sommertagen,</l><lb/>
              <l>Wenn Luft und Fluth zu&#x017F;ammenragen</l><lb/>
              <l>Und ohne Regung &#x017F;chläft die See,</l><lb/>
              <l>Dann &#x017F;teht an un&#x017F;erm grauen Strande</l><lb/>
              <l>Das Wunder aus dem Morgenlande,</l><lb/>
              <l>Morgane, die berufne Fee.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="2">
              <l>Argli&#x017F;tig halb und halb von Sinne,</l><lb/>
              <l>Ver&#x017F;chmachtend nach dem Kelch der Minne,</l><lb/>
              <l>Der &#x017F;tets an ihrem Mund ver&#x017F;iegt,</l><lb/>
              <l>Umgaukelt &#x017F;ie des Wandrers Pfade,</l><lb/>
              <l>Und lockt ihn an ein Scheinge&#x017F;tade,</l><lb/>
              <l>Das in des Todes Reichen liegt.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="3">
              <l>Von ihrem Zauber&#x017F;piel geblendet</l><lb/>
              <l>Ruht manches Haupt in Nacht gewendet</l><lb/>
              <l>Begraben in der Wü&#x017F;te Schlucht ;</l><lb/>
              <l>Denn ihre Liebe i&#x017F;t Verderben,</l><lb/>
              <l>Ihr Hauch i&#x017F;t Gift, ihr Kuß i&#x017F;t Sterben,</l><lb/>
              <l>Die &#x017F;chönen Augen &#x017F;ind verflucht.</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[80/0090] Morgane. An regentrüben Sommertagen, Wenn Luft und Fluth zuſammenragen Und ohne Regung ſchläft die See, Dann ſteht an unſerm grauen Strande Das Wunder aus dem Morgenlande, Morgane, die berufne Fee. Argliſtig halb und halb von Sinne, Verſchmachtend nach dem Kelch der Minne, Der ſtets an ihrem Mund verſiegt, Umgaukelt ſie des Wandrers Pfade, Und lockt ihn an ein Scheingeſtade, Das in des Todes Reichen liegt. Von ihrem Zauberſpiel geblendet Ruht manches Haupt in Nacht gewendet Begraben in der Wüſte Schlucht ; Denn ihre Liebe iſt Verderben, Ihr Hauch iſt Gift, ihr Kuß iſt Sterben, Die ſchönen Augen ſind verflucht.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_gedichte_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_gedichte_1852/90
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Gedichte. Kiel, 1852, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_gedichte_1852/90>, abgerufen am 23.11.2024.