Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885."Verzeihung, Madame," sagte der Jemand, "die Toilette ist keinesweges kostbar; nur ein weißes, weiches Gewand und weiter nichts! Es darf sich keine vor der andern auszeichnen; die Blumen wird die Gesellschaft den Damen liefern; und ich würde hier" - er sprach das wie mit einer zärtlichen Verbeugung - "um die Erlaubniß bitten, dem Fräulein blaßrothe Rosen anbieten zu dürfen!" Es entstand eine Pause; dann schien unsre tugendhafte Mutter eine leise Bedenklichkeit zu äußern, die ich nicht verstehen konnte. Aber der Unbekannte sprach sogleich: "Pardon, madame; das ist es ja; nicht Rang und Stand, denen unsereiner gern einmal entflieht, soll hier den Ausschlag geben; sondern Schönheit und gute Sitten; doch da dieselben selten bei einander sind, so wird der Cirkel nur ein kleiner sein, ein Dutzend Paare etwa. Sie wissen, in den richtig konstruirten Familien ist stets die Mutter die Schöpferin der Tugend ihrer Kinder; und nicht jede Tochter, Madame, ist so glücklich, wie die Ihre!" "Dammend scoundrel!" brummte ich bei mir selber; denn mir war, als sähe ich durch die Thür ihn jetzt sein nichtsnutziges Compliment gegen unsre Alte machen. Und wer war denn der Monsieur? - Am Ende der Versucher in eigener Person; nur in „Verzeihung, Madame,“ sagte der Jemand, „die Toilette ist keinesweges kostbar; nur ein weißes, weiches Gewand und weiter nichts! Es darf sich keine vor der andern auszeichnen; die Blumen wird die Gesellschaft den Damen liefern; und ich würde hier“ – er sprach das wie mit einer zärtlichen Verbeugung – „um die Erlaubniß bitten, dem Fräulein blaßrothe Rosen anbieten zu dürfen!“ Es entstand eine Pause; dann schien unsre tugendhafte Mutter eine leise Bedenklichkeit zu äußern, die ich nicht verstehen konnte. Aber der Unbekannte sprach sogleich: „Pardon, madame; das ist es ja; nicht Rang und Stand, denen unsereiner gern einmal entflieht, soll hier den Ausschlag geben; sondern Schönheit und gute Sitten; doch da dieselben selten bei einander sind, so wird der Cirkel nur ein kleiner sein, ein Dutzend Paare etwa. Sie wissen, in den richtig konstruirten Familien ist stets die Mutter die Schöpferin der Tugend ihrer Kinder; und nicht jede Tochter, Madame, ist so glücklich, wie die Ihre!“ „Dammend scoundrel!“ brummte ich bei mir selber; denn mir war, als sähe ich durch die Thür ihn jetzt sein nichtsnutziges Compliment gegen unsre Alte machen. Und wer war denn der Monsieur? - Am Ende der Versucher in eigener Person; nur in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0062" n="58"/> <p>„Verzeihung, Madame,“ sagte der Jemand, „die Toilette ist keinesweges kostbar; nur ein weißes, weiches Gewand und weiter nichts! Es darf sich keine vor der andern auszeichnen; die Blumen wird die Gesellschaft den Damen liefern; und ich würde hier“ – er sprach das wie mit einer zärtlichen Verbeugung – „um die Erlaubniß bitten, dem Fräulein blaßrothe Rosen anbieten zu dürfen!“</p> <p>Es entstand eine Pause; dann schien unsre tugendhafte Mutter eine leise Bedenklichkeit zu äußern, die ich nicht verstehen konnte. Aber der Unbekannte sprach sogleich: „<hi rendition="#aq">Pardon, madame</hi>; das ist es ja; nicht Rang und Stand, denen unsereiner gern einmal entflieht, soll hier den Ausschlag geben; sondern Schönheit und gute Sitten; doch da dieselben selten bei einander sind, so wird der Cirkel nur ein kleiner sein, ein Dutzend Paare etwa. Sie wissen, in den richtig konstruirten Familien ist stets die Mutter die Schöpferin der Tugend ihrer Kinder; und nicht jede Tochter, Madame, ist so glücklich, wie die Ihre!“</p> <p>„<hi rendition="#aq">Dammend scoundrel!</hi>“ brummte ich bei mir selber; denn mir war, als sähe ich durch die Thür ihn jetzt sein nichtsnutziges Compliment gegen unsre Alte machen. Und wer war denn der Monsieur? - Am Ende der Versucher in eigener Person; nur in </p> </div> </body> </text> </TEI> [58/0062]
„Verzeihung, Madame,“ sagte der Jemand, „die Toilette ist keinesweges kostbar; nur ein weißes, weiches Gewand und weiter nichts! Es darf sich keine vor der andern auszeichnen; die Blumen wird die Gesellschaft den Damen liefern; und ich würde hier“ – er sprach das wie mit einer zärtlichen Verbeugung – „um die Erlaubniß bitten, dem Fräulein blaßrothe Rosen anbieten zu dürfen!“
Es entstand eine Pause; dann schien unsre tugendhafte Mutter eine leise Bedenklichkeit zu äußern, die ich nicht verstehen konnte. Aber der Unbekannte sprach sogleich: „Pardon, madame; das ist es ja; nicht Rang und Stand, denen unsereiner gern einmal entflieht, soll hier den Ausschlag geben; sondern Schönheit und gute Sitten; doch da dieselben selten bei einander sind, so wird der Cirkel nur ein kleiner sein, ein Dutzend Paare etwa. Sie wissen, in den richtig konstruirten Familien ist stets die Mutter die Schöpferin der Tugend ihrer Kinder; und nicht jede Tochter, Madame, ist so glücklich, wie die Ihre!“
„Dammend scoundrel!“ brummte ich bei mir selber; denn mir war, als sähe ich durch die Thür ihn jetzt sein nichtsnutziges Compliment gegen unsre Alte machen. Und wer war denn der Monsieur? - Am Ende der Versucher in eigener Person; nur in
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Zitationshilfe: | Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885/62>, abgerufen am 31.07.2024. |