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Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888.

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Dienstjunge den Schimmelreiter bekleidet hatte,
wußte er selber nichts; aber die Leute hätten ihn
jetzt nur sehen sollen, wie aus seinem hageren Ge-
sicht die Augen starrten, wie sein Mantel flog,
und wie der Schimmel sprühte!

-- -- So war der Sommer und der Herbst
vergangen; noch bis gegen Ende November war
gearbeitet worden; dann geboten Frost und Schnee
dem Werke Halt; man war nicht fertig geworden
und beschloß, den Koog offen liegen zu lassen.
Acht Fuß ragte der Deich aus der Fläche hervor;
nur wo westwärts gegen das Wasser hin die
Schleuse gelegt werden sollte, hatte man eine Lücke
gelassen; auch oben vor dem alten Deiche war der
Priehl noch unberührt. So konnte die Fluth, wie
in den letzten dreißig Jahren, in den Koog hinein-
dringen, ohne dort oder an dem neuen Deiche
großen Schaden anzurichten. Und so überließ man
dem großen Gott das Werk der Menschenhände
und stellte es in seinen Schutz, bis die Frühlings-
sonne die Vollendung würde möglich machen.

-- -- Inzwischen hatte im Hause des Deich-
grafen sich ein frohes Ereigniß vorbereitet: im
neunten Ehejahre war noch ein Kind geboren worden.

10 *

Dienſtjunge den Schimmelreiter bekleidet hatte,
wußte er ſelber nichts; aber die Leute hätten ihn
jetzt nur ſehen ſollen, wie aus ſeinem hageren Ge-
ſicht die Augen ſtarrten, wie ſein Mantel flog,
und wie der Schimmel ſprühte!

— — So war der Sommer und der Herbſt
vergangen; noch bis gegen Ende November war
gearbeitet worden; dann geboten Froſt und Schnee
dem Werke Halt; man war nicht fertig geworden
und beſchloß, den Koog offen liegen zu laſſen.
Acht Fuß ragte der Deich aus der Fläche hervor;
nur wo weſtwärts gegen das Waſſer hin die
Schleuſe gelegt werden ſollte, hatte man eine Lücke
gelaſſen; auch oben vor dem alten Deiche war der
Priehl noch unberührt. So konnte die Fluth, wie
in den letzten dreißig Jahren, in den Koog hinein-
dringen, ohne dort oder an dem neuen Deiche
großen Schaden anzurichten. Und ſo überließ man
dem großen Gott das Werk der Menſchenhände
und ſtellte es in ſeinen Schutz, bis die Frühlings-
ſonne die Vollendung würde möglich machen.

— — Inzwiſchen hatte im Hauſe des Deich-
grafen ſich ein frohes Ereigniß vorbereitet: im
neunten Ehejahre war noch ein Kind geboren worden.

10 *
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[147/0159] Dienſtjunge den Schimmelreiter bekleidet hatte, wußte er ſelber nichts; aber die Leute hätten ihn jetzt nur ſehen ſollen, wie aus ſeinem hageren Ge- ſicht die Augen ſtarrten, wie ſein Mantel flog, und wie der Schimmel ſprühte! — — So war der Sommer und der Herbſt vergangen; noch bis gegen Ende November war gearbeitet worden; dann geboten Froſt und Schnee dem Werke Halt; man war nicht fertig geworden und beſchloß, den Koog offen liegen zu laſſen. Acht Fuß ragte der Deich aus der Fläche hervor; nur wo weſtwärts gegen das Waſſer hin die Schleuſe gelegt werden ſollte, hatte man eine Lücke gelaſſen; auch oben vor dem alten Deiche war der Priehl noch unberührt. So konnte die Fluth, wie in den letzten dreißig Jahren, in den Koog hinein- dringen, ohne dort oder an dem neuen Deiche großen Schaden anzurichten. Und ſo überließ man dem großen Gott das Werk der Menſchenhände und ſtellte es in ſeinen Schutz, bis die Frühlings- ſonne die Vollendung würde möglich machen. — — Inzwiſchen hatte im Hauſe des Deich- grafen ſich ein frohes Ereigniß vorbereitet: im neunten Ehejahre war noch ein Kind geboren worden. 10 *

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/159>, abgerufen am 21.11.2024.