Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885.

Bild:
<< vorherige Seite

"Das ist schon mein Gefallen," sagte ich, "daß Du Dich freust."

"Nein, noch was Anderes, Ohm!" Sie sah mich geheimnißvoll mit ihren dunklen Augen an, und stickte weiter an ihren Monogrammen.

Abends brachte sie mir, wie gewöhnlich, das Kesselchen mit heißem Wasser aus mein Zimmer; sie nickte mir zu, und als es kochte, begann sie mir mein Glas zu mischen. Sie that das wie in Freude zitternd und doch so feierlich, als solle sie ein Opfer bringen. Dann hielt sie das dampfende Glas hoch vor ihrem Angesicht: "Ohm," sagte sie, indem sie auf mich zutrat, "mein Ohm, mögst Du noch vielmal diesen Tag erleben!" Der herzlichste Strahle den meine arme Seele je getrunken, flog aus ihren Kinderaugen in die meinen. Dann setzte sie das Glas an ihren Mund und that einen starken Zug daraus.

Aber es war zu viel gewesen, was sie sich zugemuthet hatte: wie im Krampf spieen die jungen Lippen den scharfen Trank hinaus und das Glas fiel aus ihrer Hand zu Boden, daß der Inhalt und die Scherben umherflogen; dann stürzte sie in den Alkoven, an meinen Waschtisch; ich hörte, wie sie Wasser in ein Glas goß, ein und zwei Mal, und

„Das ist schon mein Gefallen,“ sagte ich, „daß Du Dich freust.“

„Nein, noch was Anderes, Ohm!“ Sie sah mich geheimnißvoll mit ihren dunklen Augen an, und stickte weiter an ihren Monogrammen.

Abends brachte sie mir, wie gewöhnlich, das Kesselchen mit heißem Wasser aus mein Zimmer; sie nickte mir zu, und als es kochte, begann sie mir mein Glas zu mischen. Sie that das wie in Freude zitternd und doch so feierlich, als solle sie ein Opfer bringen. Dann hielt sie das dampfende Glas hoch vor ihrem Angesicht: „Ohm,“ sagte sie, indem sie auf mich zutrat, „mein Ohm, mögst Du noch vielmal diesen Tag erleben!“ Der herzlichste Strahle den meine arme Seele je getrunken, flog aus ihren Kinderaugen in die meinen. Dann setzte sie das Glas an ihren Mund und that einen starken Zug daraus.

Aber es war zu viel gewesen, was sie sich zugemuthet hatte: wie im Krampf spieen die jungen Lippen den scharfen Trank hinaus und das Glas fiel aus ihrer Hand zu Boden, daß der Inhalt und die Scherben umherflogen; dann stürzte sie in den Alkoven, an meinen Waschtisch; ich hörte, wie sie Wasser in ein Glas goß, ein und zwei Mal, und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0046" n="42"/>
        <p>&#x201E;Das ist schon mein Gefallen,&#x201C; sagte ich, &#x201E;daß Du Dich freust.&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Nein, noch was Anderes, Ohm!&#x201C; Sie sah mich geheimnißvoll mit ihren dunklen Augen an, und stickte weiter an ihren Monogrammen.</p>
        <p>Abends brachte sie mir, wie gewöhnlich, das Kesselchen mit heißem Wasser aus mein Zimmer; sie nickte mir zu, und als es kochte, begann sie mir mein Glas zu mischen. Sie that das wie in Freude zitternd und doch so feierlich, als solle sie ein Opfer bringen. Dann hielt sie das dampfende Glas hoch vor ihrem Angesicht: &#x201E;Ohm,&#x201C; sagte sie, indem sie auf mich zutrat, &#x201E;mein Ohm, mögst Du noch vielmal diesen Tag erleben!&#x201C; Der herzlichste Strahle den meine arme Seele je getrunken, flog aus ihren Kinderaugen in die meinen. Dann setzte sie das Glas an ihren Mund und that einen starken Zug daraus.</p>
        <p>Aber es war zu viel gewesen, was sie sich zugemuthet hatte: wie im Krampf spieen die jungen Lippen den scharfen Trank hinaus und das Glas fiel aus ihrer Hand zu Boden, daß der Inhalt und die Scherben umherflogen; dann stürzte sie in den Alkoven, an meinen Waschtisch; ich hörte, wie sie Wasser in ein Glas goß, ein und zwei Mal, und
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0046] „Das ist schon mein Gefallen,“ sagte ich, „daß Du Dich freust.“ „Nein, noch was Anderes, Ohm!“ Sie sah mich geheimnißvoll mit ihren dunklen Augen an, und stickte weiter an ihren Monogrammen. Abends brachte sie mir, wie gewöhnlich, das Kesselchen mit heißem Wasser aus mein Zimmer; sie nickte mir zu, und als es kochte, begann sie mir mein Glas zu mischen. Sie that das wie in Freude zitternd und doch so feierlich, als solle sie ein Opfer bringen. Dann hielt sie das dampfende Glas hoch vor ihrem Angesicht: „Ohm,“ sagte sie, indem sie auf mich zutrat, „mein Ohm, mögst Du noch vielmal diesen Tag erleben!“ Der herzlichste Strahle den meine arme Seele je getrunken, flog aus ihren Kinderaugen in die meinen. Dann setzte sie das Glas an ihren Mund und that einen starken Zug daraus. Aber es war zu viel gewesen, was sie sich zugemuthet hatte: wie im Krampf spieen die jungen Lippen den scharfen Trank hinaus und das Glas fiel aus ihrer Hand zu Boden, daß der Inhalt und die Scherben umherflogen; dann stürzte sie in den Alkoven, an meinen Waschtisch; ich hörte, wie sie Wasser in ein Glas goß, ein und zwei Mal, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Dieses Werk stammt von Wikisource (John_Riew’, Ein Fest auf Haderslevhuus).

Quelle der Scans: Wikimedia Commons (John Riew’, Ein Fest auf Haderslevhuss).

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885/46
Zitationshilfe: Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885/46>, abgerufen am 21.11.2024.