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Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888.

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gewiß, sie waren schon im Geestdorf droben; von
dorther schimmerte so viel Lichtschein, wie er nie-
mals noch gesehen hatte; ja selbst hoch oben aus
der Luft, es mochte wohl vom Kirchthurm sein,
brach solcher in die Nacht hinaus. "Sie werden
Alle fort sein, Alle!" sprach Hauke bei sich selber;
"freilich auf mancher Werfte wird ein Haus in
Trümmern liegen, schlechte Jahre werden für die
überschwemmten Fennen kommen; Siele und
Schleusen zu repariren sein! Wir müssen's tragen,
und ich will helfen, auch denen, die mir Leids
gethan; nur, Herr, mein Gott, sei gnädig mit uns
Menschen!"

Da warf er seine Augen seitwärts nach dem
neuen Koog; um ihn schäumte das Meer; aber in
ihm lag es wie nächtlicher Friede. Ein un-
willkürliches Jauchzen brach aus des Reiters Brust:
"Der Hauke-Haiendeich, er soll schon halten; er
wird es noch nach hundert Jahren thun!"

Ein donnerartiges Rauschen zu seinen Füßen
weckte ihn aus diesen Träumen; der Schimmel wollte
nicht mehr vorwärts. Was war das? -- Das
Pferd sprang zurück, und er fühlte es, ein Deich-
stück stürzte vor ihm in die Tiefe. Er riß die

gewiß, ſie waren ſchon im Geeſtdorf droben; von
dorther ſchimmerte ſo viel Lichtſchein, wie er nie-
mals noch geſehen hatte; ja ſelbſt hoch oben aus
der Luft, es mochte wohl vom Kirchthurm ſein,
brach ſolcher in die Nacht hinaus. „Sie werden
Alle fort ſein, Alle!” ſprach Hauke bei ſich ſelber;
„freilich auf mancher Werfte wird ein Haus in
Trümmern liegen, ſchlechte Jahre werden für die
überſchwemmten Fennen kommen; Siele und
Schleuſen zu repariren ſein! Wir müſſen's tragen,
und ich will helfen, auch denen, die mir Leids
gethan; nur, Herr, mein Gott, ſei gnädig mit uns
Menſchen!”

Da warf er ſeine Augen ſeitwärts nach dem
neuen Koog; um ihn ſchäumte das Meer; aber in
ihm lag es wie nächtlicher Friede. Ein un-
willkürliches Jauchzen brach aus des Reiters Bruſt:
„Der Hauke-Haiendeich, er ſoll ſchon halten; er
wird es noch nach hundert Jahren thun!”

Ein donnerartiges Rauſchen zu ſeinen Füßen
weckte ihn aus dieſen Träumen; der Schimmel wollte
nicht mehr vorwärts. Was war das? — Das
Pferd ſprang zurück, und er fühlte es, ein Deich-
ſtück ſtürzte vor ihm in die Tiefe. Er riß die

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[215/0227] gewiß, ſie waren ſchon im Geeſtdorf droben; von dorther ſchimmerte ſo viel Lichtſchein, wie er nie- mals noch geſehen hatte; ja ſelbſt hoch oben aus der Luft, es mochte wohl vom Kirchthurm ſein, brach ſolcher in die Nacht hinaus. „Sie werden Alle fort ſein, Alle!” ſprach Hauke bei ſich ſelber; „freilich auf mancher Werfte wird ein Haus in Trümmern liegen, ſchlechte Jahre werden für die überſchwemmten Fennen kommen; Siele und Schleuſen zu repariren ſein! Wir müſſen's tragen, und ich will helfen, auch denen, die mir Leids gethan; nur, Herr, mein Gott, ſei gnädig mit uns Menſchen!” Da warf er ſeine Augen ſeitwärts nach dem neuen Koog; um ihn ſchäumte das Meer; aber in ihm lag es wie nächtlicher Friede. Ein un- willkürliches Jauchzen brach aus des Reiters Bruſt: „Der Hauke-Haiendeich, er ſoll ſchon halten; er wird es noch nach hundert Jahren thun!” Ein donnerartiges Rauſchen zu ſeinen Füßen weckte ihn aus dieſen Träumen; der Schimmel wollte nicht mehr vorwärts. Was war das? — Das Pferd ſprang zurück, und er fühlte es, ein Deich- ſtück ſtürzte vor ihm in die Tiefe. Er riß die

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/227>, abgerufen am 21.11.2024.