Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885.spricht ja nicht davon. Ohm, sag' mir: that er das mit Willen?" "Mit Willen, Anna? Was red'st Du denn! Er kam spät Nachts nach Hause; an der Brücke, wo er vorüber mußte, ward gebaut, und mit den Laternen war es noch nicht wie heutzutage; da ist er fehlgetreten und verunglückt." Sie schwieg, aber ich sah, wie ihre Brust sich vor innerer Aufregung hob, und wie sie heftiger ihre Nadel führte. "Ohm," hub sie wieder an und ließ nun ihre Hände ruhn, "hat mein Vater auch von dem Schrecklichen getrunken, was Du immer Abends trinkst, und - wo ich auch davon getrunken habe?" Ich erschrak, aber ich antwortete scheinbar ruhig: "Das ist nicht schrecklich, Anna; das hat ja der Herrgott uns Seeleuten so recht zum Labsal gegeben: Hast Du danach bei mir was Schreckliches gesehen?" "Bei Dir nicht, Ohm" - und sie sah mich mit ganz großen Augen an; "aber Alle dürfen das nicht trinken; es bringt uns um den Verstand; die Bösen haben dann Gewalt über uns." "Ja, Anna," sagte ich, "das hat der Herrgott in der Welt so eingerichtet; wohl thut's mit Maaßen und weh im Uebermaaß; mein alter Hochbootsmann hatte sich in starkem Kaffee den Säuferwahnsinn auf spricht ja nicht davon. Ohm, sag’ mir: that er das mit Willen?“ „Mit Willen, Anna? Was red’st Du denn! Er kam spät Nachts nach Hause; an der Brücke, wo er vorüber mußte, ward gebaut, und mit den Laternen war es noch nicht wie heutzutage; da ist er fehlgetreten und verunglückt.“ Sie schwieg, aber ich sah, wie ihre Brust sich vor innerer Aufregung hob, und wie sie heftiger ihre Nadel führte. „Ohm,“ hub sie wieder an und ließ nun ihre Hände ruhn, „hat mein Vater auch von dem Schrecklichen getrunken, was Du immer Abends trinkst, und – wo ich auch davon getrunken habe?“ Ich erschrak, aber ich antwortete scheinbar ruhig: „Das ist nicht schrecklich, Anna; das hat ja der Herrgott uns Seeleuten so recht zum Labsal gegeben: Hast Du danach bei mir was Schreckliches gesehen?“ „Bei Dir nicht, Ohm“ – und sie sah mich mit ganz großen Augen an; „aber Alle dürfen das nicht trinken; es bringt uns um den Verstand; die Bösen haben dann Gewalt über uns.“ „Ja, Anna,“ sagte ich, „das hat der Herrgott in der Welt so eingerichtet; wohl thut’s mit Maaßen und weh im Uebermaaß; mein alter Hochbootsmann hatte sich in starkem Kaffee den Säuferwahnsinn auf <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0082" n="78"/> spricht ja nicht davon. Ohm, sag’ mir: that er das mit Willen?“</p> <p>„Mit Willen, Anna? Was red’st Du denn! Er kam spät Nachts nach Hause; an der Brücke, wo er vorüber mußte, ward gebaut, und mit den Laternen war es noch nicht wie heutzutage; da ist er fehlgetreten und verunglückt.“</p> <p>Sie schwieg, aber ich sah, wie ihre Brust sich vor innerer Aufregung hob, und wie sie heftiger ihre Nadel führte. „Ohm,“ hub sie wieder an und ließ nun ihre Hände ruhn, „hat mein Vater auch von dem Schrecklichen getrunken, was Du immer Abends trinkst, und – wo ich auch davon getrunken habe?“</p> <p>Ich erschrak, aber ich antwortete scheinbar ruhig: „Das ist nicht schrecklich, Anna; das hat ja der Herrgott uns Seeleuten so recht zum Labsal gegeben: Hast Du danach bei mir was Schreckliches gesehen?“</p> <p>„Bei Dir nicht, Ohm“ – und sie sah mich mit ganz großen Augen an; „aber Alle dürfen das nicht trinken; es bringt uns um den Verstand; die Bösen haben dann Gewalt über uns.“</p> <p>„Ja, Anna,“ sagte ich, „das hat der Herrgott in der Welt so eingerichtet; wohl thut’s mit Maaßen und weh im Uebermaaß; mein alter Hochbootsmann hatte sich in starkem Kaffee den Säuferwahnsinn auf </p> </div> </body> </text> </TEI> [78/0082]
spricht ja nicht davon. Ohm, sag’ mir: that er das mit Willen?“
„Mit Willen, Anna? Was red’st Du denn! Er kam spät Nachts nach Hause; an der Brücke, wo er vorüber mußte, ward gebaut, und mit den Laternen war es noch nicht wie heutzutage; da ist er fehlgetreten und verunglückt.“
Sie schwieg, aber ich sah, wie ihre Brust sich vor innerer Aufregung hob, und wie sie heftiger ihre Nadel führte. „Ohm,“ hub sie wieder an und ließ nun ihre Hände ruhn, „hat mein Vater auch von dem Schrecklichen getrunken, was Du immer Abends trinkst, und – wo ich auch davon getrunken habe?“
Ich erschrak, aber ich antwortete scheinbar ruhig: „Das ist nicht schrecklich, Anna; das hat ja der Herrgott uns Seeleuten so recht zum Labsal gegeben: Hast Du danach bei mir was Schreckliches gesehen?“
„Bei Dir nicht, Ohm“ – und sie sah mich mit ganz großen Augen an; „aber Alle dürfen das nicht trinken; es bringt uns um den Verstand; die Bösen haben dann Gewalt über uns.“
„Ja, Anna,“ sagte ich, „das hat der Herrgott in der Welt so eingerichtet; wohl thut’s mit Maaßen und weh im Uebermaaß; mein alter Hochbootsmann hatte sich in starkem Kaffee den Säuferwahnsinn auf
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