Storm, Theodor: Waldwinkel, Pole Poppenspäler. Novellen. Braunschweig, 1875.Wort darein reden konnte, hatte er ein Dutzend fertiger Hemden eingekauft. "Sie sind ein Verschwender!" sagte sie; "das hätt' ich Alles selber nähen können." "Du hast Rechte" erwiderte er, und kaufte das Zeug zu einem zweiten Dutzend. "Wenn Sie so fortfahren, Richard, so gehe ich in keinen Laden mehr." "Nur noch zum Schuhmacher! - Aber was soll das "Sie"? Bist du mir böse, Franzi?" "Nein, du; aber du siehst mir heut' so vornehm aus." "Weiter!" sagte er. Bald daraus standen sie in dem elegantesten Schuhwaaren-Magazin; und die Ladendame, nachdem sie etwas herabsehend die unscheinbare Gestalt des Mädchens gemustert hatte, breitete gleichgültig einen Haufen Schuhwerk vor ihnen aus. Ein Zug der Verachtung spielte um Franzi's Lippen, als sie auf diese Mittelwaare blickte; denn sie besaß eine Schönheit, welche an diesem Orte als die höchste gelten mußte, und deren sie sich vollständig bewußt Wort darein reden konnte, hatte er ein Dutzend fertiger Hemden eingekauft. „Sie sind ein Verschwender!“ sagte sie; „das hätt' ich Alles selber nähen können.“ „Du hast Rechte“ erwiderte er, und kaufte das Zeug zu einem zweiten Dutzend. „Wenn Sie so fortfahren, Richard, so gehe ich in keinen Laden mehr.“ „Nur noch zum Schuhmacher! – Aber was soll das „Sie“? Bist du mir böse, Franzi?“ „Nein, du; aber du siehst mir heut' so vornehm aus.“ „Weiter!“ sagte er. Bald daraus standen sie in dem elegantesten Schuhwaaren-Magazin; und die Ladendame, nachdem sie etwas herabsehend die unscheinbare Gestalt des Mädchens gemustert hatte, breitete gleichgültig einen Haufen Schuhwerk vor ihnen aus. Ein Zug der Verachtung spielte um Franzi's Lippen, als sie auf diese Mittelwaare blickte; denn sie besaß eine Schönheit, welche an diesem Orte als die höchste gelten mußte, und deren sie sich vollständig bewußt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0055" n="51"/> Wort darein reden konnte, hatte er ein Dutzend fertiger Hemden eingekauft.</p> <p>„Sie sind ein Verschwender!“ sagte sie; „das hätt' ich Alles selber nähen können.“</p> <p>„Du hast Rechte“ erwiderte er, und kaufte das Zeug zu einem zweiten Dutzend.</p> <p>„Wenn Sie so fortfahren, Richard, so gehe ich in keinen Laden mehr.“</p> <p>„Nur noch zum Schuhmacher! – Aber was soll das „Sie“? Bist du mir böse, Franzi?“</p> <p>„Nein, du; aber du siehst mir heut' so vornehm aus.“</p> <p>„Weiter!“ sagte er.</p> <p>Bald daraus standen sie in dem elegantesten Schuhwaaren-Magazin; und die Ladendame, nachdem sie etwas herabsehend die unscheinbare Gestalt des Mädchens gemustert hatte, breitete gleichgültig einen Haufen Schuhwerk vor ihnen aus.</p> <p>Ein Zug der Verachtung spielte um Franzi's Lippen, als sie auf diese Mittelwaare blickte; denn sie besaß eine Schönheit, welche an diesem Orte als die höchste gelten mußte, und deren sie sich vollständig bewußt </p> </div> </body> </text> </TEI> [51/0055]
Wort darein reden konnte, hatte er ein Dutzend fertiger Hemden eingekauft.
„Sie sind ein Verschwender!“ sagte sie; „das hätt' ich Alles selber nähen können.“
„Du hast Rechte“ erwiderte er, und kaufte das Zeug zu einem zweiten Dutzend.
„Wenn Sie so fortfahren, Richard, so gehe ich in keinen Laden mehr.“
„Nur noch zum Schuhmacher! – Aber was soll das „Sie“? Bist du mir böse, Franzi?“
„Nein, du; aber du siehst mir heut' so vornehm aus.“
„Weiter!“ sagte er.
Bald daraus standen sie in dem elegantesten Schuhwaaren-Magazin; und die Ladendame, nachdem sie etwas herabsehend die unscheinbare Gestalt des Mädchens gemustert hatte, breitete gleichgültig einen Haufen Schuhwerk vor ihnen aus.
Ein Zug der Verachtung spielte um Franzi's Lippen, als sie auf diese Mittelwaare blickte; denn sie besaß eine Schönheit, welche an diesem Orte als die höchste gelten mußte, und deren sie sich vollständig bewußt
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