Storm, Theodor: Eine Malerarbeit. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 257–304. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Theodor Storm, geb. d. 14. Sept. 1817 zu Husum, mußte in Folge seiner Betheiligung an der deutschen Bewegung 1853 seine Heimath verlassen, trat in preußischen Justizdienst, zuerst als Assessor in Potsdam, dann als Kreisrichter in Heiligenstadt und lebt jetzt als Amtsrichter in seiner Vaterstadt, wohin er 1864 von seinen Landsleuten zurückgerufen wurde. Wir wüßten die Novellen Theodor Storm's in der Kürze nicht besser zu bezeichnen, als wenn wir sagen, daß sie Novellen eines Lyrikers sind. Mit der gleichen innigen Feinheit und Anmuth, die so liebenswürdig aus jeder Zeile seines Liederbüchleins hervorblickt, sind die kleinen Geschichten erzählt, in denen es sich meist um die verschwiegenen Herzenskämpfe und äußerlich unscheinbaren Schicksale sinniger Menschen, um prunklose Siege der Pflicht und den spätnachwirkenden Frieden der Entsagung handelt. Dann wieder zuckt durch die gedämpften Stimmungen ein Blitz heftigerer Leidenschaften, und auch die sinnlichen Mächte, die hier wie in allen echten Dichterwerken ihr Wesen treiben, verrathen ihre Kraft, aber mehr in verhaltenen Tönen und verstohlen durchbrechenden Naturlauten. Nach der Seite des Humors, seiner Hinneigung zum Volksliede und Volksmärchen ist Storm mit Mörike verwandt, auch in der liebevollen, fast Miniatur- oder email-artigen Ausführung, in dieser aber noch mehr mit Stifter, vor dem er freilich das größere künstlerische Gleichmaß voraus hat, so daß seine Figuren niemals vor der überreichlich ausgemal-> Theodor Storm, geb. d. 14. Sept. 1817 zu Husum, mußte in Folge seiner Betheiligung an der deutschen Bewegung 1853 seine Heimath verlassen, trat in preußischen Justizdienst, zuerst als Assessor in Potsdam, dann als Kreisrichter in Heiligenstadt und lebt jetzt als Amtsrichter in seiner Vaterstadt, wohin er 1864 von seinen Landsleuten zurückgerufen wurde. Wir wüßten die Novellen Theodor Storm's in der Kürze nicht besser zu bezeichnen, als wenn wir sagen, daß sie Novellen eines Lyrikers sind. Mit der gleichen innigen Feinheit und Anmuth, die so liebenswürdig aus jeder Zeile seines Liederbüchleins hervorblickt, sind die kleinen Geschichten erzählt, in denen es sich meist um die verschwiegenen Herzenskämpfe und äußerlich unscheinbaren Schicksale sinniger Menschen, um prunklose Siege der Pflicht und den spätnachwirkenden Frieden der Entsagung handelt. Dann wieder zuckt durch die gedämpften Stimmungen ein Blitz heftigerer Leidenschaften, und auch die sinnlichen Mächte, die hier wie in allen echten Dichterwerken ihr Wesen treiben, verrathen ihre Kraft, aber mehr in verhaltenen Tönen und verstohlen durchbrechenden Naturlauten. Nach der Seite des Humors, seiner Hinneigung zum Volksliede und Volksmärchen ist Storm mit Mörike verwandt, auch in der liebevollen, fast Miniatur- oder email-artigen Ausführung, in dieser aber noch mehr mit Stifter, vor dem er freilich das größere künstlerische Gleichmaß voraus hat, so daß seine Figuren niemals vor der überreichlich ausgemal-> <TEI> <text> <front> <pb facs="#f0008"/> <div type="preface"> <p>Theodor Storm, geb. d. 14. Sept. 1817 zu Husum, mußte in Folge seiner Betheiligung an der deutschen Bewegung 1853 seine Heimath verlassen, trat in preußischen Justizdienst, zuerst als Assessor in Potsdam, dann als Kreisrichter in Heiligenstadt und lebt jetzt als Amtsrichter in seiner Vaterstadt, wohin er 1864 von seinen Landsleuten zurückgerufen wurde.</p><lb/> <p>Wir wüßten die Novellen Theodor Storm's in der Kürze nicht besser zu bezeichnen, als wenn wir sagen, daß sie Novellen eines Lyrikers sind. Mit der gleichen innigen Feinheit und Anmuth, die so liebenswürdig aus jeder Zeile seines Liederbüchleins hervorblickt, sind die kleinen Geschichten erzählt, in denen es sich meist um die verschwiegenen Herzenskämpfe und äußerlich unscheinbaren Schicksale sinniger Menschen, um prunklose Siege der Pflicht und den spätnachwirkenden Frieden der Entsagung handelt. Dann wieder zuckt durch die gedämpften Stimmungen ein Blitz heftigerer Leidenschaften, und auch die sinnlichen Mächte, die hier wie in allen echten Dichterwerken ihr Wesen treiben, verrathen ihre Kraft, aber mehr in verhaltenen Tönen und verstohlen durchbrechenden Naturlauten. Nach der Seite des Humors, seiner Hinneigung zum Volksliede und Volksmärchen ist Storm mit Mörike verwandt, auch in der liebevollen, fast Miniatur- oder email-artigen Ausführung, in dieser aber noch mehr mit Stifter, vor dem er freilich das größere künstlerische Gleichmaß voraus hat, so daß seine Figuren niemals vor der überreichlich ausgemal-><lb/></p> </div> </front> </text> </TEI> [0008]
Theodor Storm, geb. d. 14. Sept. 1817 zu Husum, mußte in Folge seiner Betheiligung an der deutschen Bewegung 1853 seine Heimath verlassen, trat in preußischen Justizdienst, zuerst als Assessor in Potsdam, dann als Kreisrichter in Heiligenstadt und lebt jetzt als Amtsrichter in seiner Vaterstadt, wohin er 1864 von seinen Landsleuten zurückgerufen wurde.
Wir wüßten die Novellen Theodor Storm's in der Kürze nicht besser zu bezeichnen, als wenn wir sagen, daß sie Novellen eines Lyrikers sind. Mit der gleichen innigen Feinheit und Anmuth, die so liebenswürdig aus jeder Zeile seines Liederbüchleins hervorblickt, sind die kleinen Geschichten erzählt, in denen es sich meist um die verschwiegenen Herzenskämpfe und äußerlich unscheinbaren Schicksale sinniger Menschen, um prunklose Siege der Pflicht und den spätnachwirkenden Frieden der Entsagung handelt. Dann wieder zuckt durch die gedämpften Stimmungen ein Blitz heftigerer Leidenschaften, und auch die sinnlichen Mächte, die hier wie in allen echten Dichterwerken ihr Wesen treiben, verrathen ihre Kraft, aber mehr in verhaltenen Tönen und verstohlen durchbrechenden Naturlauten. Nach der Seite des Humors, seiner Hinneigung zum Volksliede und Volksmärchen ist Storm mit Mörike verwandt, auch in der liebevollen, fast Miniatur- oder email-artigen Ausführung, in dieser aber noch mehr mit Stifter, vor dem er freilich das größere künstlerische Gleichmaß voraus hat, so daß seine Figuren niemals vor der überreichlich ausgemal->
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