Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888.Auf der weiten Weidefläche, die sich zu Osten Auf der weiten Weidefläche, die ſich zu Oſten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0071" n="59"/> <p>Auf der weiten Weidefläche, die ſich zu <choice><sic>Norden</sic><corr>Oſten</corr></choice><lb/> an der Landſeite des Deiches entlang zog, ſah man<lb/> am Nachmittag darauf eine dunkle Menſchenmaſſe<lb/> bald unbeweglich ſtille ſtehen, bald, nachdem zwei-<lb/> mal eine hölzerne Kugel aus derſelben über den<lb/> durch die Tagesſonne jetzt von Reif befreiten Boden<lb/> hingeflogen war, abwärts von den hinter ihr<lb/> liegenden langen und niedrigen Häuſern allmälig<lb/> weiter rücken; die Parteien der Eisbosler in der<lb/> Mitte, umgeben von Alt und Jung, was mit<lb/> ihnen, ſei es in jenen Häuſern oder in denen<lb/> droben auf der Geeſt Wohnung oder Verbleib<lb/> hatte; die älteren Männer in langen Röcken, be-<lb/> dächtig aus kurzen Pfeifen rauchend, die Weiber<lb/> in Tüchern und Jacken, auch wohl Kinder an<lb/> den Händen ziehend oder auf den Armen tragend.<lb/> Aus den gefrorenen Gräben, welche allmälig über-<lb/> ſchritten wurden, funkelte durch die ſcharfen Schilf-<lb/> ſpitzen der bleiche Schein der Nachmittagsſonne,<lb/> es fror mächtig; aber das Spiel ging unabläſſig<lb/> vorwärts, und Aller Augen verfolgten immer<lb/> wieder die fliegende Kugel; denn an ihr hing heute<lb/> für das ganze Dorf die Ehre des Tages. Der<lb/> Kret'ler der Parteien trug hier einen weißen, bei<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [59/0071]
Auf der weiten Weidefläche, die ſich zu Oſten
an der Landſeite des Deiches entlang zog, ſah man
am Nachmittag darauf eine dunkle Menſchenmaſſe
bald unbeweglich ſtille ſtehen, bald, nachdem zwei-
mal eine hölzerne Kugel aus derſelben über den
durch die Tagesſonne jetzt von Reif befreiten Boden
hingeflogen war, abwärts von den hinter ihr
liegenden langen und niedrigen Häuſern allmälig
weiter rücken; die Parteien der Eisbosler in der
Mitte, umgeben von Alt und Jung, was mit
ihnen, ſei es in jenen Häuſern oder in denen
droben auf der Geeſt Wohnung oder Verbleib
hatte; die älteren Männer in langen Röcken, be-
dächtig aus kurzen Pfeifen rauchend, die Weiber
in Tüchern und Jacken, auch wohl Kinder an
den Händen ziehend oder auf den Armen tragend.
Aus den gefrorenen Gräben, welche allmälig über-
ſchritten wurden, funkelte durch die ſcharfen Schilf-
ſpitzen der bleiche Schein der Nachmittagsſonne,
es fror mächtig; aber das Spiel ging unabläſſig
vorwärts, und Aller Augen verfolgten immer
wieder die fliegende Kugel; denn an ihr hing heute
für das ganze Dorf die Ehre des Tages. Der
Kret'ler der Parteien trug hier einen weißen, bei
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeZuerst erschienen in: Deutsche Rundschau (Berlin)… [mehr] Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |