Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Waldwinkel, Pole Poppenspäler. Novellen. Braunschweig, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

war. Aber sie setzte sich gleichwohl aus den bereit stehenden Sessel und zog ihr Kleid bis an die Knöchel in die Höhe.

Das Frauenzimmer, das mit dem Schuhwerk vor ihr hingekniet war, stieß einen Ruf des Entzückens aus. "Ah! Welch' ein Aschenbrödelfüßchen! Da muß ich Kinderschuhe bringen."

Wie eine Fürstin saß Franzi aus ihrem Sessel; Richard, der diesen Sieg vorausgesehen hatte, verschlang den triumphirenden Blick, den sie zu ihm hinaufsandte.

Die Ladendame aber erschien ganz wie verwandelt; ihre Käufer waren offenbar plötzlich in die Aristokratie der Kundschaft hinaufgerückt; sie holte eifrig eine Menge zierlicher Stiefelchen von allen Farben und Arten ans den Glasschränken hervor, die aber sämmtlich nach dem Gebot der Mode mit hohen Absätzen v ersehen waren.

"Nein, nein," sagte Richard lächelnd, "das mag für gewöhnliche Damenfüße gut genug sein; Füße aus dem Märchen dürfen nicht auf solchen Klötzen gehen!"

war. Aber sie setzte sich gleichwohl aus den bereit stehenden Sessel und zog ihr Kleid bis an die Knöchel in die Höhe.

Das Frauenzimmer, das mit dem Schuhwerk vor ihr hingekniet war, stieß einen Ruf des Entzückens aus. „Ah! Welch' ein Aschenbrödelfüßchen! Da muß ich Kinderschuhe bringen.“

Wie eine Fürstin saß Franzi aus ihrem Sessel; Richard, der diesen Sieg vorausgesehen hatte, verschlang den triumphirenden Blick, den sie zu ihm hinaufsandte.

Die Ladendame aber erschien ganz wie verwandelt; ihre Käufer waren offenbar plötzlich in die Aristokratie der Kundschaft hinaufgerückt; sie holte eifrig eine Menge zierlicher Stiefelchen von allen Farben und Arten ans den Glasschränken hervor, die aber sämmtlich nach dem Gebot der Mode mit hohen Absätzen v ersehen waren.

„Nein, nein,“ sagte Richard lächelnd, „das mag für gewöhnliche Damenfüße gut genug sein; Füße aus dem Märchen dürfen nicht auf solchen Klötzen gehen!“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0056" n="52"/>
war. Aber sie setzte sich gleichwohl aus den bereit stehenden Sessel und zog ihr Kleid bis an die Knöchel in die Höhe.</p>
        <p>Das Frauenzimmer, das mit dem Schuhwerk vor ihr hingekniet war, stieß einen Ruf des Entzückens aus. &#x201E;Ah! Welch' ein Aschenbrödelfüßchen! Da muß ich Kinderschuhe bringen.&#x201C;</p>
        <p>Wie eine Fürstin saß Franzi aus ihrem Sessel; Richard, der diesen Sieg vorausgesehen hatte, verschlang den triumphirenden Blick, den sie zu ihm hinaufsandte.</p>
        <p>Die Ladendame aber erschien ganz wie verwandelt; ihre Käufer waren offenbar plötzlich in die Aristokratie der Kundschaft hinaufgerückt; sie holte eifrig eine Menge zierlicher Stiefelchen von allen Farben und Arten ans den Glasschränken hervor, die aber sämmtlich nach dem Gebot der Mode mit hohen Absätzen v ersehen waren.</p>
        <p>&#x201E;Nein, nein,&#x201C; sagte Richard lächelnd, &#x201E;das mag für gewöhnliche Damenfüße gut genug sein; Füße aus dem Märchen dürfen nicht auf solchen Klötzen gehen!&#x201C;</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[52/0056] war. Aber sie setzte sich gleichwohl aus den bereit stehenden Sessel und zog ihr Kleid bis an die Knöchel in die Höhe. Das Frauenzimmer, das mit dem Schuhwerk vor ihr hingekniet war, stieß einen Ruf des Entzückens aus. „Ah! Welch' ein Aschenbrödelfüßchen! Da muß ich Kinderschuhe bringen.“ Wie eine Fürstin saß Franzi aus ihrem Sessel; Richard, der diesen Sieg vorausgesehen hatte, verschlang den triumphirenden Blick, den sie zu ihm hinaufsandte. Die Ladendame aber erschien ganz wie verwandelt; ihre Käufer waren offenbar plötzlich in die Aristokratie der Kundschaft hinaufgerückt; sie holte eifrig eine Menge zierlicher Stiefelchen von allen Farben und Arten ans den Glasschränken hervor, die aber sämmtlich nach dem Gebot der Mode mit hohen Absätzen v ersehen waren. „Nein, nein,“ sagte Richard lächelnd, „das mag für gewöhnliche Damenfüße gut genug sein; Füße aus dem Märchen dürfen nicht auf solchen Klötzen gehen!“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Dieses Werk stammt von Wikisource (Waldwinkel, Pole Poppenspäler).

Quelle der Scans: Wikimedia Commons.

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_waldwinkel_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_waldwinkel_1875/56
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Waldwinkel, Pole Poppenspäler. Novellen. Braunschweig, 1875, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_waldwinkel_1875/56>, abgerufen am 23.11.2024.