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Storm, Theodor: Eine Malerarbeit. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 257–304. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Wort, ich sah den Jungen, in dessen aufstrebender Kunst ich jetzt fast mehr lebe, als in meiner eigenen. Aber während ich auf ihn zuging, stand er auf und entfernte sich nach der andern Seite des Kirchhofs; er überschritt den Fahrweg jenseit desselben und entschwand meinen Augen zwischen den Bäumen eines anliegenden Gehölzes. Ich ging zu dem Rasenhügel, den er so eben verlassen, und da ich hier auf dem Grabsteine den Familiennamen unseres Nachbars las, so wußte ich auch, daß ich Paul Werner auf dem Grabe seiner Mutter gesehen hatte. Jetzt machte ich lange Beine; du weißt, daß ich diese Fähigkeit besaß, die mir auch bis jetzt noch nicht abhanden gekommen ist. Als ich meinen Flüchtling drüben auf dem Fußsteige des Wäldchens wieder zu Gesicht bekommen hatte, rief ich ihm schon von Weitem meinen "Guten Morgen" nach. Er blickte um, erwiderte meinen Gruß und ging dann nur um so schneller vorwärts.

Ich strengte also noch einmal meine Lungen an. Paul Werner! rief ich. Warte, ich habe mit dir zu reden!

Jetzt blieb er stehen. Ich kenne Sie nicht, Herr, sagte er; -- übrigens. Dank seinem alten Schulmeister, in reinem Hochdeutsch.

Aber ich möchte dich kennen lernen, erwiderte ich.

Mich? fragte er befremdet.

Dich, Paul! versetzte ich, denn ich höre, du willst Maler werden.

Ich will kein Maler werden, Herr.

Wort, ich sah den Jungen, in dessen aufstrebender Kunst ich jetzt fast mehr lebe, als in meiner eigenen. Aber während ich auf ihn zuging, stand er auf und entfernte sich nach der andern Seite des Kirchhofs; er überschritt den Fahrweg jenseit desselben und entschwand meinen Augen zwischen den Bäumen eines anliegenden Gehölzes. Ich ging zu dem Rasenhügel, den er so eben verlassen, und da ich hier auf dem Grabsteine den Familiennamen unseres Nachbars las, so wußte ich auch, daß ich Paul Werner auf dem Grabe seiner Mutter gesehen hatte. Jetzt machte ich lange Beine; du weißt, daß ich diese Fähigkeit besaß, die mir auch bis jetzt noch nicht abhanden gekommen ist. Als ich meinen Flüchtling drüben auf dem Fußsteige des Wäldchens wieder zu Gesicht bekommen hatte, rief ich ihm schon von Weitem meinen „Guten Morgen“ nach. Er blickte um, erwiderte meinen Gruß und ging dann nur um so schneller vorwärts.

Ich strengte also noch einmal meine Lungen an. Paul Werner! rief ich. Warte, ich habe mit dir zu reden!

Jetzt blieb er stehen. Ich kenne Sie nicht, Herr, sagte er; — übrigens. Dank seinem alten Schulmeister, in reinem Hochdeutsch.

Aber ich möchte dich kennen lernen, erwiderte ich.

Mich? fragte er befremdet.

Dich, Paul! versetzte ich, denn ich höre, du willst Maler werden.

Ich will kein Maler werden, Herr.

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[0045] Wort, ich sah den Jungen, in dessen aufstrebender Kunst ich jetzt fast mehr lebe, als in meiner eigenen. Aber während ich auf ihn zuging, stand er auf und entfernte sich nach der andern Seite des Kirchhofs; er überschritt den Fahrweg jenseit desselben und entschwand meinen Augen zwischen den Bäumen eines anliegenden Gehölzes. Ich ging zu dem Rasenhügel, den er so eben verlassen, und da ich hier auf dem Grabsteine den Familiennamen unseres Nachbars las, so wußte ich auch, daß ich Paul Werner auf dem Grabe seiner Mutter gesehen hatte. Jetzt machte ich lange Beine; du weißt, daß ich diese Fähigkeit besaß, die mir auch bis jetzt noch nicht abhanden gekommen ist. Als ich meinen Flüchtling drüben auf dem Fußsteige des Wäldchens wieder zu Gesicht bekommen hatte, rief ich ihm schon von Weitem meinen „Guten Morgen“ nach. Er blickte um, erwiderte meinen Gruß und ging dann nur um so schneller vorwärts. Ich strengte also noch einmal meine Lungen an. Paul Werner! rief ich. Warte, ich habe mit dir zu reden! Jetzt blieb er stehen. Ich kenne Sie nicht, Herr, sagte er; — übrigens. Dank seinem alten Schulmeister, in reinem Hochdeutsch. Aber ich möchte dich kennen lernen, erwiderte ich. Mich? fragte er befremdet. Dich, Paul! versetzte ich, denn ich höre, du willst Maler werden. Ich will kein Maler werden, Herr.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:17:45Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:17:45Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Eine Malerarbeit. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 257–304. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_malerarbeit_1910/45>, abgerufen am 03.12.2024.