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Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885.

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da die andern beiden schwiegen, "ein feiner Maat, der Euch da beehrt hat!"

Die Alte nickte. "Ein sittsamer, edler, junger Herr! Aber ich glaube, Onkel John, Ihr habt ihn fortgetrieben!"

"Was hab' ich Riekchen?" rief ich; denn so sanft sie das auch vorbrachte, solch' eine Anklage hatte ich noch nie von ihr gehört. "Ich habe ja in aller Ehrbarkeit auf diesem Stuhl gesessen!"

"Ja, Riew', das haben Sie wohl; aber - Sie saßen so, als wollten Sie den Herrn Baron zur Thür hinaus haben!"

"Und das wollt' ich auch, Riekchen!" rief ich, "und er ist denn auch gegangen; und wisset Ihr weshalb? - Weil er ein schlecht Gewissen hatte! Weil er keinen Mann gebrauchen konnte beim Auswerfen seiner Angel, womit nur junge Dirnen und alte dumme Weiber zu ködern waren! Und wenn Ihr noch etwas Mutterwitz im Kopfe habt, so beißt Ihr nicht daran!"

Die Alte stieß einen sanften Klageton aus und ging händeringend auf und ab; ich aber war zornig geworden, Nachbar, und wollte es nicht noch mehr werden; deshalb nahm ich Hut und Stock und stieg hinauf nach meiner eigenen Wirthschaft.



da die andern beiden schwiegen, „ein feiner Maat, der Euch da beehrt hat!“

Die Alte nickte. „Ein sittsamer, edler, junger Herr! Aber ich glaube, Onkel John, Ihr habt ihn fortgetrieben!“

„Was hab’ ich Riekchen?“ rief ich; denn so sanft sie das auch vorbrachte, solch’ eine Anklage hatte ich noch nie von ihr gehört. „Ich habe ja in aller Ehrbarkeit auf diesem Stuhl gesessen!“

„Ja, Riew’, das haben Sie wohl; aber – Sie saßen so, als wollten Sie den Herrn Baron zur Thür hinaus haben!“

„Und das wollt’ ich auch, Riekchen!“ rief ich, „und er ist denn auch gegangen; und wisset Ihr weshalb? – Weil er ein schlecht Gewissen hatte! Weil er keinen Mann gebrauchen konnte beim Auswerfen seiner Angel, womit nur junge Dirnen und alte dumme Weiber zu ködern waren! Und wenn Ihr noch etwas Mutterwitz im Kopfe habt, so beißt Ihr nicht daran!“

Die Alte stieß einen sanften Klageton aus und ging händeringend auf und ab; ich aber war zornig geworden, Nachbar, und wollte es nicht noch mehr werden; deshalb nahm ich Hut und Stock und stieg hinauf nach meiner eigenen Wirthschaft.



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[62/0066] da die andern beiden schwiegen, „ein feiner Maat, der Euch da beehrt hat!“ Die Alte nickte. „Ein sittsamer, edler, junger Herr! Aber ich glaube, Onkel John, Ihr habt ihn fortgetrieben!“ „Was hab’ ich Riekchen?“ rief ich; denn so sanft sie das auch vorbrachte, solch’ eine Anklage hatte ich noch nie von ihr gehört. „Ich habe ja in aller Ehrbarkeit auf diesem Stuhl gesessen!“ „Ja, Riew’, das haben Sie wohl; aber – Sie saßen so, als wollten Sie den Herrn Baron zur Thür hinaus haben!“ „Und das wollt’ ich auch, Riekchen!“ rief ich, „und er ist denn auch gegangen; und wisset Ihr weshalb? – Weil er ein schlecht Gewissen hatte! Weil er keinen Mann gebrauchen konnte beim Auswerfen seiner Angel, womit nur junge Dirnen und alte dumme Weiber zu ködern waren! Und wenn Ihr noch etwas Mutterwitz im Kopfe habt, so beißt Ihr nicht daran!“ Die Alte stieß einen sanften Klageton aus und ging händeringend auf und ab; ich aber war zornig geworden, Nachbar, und wollte es nicht noch mehr werden; deshalb nahm ich Hut und Stock und stieg hinauf nach meiner eigenen Wirthschaft.

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Dieses Werk stammt von Wikisource (John_Riew’, Ein Fest auf Haderslevhuus).

Quelle der Scans: Wikimedia Commons (John Riew’, Ein Fest auf Haderslevhuss).

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885/66>, abgerufen am 16.05.2024.