Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885.Krähen und Falken schrien noch im Walde; aber fortan sah er droben nie ein anderes als die kahlen Mauerzinnen, und kein Weg und keine Kunde war zwischen ihm und ihr. Das waren Minnequalen, wie er noch nicht empfunden hatte, und sie gruben ihre Spuren in sein hoffnungsfrohes Antlitz und löschten den Glanz in seinen blauen Augen. "O Minneleid, o sehnende Noth, Euch will ich tragen Sonder Klagen Vom Morgen- bis zum Abendroth; Nur nicht, wovon zu sagen: Kein Leben und kein Tod!" So klagte er. Aber sie, die eine, hörte es nicht; ein anderer war es, der ihre Hand zu fassen kam. In der Kemenate der Base lag Dagmar; die Alte hatte ihrem Kinde den Platz geräumt und sich wo anders hingebettet. Die Kranke war am Abend mit den Sterbesakramenten versehen worden; jetzt brachen die ersten Morgenlichter in das Zimmer. Krähen und Falken schrien noch im Walde; aber fortan sah er droben nie ein anderes als die kahlen Mauerzinnen, und kein Weg und keine Kunde war zwischen ihm und ihr. Das waren Minnequalen, wie er noch nicht empfunden hatte, und sie gruben ihre Spuren in sein hoffnungsfrohes Antlitz und löschten den Glanz in seinen blauen Augen. „O Minneleid, o sehnende Noth, Euch will ich tragen Sonder Klagen Vom Morgen- bis zum Abendroth; Nur nicht, wovon zu sagen: Kein Leben und kein Tod!“ So klagte er. Aber sie, die eine, hörte es nicht; ein anderer war es, der ihre Hand zu fassen kam. In der Kemenate der Base lag Dagmar; die Alte hatte ihrem Kinde den Platz geräumt und sich wo anders hingebettet. Die Kranke war am Abend mit den Sterbesakramenten versehen worden; jetzt brachen die ersten Morgenlichter in das Zimmer. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0203" n="199"/> Krähen und Falken schrien noch im Walde; aber fortan sah er droben nie ein anderes als die kahlen Mauerzinnen, und kein Weg und keine Kunde war zwischen ihm und ihr.</p> <p>Das waren Minnequalen, wie er noch nicht empfunden hatte, und sie gruben ihre Spuren in sein hoffnungsfrohes Antlitz und löschten den Glanz in seinen blauen Augen.</p> <lg type="poem"> <l>„O Minneleid, o sehnende Noth,</l><lb/> <l>Euch will ich tragen</l><lb/> <l>Sonder Klagen</l><lb/> <l>Vom Morgen- bis zum Abendroth;</l><lb/> <l>Nur nicht, wovon zu sagen:</l><lb/> <l>Kein Leben und kein Tod!“</l><lb/> </lg> <p>So klagte er. Aber sie, die eine, hörte es nicht; ein anderer war es, der ihre Hand zu fassen kam.</p> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>In der Kemenate der Base lag Dagmar; die Alte hatte ihrem Kinde den Platz geräumt und sich wo anders hingebettet. Die Kranke war am Abend mit den Sterbesakramenten versehen worden; jetzt brachen die ersten Morgenlichter in das Zimmer.</p> </div> </body> </text> </TEI> [199/0203]
Krähen und Falken schrien noch im Walde; aber fortan sah er droben nie ein anderes als die kahlen Mauerzinnen, und kein Weg und keine Kunde war zwischen ihm und ihr.
Das waren Minnequalen, wie er noch nicht empfunden hatte, und sie gruben ihre Spuren in sein hoffnungsfrohes Antlitz und löschten den Glanz in seinen blauen Augen.
„O Minneleid, o sehnende Noth,
Euch will ich tragen
Sonder Klagen
Vom Morgen- bis zum Abendroth;
Nur nicht, wovon zu sagen:
Kein Leben und kein Tod!“
So klagte er. Aber sie, die eine, hörte es nicht; ein anderer war es, der ihre Hand zu fassen kam.
In der Kemenate der Base lag Dagmar; die Alte hatte ihrem Kinde den Platz geräumt und sich wo anders hingebettet. Die Kranke war am Abend mit den Sterbesakramenten versehen worden; jetzt brachen die ersten Morgenlichter in das Zimmer.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Dieses Werk stammt von Wikisource (John_Riew’, Ein Fest auf Haderslevhuus). Quelle der Scans: Wikimedia Commons (John Riew’, Ein Fest auf Haderslevhuss). Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |