Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888.Es war Hochfluth; als sie auf den Deich Aber er löste sich sanft und sagte: "Still, Sie strich sich das fahlblonde Haar aus der "Nicht ich kann das, Kind," entgegnete Hauke Ihre Augen gingen wider ihn, als ob sie Es war Hochfluth; als ſie auf den Deich Aber er löſte ſich ſanft und ſagte: „Still, Sie ſtrich ſich das fahlblonde Haar aus der „Nicht ich kann das, Kind,” entgegnete Hauke Ihre Augen gingen wider ihn, als ob ſie <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0188" n="176"/> <p>Es war Hochfluth; als ſie auf den Deich<lb/> hinaufkamen, ſchlug der Widerſchein der Sonne<lb/> von dem weiten Waſſer ihr in die Augen, ein<lb/> Wirbelwind trieb die Wellen ſtrudelnd in die<lb/> Höhe, und neue kamen heran und ſchlugen klatſchend<lb/> gegen den Strand, da klammerte ſie ihre Händchen<lb/> angſtvoll um die Fauſt ihres Vaters, die den<lb/> Zügel führte, daß der Schimmel mit einem Satz<lb/> zur Seite fuhr. Die blaßblauen Augen ſahen in<lb/> wirrem Schreck zu Hauke auf: „Das Waſſer, Vater!<lb/> das Waſſer!” rief ſie.</p><lb/> <p>Aber er löſte ſich ſanft und ſagte: „Still,<lb/> Kind, Du biſt bei Deinem Vater; das Waſſer thut<lb/> Dir nichts!”</p><lb/> <p>Sie ſtrich ſich das fahlblonde Haar aus der<lb/> Stirn und wagte es wieder, auf die See hinaus-<lb/> zuſehen. „Es thut mir nichts,” ſagte ſie zitternd;<lb/> „nein, ſag', daß es uns nichts thun ſoll; Du<lb/> kannſt das, und dann thut es uns auch nichts!”</p><lb/> <p>„Nicht ich kann das, Kind,” entgegnete Hauke<lb/> ernſt; „aber der Deich, auf dem wir reiten, der<lb/> ſchützt uns, und den hat Dein Vater ausgedacht<lb/> und bauen laſſen.”</p><lb/> <p>Ihre Augen gingen wider ihn, als ob ſie<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [176/0188]
Es war Hochfluth; als ſie auf den Deich
hinaufkamen, ſchlug der Widerſchein der Sonne
von dem weiten Waſſer ihr in die Augen, ein
Wirbelwind trieb die Wellen ſtrudelnd in die
Höhe, und neue kamen heran und ſchlugen klatſchend
gegen den Strand, da klammerte ſie ihre Händchen
angſtvoll um die Fauſt ihres Vaters, die den
Zügel führte, daß der Schimmel mit einem Satz
zur Seite fuhr. Die blaßblauen Augen ſahen in
wirrem Schreck zu Hauke auf: „Das Waſſer, Vater!
das Waſſer!” rief ſie.
Aber er löſte ſich ſanft und ſagte: „Still,
Kind, Du biſt bei Deinem Vater; das Waſſer thut
Dir nichts!”
Sie ſtrich ſich das fahlblonde Haar aus der
Stirn und wagte es wieder, auf die See hinaus-
zuſehen. „Es thut mir nichts,” ſagte ſie zitternd;
„nein, ſag', daß es uns nichts thun ſoll; Du
kannſt das, und dann thut es uns auch nichts!”
„Nicht ich kann das, Kind,” entgegnete Hauke
ernſt; „aber der Deich, auf dem wir reiten, der
ſchützt uns, und den hat Dein Vater ausgedacht
und bauen laſſen.”
Ihre Augen gingen wider ihn, als ob ſie
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