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Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888.

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-- "Herr, Euer Pferd, es ist so ruhig, als
ob es Böses vorhabe!"

Hauke lachte und nahm das Pferd selbst am
Zügel, das sogleich liebkosend den Kopf an seiner
Schulter rieb. Von den Arbeitern sahen einige
scheu zu Roß und Reiter hinüber, andere, als ob
das Alles sie nicht kümmere, aßen schweigend ihre
Frühkost, dann und wann den Möven einen Brocken
hinaufwerfend, die sich den Futterplatz gemerkt hatten
und mit ihren schlanken Flügeln sich fast auf ihre
Köpfe senkten. Der Deichgraf blickte eine Weile
wie gedankenlos auf die bettelnden Vögel und wie
sie die zugeworfenen Bissen mit ihren Schnäbeln
haschten; dann sprang er in den Sattel und ritt,
ohne sich nach den Leuten umzusehen, davon; einige
Worte, die jetzt unter ihnen laut wurden, klangen
ihm fast wie Hohn. "Was ist das?" sprach er
bei sich selber. "Hatte denn Elke recht, daß sie
Alle gegen mich sind? Auch diese Knechte und
kleinen Leute, von denen Vielen durch meinen neuen
Deich doch eine Wohlhabenheit ins Haus wächst?"

Er gab seinem Pferde die Sporen, daß es
wie toll in den Koog hinabflog. Von dem un-
heimlichen Glanze freilich, mit dem sein früherer

— „Herr, Euer Pferd, es iſt ſo ruhig, als
ob es Böſes vorhabe!”

Hauke lachte und nahm das Pferd ſelbſt am
Zügel, das ſogleich liebkoſend den Kopf an ſeiner
Schulter rieb. Von den Arbeitern ſahen einige
ſcheu zu Roß und Reiter hinüber, andere, als ob
das Alles ſie nicht kümmere, aßen ſchweigend ihre
Frühkoſt, dann und wann den Möven einen Brocken
hinaufwerfend, die ſich den Futterplatz gemerkt hatten
und mit ihren ſchlanken Flügeln ſich faſt auf ihre
Köpfe ſenkten. Der Deichgraf blickte eine Weile
wie gedankenlos auf die bettelnden Vögel und wie
ſie die zugeworfenen Biſſen mit ihren Schnäbeln
haſchten; dann ſprang er in den Sattel und ritt,
ohne ſich nach den Leuten umzuſehen, davon; einige
Worte, die jetzt unter ihnen laut wurden, klangen
ihm faſt wie Hohn. „Was iſt das?” ſprach er
bei ſich ſelber. „Hatte denn Elke recht, daß ſie
Alle gegen mich ſind? Auch dieſe Knechte und
kleinen Leute, von denen Vielen durch meinen neuen
Deich doch eine Wohlhabenheit ins Haus wächſt?”

Er gab ſeinem Pferde die Sporen, daß es
wie toll in den Koog hinabflog. Von dem un-
heimlichen Glanze freilich, mit dem ſein früherer

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[146/0158] — „Herr, Euer Pferd, es iſt ſo ruhig, als ob es Böſes vorhabe!” Hauke lachte und nahm das Pferd ſelbſt am Zügel, das ſogleich liebkoſend den Kopf an ſeiner Schulter rieb. Von den Arbeitern ſahen einige ſcheu zu Roß und Reiter hinüber, andere, als ob das Alles ſie nicht kümmere, aßen ſchweigend ihre Frühkoſt, dann und wann den Möven einen Brocken hinaufwerfend, die ſich den Futterplatz gemerkt hatten und mit ihren ſchlanken Flügeln ſich faſt auf ihre Köpfe ſenkten. Der Deichgraf blickte eine Weile wie gedankenlos auf die bettelnden Vögel und wie ſie die zugeworfenen Biſſen mit ihren Schnäbeln haſchten; dann ſprang er in den Sattel und ritt, ohne ſich nach den Leuten umzuſehen, davon; einige Worte, die jetzt unter ihnen laut wurden, klangen ihm faſt wie Hohn. „Was iſt das?” ſprach er bei ſich ſelber. „Hatte denn Elke recht, daß ſie Alle gegen mich ſind? Auch dieſe Knechte und kleinen Leute, von denen Vielen durch meinen neuen Deich doch eine Wohlhabenheit ins Haus wächſt?” Er gab ſeinem Pferde die Sporen, daß es wie toll in den Koog hinabflog. Von dem un- heimlichen Glanze freilich, mit dem ſein früherer

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/158>, abgerufen am 24.11.2024.