Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885.

Bild:
<< vorherige Seite

wie sie gurgelte und sprudelte, als gelte es, einen Gifttrank wegzuspülen.

Ich ging ihr nach; da fiel sie mir um den Hals: "Ohm, mein süßer Ohm ... ich konnte nicht dafür ... verzeih' mir, sei nicht bös!"

Das Kind war außer sich; dennoch wollte sie mir ein neues Glas bereiten; aber ich litt es nicht, ich nahm sie aus meinen Schooß. "Sei ruhig, Anna; Du weißt es ja, wir Beide können einander gar nicht böse sein!"

Da preßte sie meinen Hals mit ihren Armen, als ob sie mich ersticken wollte. "Du bist gut, mein Ohm; ich weiß es, Du bist gut!" und dann weinte sie sich noch ein braves Stückchen.

Aber auch das, Nachbar, öffnete mir nicht meinen vernagelten Verstandeskasten. Am andern Abend kam sie wieder mit ihrem Kesselchen. "Zünd' nur die Lampe an," sagte ich; "hernach mach' ich mir's schon selber."

Ich wollt', Sie hätten ihr bittend Angesicht gesehen. "Laß mich, Ohm!" sagte sie. "Ich weiß, ich kann es heute. "

Ich wollte es dennoch wehren; aber jetzt stampfte sie mit ihrem Füßchen: "Ich muß aber, Ohm; das ärgert mich, das von gestern."

wie sie gurgelte und sprudelte, als gelte es, einen Gifttrank wegzuspülen.

Ich ging ihr nach; da fiel sie mir um den Hals: „Ohm, mein süßer Ohm … ich konnte nicht dafür … verzeih’ mir, sei nicht bös!“

Das Kind war außer sich; dennoch wollte sie mir ein neues Glas bereiten; aber ich litt es nicht, ich nahm sie aus meinen Schooß. „Sei ruhig, Anna; Du weißt es ja, wir Beide können einander gar nicht böse sein!“

Da preßte sie meinen Hals mit ihren Armen, als ob sie mich ersticken wollte. „Du bist gut, mein Ohm; ich weiß es, Du bist gut!“ und dann weinte sie sich noch ein braves Stückchen.

Aber auch das, Nachbar, öffnete mir nicht meinen vernagelten Verstandeskasten. Am andern Abend kam sie wieder mit ihrem Kesselchen. „Zünd’ nur die Lampe an,“ sagte ich; „hernach mach’ ich mir’s schon selber.“

Ich wollt’, Sie hätten ihr bittend Angesicht gesehen. „Laß mich, Ohm!“ sagte sie. „Ich weiß, ich kann es heute. “

Ich wollte es dennoch wehren; aber jetzt stampfte sie mit ihrem Füßchen: „Ich muß aber, Ohm; das ärgert mich, das von gestern.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0047" n="43"/>
wie sie gurgelte und sprudelte, als gelte es, einen Gifttrank wegzuspülen.</p>
        <p>Ich ging ihr nach; da fiel sie mir um den Hals: &#x201E;Ohm, mein süßer Ohm &#x2026; ich konnte nicht dafür &#x2026; verzeih&#x2019; mir, sei nicht bös!&#x201C;</p>
        <p>Das Kind war außer sich; dennoch wollte sie mir ein neues Glas bereiten; aber ich litt es nicht, ich nahm sie aus meinen Schooß. &#x201E;Sei ruhig, Anna; Du weißt es ja, wir Beide können einander gar nicht böse sein!&#x201C;</p>
        <p>Da preßte sie meinen Hals mit ihren Armen, als ob sie mich ersticken wollte. &#x201E;Du bist gut, mein Ohm; ich weiß es, Du bist gut!&#x201C; und dann weinte sie sich noch ein braves Stückchen.</p>
        <p>Aber auch das, Nachbar, öffnete mir nicht meinen vernagelten Verstandeskasten. Am andern Abend kam sie wieder mit ihrem Kesselchen. &#x201E;Zünd&#x2019; nur die Lampe an,&#x201C; sagte ich; &#x201E;hernach mach&#x2019; ich mir&#x2019;s schon selber.&#x201C;</p>
        <p>Ich wollt&#x2019;, Sie hätten ihr bittend Angesicht gesehen. &#x201E;Laß mich, Ohm!&#x201C; sagte sie. &#x201E;Ich weiß, ich kann es heute. &#x201C;</p>
        <p>Ich wollte es dennoch wehren; aber jetzt stampfte sie mit ihrem Füßchen: &#x201E;Ich muß aber, Ohm; das ärgert mich, das von gestern.&#x201C;</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[43/0047] wie sie gurgelte und sprudelte, als gelte es, einen Gifttrank wegzuspülen. Ich ging ihr nach; da fiel sie mir um den Hals: „Ohm, mein süßer Ohm … ich konnte nicht dafür … verzeih’ mir, sei nicht bös!“ Das Kind war außer sich; dennoch wollte sie mir ein neues Glas bereiten; aber ich litt es nicht, ich nahm sie aus meinen Schooß. „Sei ruhig, Anna; Du weißt es ja, wir Beide können einander gar nicht böse sein!“ Da preßte sie meinen Hals mit ihren Armen, als ob sie mich ersticken wollte. „Du bist gut, mein Ohm; ich weiß es, Du bist gut!“ und dann weinte sie sich noch ein braves Stückchen. Aber auch das, Nachbar, öffnete mir nicht meinen vernagelten Verstandeskasten. Am andern Abend kam sie wieder mit ihrem Kesselchen. „Zünd’ nur die Lampe an,“ sagte ich; „hernach mach’ ich mir’s schon selber.“ Ich wollt’, Sie hätten ihr bittend Angesicht gesehen. „Laß mich, Ohm!“ sagte sie. „Ich weiß, ich kann es heute. “ Ich wollte es dennoch wehren; aber jetzt stampfte sie mit ihrem Füßchen: „Ich muß aber, Ohm; das ärgert mich, das von gestern.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Dieses Werk stammt von Wikisource (John_Riew’, Ein Fest auf Haderslevhuus).

Quelle der Scans: Wikimedia Commons (John Riew’, Ein Fest auf Haderslevhuss).

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885/47
Zitationshilfe: Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885/47>, abgerufen am 21.11.2024.