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Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888.

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hippokratische Gesicht, und das Kind starrte athem-
los auf die unheimliche, ihr unverständliche Ver-
wandlung des unschönen, aber ihr vertrauten Ange-
sichts. "Was macht sie? Was ist das, Vater?"
flüsterte sie angstvoll und grub die Fingernägel in
ihres Vaters Hand.

"Sie stirbt!" sagte der Deichgraf.

"Stirbt!" wiederholte das Kind und schien
in verworrenes Sinnen zu verfallen.

Aber die Alte rührte noch einmal ihre Lippen:
"Jins! Jins!" und kreischend, wie ein Nothschrei,
brach es hervor, und ihre knöchernen Arme streckten
sich gegen die draußen flimmernde Meeresspiegelung:
"Hölp mi! Hölp mi! Du bist ja bawen Water ....
Gott gnad de Annern!"

Ihre Arme sanken, ein leises Krachen der
Bettstatt wurde hörbar; sie hatte aufgehört
zu leben.

Das Kind that einen tiefen Seufzer und
warf die blassen Augen zu ihrem Vater auf:
"Stirbt sie noch immer?" frug es.

"Sie hat es vollbracht!" sagte der Deichgraf
und nahm das Kind auf seinen Arm: "Sie ist nun
weit von uns, beim lieben Gott."

hippokratiſche Geſicht, und das Kind ſtarrte athem-
los auf die unheimliche, ihr unverſtändliche Ver-
wandlung des unſchönen, aber ihr vertrauten Ange-
ſichts. „Was macht ſie? Was iſt das, Vater?”
flüſterte ſie angſtvoll und grub die Fingernägel in
ihres Vaters Hand.

„Sie ſtirbt!” ſagte der Deichgraf.

„Stirbt!” wiederholte das Kind und ſchien
in verworrenes Sinnen zu verfallen.

Aber die Alte rührte noch einmal ihre Lippen:
„Jins! Jins!” und kreiſchend, wie ein Nothſchrei,
brach es hervor, und ihre knöchernen Arme ſtreckten
ſich gegen die draußen flimmernde Meeresſpiegelung:
„Hölp mi! Hölp mi! Du biſt ja båwen Wåter ….
Gott gnåd de Annern!”

Ihre Arme ſanken, ein leiſes Krachen der
Bettſtatt wurde hörbar; ſie hatte aufgehört
zu leben.

Das Kind that einen tiefen Seufzer und
warf die blaſſen Augen zu ihrem Vater auf:
„Stirbt ſie noch immer?” frug es.

„Sie hat es vollbracht!” ſagte der Deichgraf
und nahm das Kind auf ſeinen Arm: „Sie iſt nun
weit von uns, beim lieben Gott.”

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[197/0209] hippokratiſche Geſicht, und das Kind ſtarrte athem- los auf die unheimliche, ihr unverſtändliche Ver- wandlung des unſchönen, aber ihr vertrauten Ange- ſichts. „Was macht ſie? Was iſt das, Vater?” flüſterte ſie angſtvoll und grub die Fingernägel in ihres Vaters Hand. „Sie ſtirbt!” ſagte der Deichgraf. „Stirbt!” wiederholte das Kind und ſchien in verworrenes Sinnen zu verfallen. Aber die Alte rührte noch einmal ihre Lippen: „Jins! Jins!” und kreiſchend, wie ein Nothſchrei, brach es hervor, und ihre knöchernen Arme ſtreckten ſich gegen die draußen flimmernde Meeresſpiegelung: „Hölp mi! Hölp mi! Du biſt ja båwen Wåter …. Gott gnåd de Annern!” Ihre Arme ſanken, ein leiſes Krachen der Bettſtatt wurde hörbar; ſie hatte aufgehört zu leben. Das Kind that einen tiefen Seufzer und warf die blaſſen Augen zu ihrem Vater auf: „Stirbt ſie noch immer?” frug es. „Sie hat es vollbracht!” ſagte der Deichgraf und nahm das Kind auf ſeinen Arm: „Sie iſt nun weit von uns, beim lieben Gott.”

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/209>, abgerufen am 21.11.2024.