Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885.schneidern ging; damals aber warteten wir noch auf Käufer; und sie kamen auch, erst die Nachbarn und die Apothekertöchter, mit denen Anna damals wohl zusammenlief, dann auch von den Gästen aus dem Kaiserhofe. Ich hörte mit Behagen unsere Glocke läuten, wenn ich oben auf meinem Zimmer saß. Und endlich eines Abends nahm ich muthig einen großen Briefbogen und schrieb darauf an meinen alten Herrn Richardi in Lübeck, daß ich sein neues Schiff, "die alte Liebe", führen würde. "Die alte Liebe" war so gut wie ihr Name; und wir hatten Glück, mein alter Herr und ich! Fünf Jahre lang bin ich gefahren, wie noch nie zuvor - aber wir haben noch andere Abende, davon zu reden - nur bei der letzten Fahrt, in den englischen Nebeln, zwischen Plymouth und Southampton, da hätten wir bald, trotz Nebelhorn und Schüssen, das Schiff und auch uns selbst verloren. Das machte mich kopfscheu; mir schien's nun endlich doch genug vom Wasser und besser, das Bischen Lebensrest im Trocknen zu verzehren. Doch, mein Herr Richardi in Lübeck war nicht solcher Meinung, und da er mich halten wollte, so wußte ich wohl, weshalb er schneidern ging; damals aber warteten wir noch auf Käufer; und sie kamen auch, erst die Nachbarn und die Apothekertöchter, mit denen Anna damals wohl zusammenlief, dann auch von den Gästen aus dem Kaiserhofe. Ich hörte mit Behagen unsere Glocke läuten, wenn ich oben auf meinem Zimmer saß. Und endlich eines Abends nahm ich muthig einen großen Briefbogen und schrieb darauf an meinen alten Herrn Richardi in Lübeck, daß ich sein neues Schiff, „die alte Liebe“, führen würde. „Die alte Liebe“ war so gut wie ihr Name; und wir hatten Glück, mein alter Herr und ich! Fünf Jahre lang bin ich gefahren, wie noch nie zuvor – aber wir haben noch andere Abende, davon zu reden – nur bei der letzten Fahrt, in den englischen Nebeln, zwischen Plymouth und Southampton, da hätten wir bald, trotz Nebelhorn und Schüssen, das Schiff und auch uns selbst verloren. Das machte mich kopfscheu; mir schien’s nun endlich doch genug vom Wasser und besser, das Bischen Lebensrest im Trocknen zu verzehren. Doch, mein Herr Richardi in Lübeck war nicht solcher Meinung, und da er mich halten wollte, so wußte ich wohl, weshalb er <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0050" n="46"/> schneidern ging; damals aber warteten wir noch auf Käufer; und sie kamen auch, erst die Nachbarn und die Apothekertöchter, mit denen Anna damals wohl zusammenlief, dann auch von den Gästen aus dem Kaiserhofe. Ich hörte mit Behagen unsere Glocke läuten, wenn ich oben auf meinem Zimmer saß.</p> <p>Und endlich eines Abends nahm ich muthig einen großen Briefbogen und schrieb darauf an meinen alten Herrn Richardi in Lübeck, daß ich sein neues Schiff, „die alte Liebe“, führen würde.</p> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>„Die alte Liebe“ war so gut wie ihr Name; und wir hatten Glück, mein alter Herr und ich! Fünf Jahre lang bin ich gefahren, wie noch nie zuvor – aber wir haben noch andere Abende, davon zu reden – nur bei der letzten Fahrt, in den englischen Nebeln, zwischen Plymouth und Southampton, da hätten wir bald, trotz Nebelhorn und Schüssen, das Schiff und auch uns selbst verloren. Das machte mich kopfscheu; mir schien’s nun endlich doch genug vom Wasser und besser, das Bischen Lebensrest im Trocknen zu verzehren. Doch, mein Herr Richardi in Lübeck war nicht solcher Meinung, und da er mich halten wollte, so wußte ich wohl, weshalb er </p> </div> </body> </text> </TEI> [46/0050]
schneidern ging; damals aber warteten wir noch auf Käufer; und sie kamen auch, erst die Nachbarn und die Apothekertöchter, mit denen Anna damals wohl zusammenlief, dann auch von den Gästen aus dem Kaiserhofe. Ich hörte mit Behagen unsere Glocke läuten, wenn ich oben auf meinem Zimmer saß.
Und endlich eines Abends nahm ich muthig einen großen Briefbogen und schrieb darauf an meinen alten Herrn Richardi in Lübeck, daß ich sein neues Schiff, „die alte Liebe“, führen würde.
„Die alte Liebe“ war so gut wie ihr Name; und wir hatten Glück, mein alter Herr und ich! Fünf Jahre lang bin ich gefahren, wie noch nie zuvor – aber wir haben noch andere Abende, davon zu reden – nur bei der letzten Fahrt, in den englischen Nebeln, zwischen Plymouth und Southampton, da hätten wir bald, trotz Nebelhorn und Schüssen, das Schiff und auch uns selbst verloren. Das machte mich kopfscheu; mir schien’s nun endlich doch genug vom Wasser und besser, das Bischen Lebensrest im Trocknen zu verzehren. Doch, mein Herr Richardi in Lübeck war nicht solcher Meinung, und da er mich halten wollte, so wußte ich wohl, weshalb er
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