Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885.wirf den Ballast über Bord. Oder, wenn nicht mir, so sag' es Deiner Mutter!" Sie starrte mit ihren schmucken Augen vor sich hin, als ob sie in ein schwarzes Wasser sähe, und sagte rauh: "Nein, nicht der, nicht meiner Mutter." "Versündige Dich nicht," sprach ich; "Du hast ja nur uns Beide aus der Welt!" Da warf sie sich auf die Kniee und schrie: "Mein Vater, o mein guter Vater! Ich will zu Dir!" Und ich kniete neben ihr, und wußte mir nicht zu helfen; denn Nachbar, die Frauenzimmer haben nicht den Verstand, daß man ihnen damit beikommen könnte. Zum Glück klingelte jetzt die Hausthür, und ihre Mutter mit einem Korb voll Brod und Kohl und Rüben trat herein; und so ließ ich die Beiden und ging nach dem Römischen Kaiserhof und dort unten in das Gastzimmer. Aber mein Glas schmeckte mir nicht; denn immer sah ich das arme Kindergesicht in seiner Angst und Noth. - - Sie hatte sich denn endlich doch der Mutter kund gethan; aber, Herr Nachbar, helfen konnten wir nicht; nur, wir wußten es denn nun - ein vaterlos Kind sollte geboren werden, von ihr, die ja fast selber noch ein Kind war. Herr, du meines Lebens! Wie wurde die alte wirf den Ballast über Bord. Oder, wenn nicht mir, so sag’ es Deiner Mutter!“ Sie starrte mit ihren schmucken Augen vor sich hin, als ob sie in ein schwarzes Wasser sähe, und sagte rauh: „Nein, nicht der, nicht meiner Mutter.“ „Versündige Dich nicht,“ sprach ich; „Du hast ja nur uns Beide aus der Welt!“ Da warf sie sich auf die Kniee und schrie: „Mein Vater, o mein guter Vater! Ich will zu Dir!“ Und ich kniete neben ihr, und wußte mir nicht zu helfen; denn Nachbar, die Frauenzimmer haben nicht den Verstand, daß man ihnen damit beikommen könnte. Zum Glück klingelte jetzt die Hausthür, und ihre Mutter mit einem Korb voll Brod und Kohl und Rüben trat herein; und so ließ ich die Beiden und ging nach dem Römischen Kaiserhof und dort unten in das Gastzimmer. Aber mein Glas schmeckte mir nicht; denn immer sah ich das arme Kindergesicht in seiner Angst und Noth. – – Sie hatte sich denn endlich doch der Mutter kund gethan; aber, Herr Nachbar, helfen konnten wir nicht; nur, wir wußten es denn nun – ein vaterlos Kind sollte geboren werden, von ihr, die ja fast selber noch ein Kind war. Herr, du meines Lebens! Wie wurde die alte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0077" n="73"/> wirf den Ballast über Bord. Oder, wenn nicht mir, so sag’ es Deiner Mutter!“</p> <p>Sie starrte mit ihren schmucken Augen vor sich hin, als ob sie in ein schwarzes Wasser sähe, und sagte rauh: „Nein, nicht der, nicht meiner Mutter.“</p> <p>„Versündige Dich nicht,“ sprach ich; „Du hast ja nur uns Beide aus der Welt!“</p> <p>Da warf sie sich auf die Kniee und schrie: „Mein Vater, o mein guter Vater! Ich will zu Dir!“</p> <p>Und ich kniete neben ihr, und wußte mir nicht zu helfen; denn Nachbar, die Frauenzimmer haben nicht den Verstand, daß man ihnen damit beikommen könnte. Zum Glück klingelte jetzt die Hausthür, und ihre Mutter mit einem Korb voll Brod und Kohl und Rüben trat herein; und so ließ ich die Beiden und ging nach dem Römischen Kaiserhof und dort unten in das Gastzimmer. Aber mein Glas schmeckte mir nicht; denn immer sah ich das arme Kindergesicht in seiner Angst und Noth.</p> <p>– – Sie hatte sich denn endlich doch der Mutter kund gethan; aber, Herr Nachbar, helfen konnten wir nicht; nur, wir wußten es denn nun – ein vaterlos Kind sollte geboren werden, von ihr, die ja fast selber noch ein Kind war.</p> <p>Herr, du meines Lebens! Wie wurde die alte </p> </div> </body> </text> </TEI> [73/0077]
wirf den Ballast über Bord. Oder, wenn nicht mir, so sag’ es Deiner Mutter!“
Sie starrte mit ihren schmucken Augen vor sich hin, als ob sie in ein schwarzes Wasser sähe, und sagte rauh: „Nein, nicht der, nicht meiner Mutter.“
„Versündige Dich nicht,“ sprach ich; „Du hast ja nur uns Beide aus der Welt!“
Da warf sie sich auf die Kniee und schrie: „Mein Vater, o mein guter Vater! Ich will zu Dir!“
Und ich kniete neben ihr, und wußte mir nicht zu helfen; denn Nachbar, die Frauenzimmer haben nicht den Verstand, daß man ihnen damit beikommen könnte. Zum Glück klingelte jetzt die Hausthür, und ihre Mutter mit einem Korb voll Brod und Kohl und Rüben trat herein; und so ließ ich die Beiden und ging nach dem Römischen Kaiserhof und dort unten in das Gastzimmer. Aber mein Glas schmeckte mir nicht; denn immer sah ich das arme Kindergesicht in seiner Angst und Noth.
– – Sie hatte sich denn endlich doch der Mutter kund gethan; aber, Herr Nachbar, helfen konnten wir nicht; nur, wir wußten es denn nun – ein vaterlos Kind sollte geboren werden, von ihr, die ja fast selber noch ein Kind war.
Herr, du meines Lebens! Wie wurde die alte
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Dieses Werk stammt von Wikisource (John_Riew’, Ein Fest auf Haderslevhuus). Quelle der Scans: Wikimedia Commons (John Riew’, Ein Fest auf Haderslevhuss). Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |