Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht, wie er dem schweigsamen Knechte ankommen
sollte. "Du, Iven!" sagte er endlich, "weißt Du,
das Pferdsgeripp' auf Jeverssand!"

"Was ist damit?" frug der Knecht.

"Ja, Iven, was ist damit? Es ist gar nicht
mehr da; weder Tages noch bei Mondschein; wohl
zwanzigmal bin ich auf den Deich hinausgelaufen!"

"Die alten Knochen sind wohl zusammen-
gepoltert!" sagte Iven und rauchte ruhig weiter.

"Aber ich war auch bei Mondschein draußen;
es geht auch drüben nichts auf Jeverssand!"

"Ja," sagte der Knecht, "sind die Knochen
auseinander gefallen, so wird's wohl nicht mehr
aufstehen können!"

"Mach' keinen Spaß, Iven! Ich weiß jetzt;
ich kann Dir sagen, wo es ist!"

Der Knecht drehte sich jäh zu ihm: "Nun,
wo ist es denn?"

"Wo?" wiederholte der Junge nachdrücklich.
"Es steht in uns'rem Stall; da steht's, seit es
nicht mehr auf der Hallig ist. Es ist auch nicht
umsonst, daß der Wirth es allzeit selber füttert;
ich weiß Bescheid, Iven!"

Der Knecht paffte eine Weile heftig in die

9 *

nicht, wie er dem ſchweigſamen Knechte ankommen
ſollte. „Du, Iven!” ſagte er endlich, „weißt Du,
das Pferdsgeripp' auf Jeversſand!”

„Was iſt damit?” frug der Knecht.

„Ja, Iven, was iſt damit? Es iſt gar nicht
mehr da; weder Tages noch bei Mondſchein; wohl
zwanzigmal bin ich auf den Deich hinausgelaufen!”

„Die alten Knochen ſind wohl zuſammen-
gepoltert!” ſagte Iven und rauchte ruhig weiter.

„Aber ich war auch bei Mondſchein draußen;
es geht auch drüben nichts auf Jeversſand!”

„Ja,” ſagte der Knecht, „ſind die Knochen
auseinander gefallen, ſo wird's wohl nicht mehr
aufſtehen können!”

„Mach' keinen Spaß, Iven! Ich weiß jetzt;
ich kann Dir ſagen, wo es iſt!”

Der Knecht drehte ſich jäh zu ihm: „Nun,
wo iſt es denn?”

„Wo?” wiederholte der Junge nachdrücklich.
„Es ſteht in unſ'rem Stall; da ſteht's, ſeit es
nicht mehr auf der Hallig iſt. Es iſt auch nicht
umſonſt, daß der Wirth es allzeit ſelber füttert;
ich weiß Beſcheid, Iven!”

Der Knecht paffte eine Weile heftig in die

9 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0143" n="131"/>
nicht, wie er dem &#x017F;chweig&#x017F;amen Knechte ankommen<lb/>
&#x017F;ollte. &#x201E;Du, Iven!&#x201D; &#x017F;agte er endlich, &#x201E;weißt Du,<lb/>
das Pferdsgeripp' auf Jevers&#x017F;and!&#x201D;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Was i&#x017F;t damit?&#x201D; frug der Knecht.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja, Iven, was i&#x017F;t damit? Es i&#x017F;t gar nicht<lb/>
mehr da; weder Tages noch bei Mond&#x017F;chein; wohl<lb/>
zwanzigmal bin ich auf den Deich hinausgelaufen!&#x201D;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Die alten Knochen &#x017F;ind wohl zu&#x017F;ammen-<lb/>
gepoltert!&#x201D; &#x017F;agte Iven und rauchte ruhig weiter.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Aber ich war auch bei Mond&#x017F;chein draußen;<lb/>
es geht auch drüben nichts auf Jevers&#x017F;and!&#x201D;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja,&#x201D; &#x017F;agte der Knecht, &#x201E;&#x017F;ind die Knochen<lb/>
auseinander gefallen, &#x017F;o wird's wohl nicht mehr<lb/>
auf&#x017F;tehen können!&#x201D;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Mach' keinen Spaß, Iven! Ich weiß jetzt;<lb/>
ich kann Dir &#x017F;agen, wo es i&#x017F;t!&#x201D;</p><lb/>
        <p>Der Knecht drehte &#x017F;ich jäh zu ihm: &#x201E;Nun,<lb/>
wo i&#x017F;t es denn?&#x201D;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wo?&#x201D; wiederholte der Junge nachdrücklich.<lb/>
&#x201E;Es &#x017F;teht in un&#x017F;'rem Stall; da &#x017F;teht's, &#x017F;eit es<lb/>
nicht mehr auf der Hallig i&#x017F;t. Es i&#x017F;t auch nicht<lb/>
um&#x017F;on&#x017F;t, daß der Wirth es allzeit &#x017F;elber füttert;<lb/>
ich weiß Be&#x017F;cheid, Iven!&#x201D;</p><lb/>
        <p>Der Knecht paffte eine Weile heftig in die<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">9 *</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[131/0143] nicht, wie er dem ſchweigſamen Knechte ankommen ſollte. „Du, Iven!” ſagte er endlich, „weißt Du, das Pferdsgeripp' auf Jeversſand!” „Was iſt damit?” frug der Knecht. „Ja, Iven, was iſt damit? Es iſt gar nicht mehr da; weder Tages noch bei Mondſchein; wohl zwanzigmal bin ich auf den Deich hinausgelaufen!” „Die alten Knochen ſind wohl zuſammen- gepoltert!” ſagte Iven und rauchte ruhig weiter. „Aber ich war auch bei Mondſchein draußen; es geht auch drüben nichts auf Jeversſand!” „Ja,” ſagte der Knecht, „ſind die Knochen auseinander gefallen, ſo wird's wohl nicht mehr aufſtehen können!” „Mach' keinen Spaß, Iven! Ich weiß jetzt; ich kann Dir ſagen, wo es iſt!” Der Knecht drehte ſich jäh zu ihm: „Nun, wo iſt es denn?” „Wo?” wiederholte der Junge nachdrücklich. „Es ſteht in unſ'rem Stall; da ſteht's, ſeit es nicht mehr auf der Hallig iſt. Es iſt auch nicht umſonſt, daß der Wirth es allzeit ſelber füttert; ich weiß Beſcheid, Iven!” Der Knecht paffte eine Weile heftig in die 9 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Zuerst erschienen in: Deutsche Rundschau (Berlin)… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/143
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/143>, abgerufen am 24.11.2024.