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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.

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Erster Abschnitt.
sind, als vielmehr nur göttliche Kräfte, vorübergehende
Ausflüsse und Fulgurationen des göttlichen Wesens, so
dass die Vorstellung Olshausen's von den Engeln in ihrem
Verhältniss zu Gott der sabellianischen von der Trinität zu
entsprechen scheint; dass aber diess nicht die biblische Vor-
stellung sei, folglich auch, was für jene vorgebracht wird,
für diese nichts beweise, ist hier nicht weiter auseinander
zu setzen. Auch was der genannte Theologe ferner sagt,
man dürfe die Gemeinheit des Alltagslebens nicht auch für
die reichsten Lebensmomente unsres Geschlechtes postuli-
ren; in der Zeit, als das ewige Wort sich in das Fleisch
versenkte, seien Erscheinungen der geistigen Welt in die
unsrige eingetreten, die in minder reich bewegten Zeiten
kein Bedürfniss waren 17) -- beruht auf einem Missverständ-
niss. Denn die Alltäglichkeit wird in solchen Momenten
eben dadurch unterbrochen, dass Geister wie der des Täu-
fers in die Menschheit eintreten, und es würde kindisch
sein, die Zeiten und Umstände, unter welchen ein Johan-
nes entstand und sich heranbildete, desswegen alltäglich
zu nennen, weil es ihnen an Verzierung durch Engelerschei-
nungen gefehlt hätte; ebenso, was in solchen Zeitpunkten
die intelligible Welt für die unsrige thut, ist eben, dass
sie ausserordentliche Menschengeister sendet, nicht dass sie
Engel auf - und niedersteigen lässt.

Wenn zur Vertheidigung der buchstäblichen Auffassung
dieser Abschnitte endlich angedeutet wird, eine solche Vor-
zeichnung des Erziehungsplans für das zu gebärende Kind
durch den Engel sei nöthig gewesen, um es zu dem Manne zu
machen, der es werden sollte 18): so würde das zu viel vor-
aussetzen, nämlich, dass alle grossen Männer, um zu sol-
chen erzogen zu werden, auf ähnliche Weise in die Welt

17) a. a. O. S. 92.
18) Hess Geschichte der drei letzten Lebensjahre Jesu u. s. w.
1. Thl. S. 13. 35.

Erster Abschnitt.
sind, als vielmehr nur göttliche Kräfte, vorübergehende
Ausflüsse und Fulgurationen des göttlichen Wesens, so
daſs die Vorstellung Olshausen's von den Engeln in ihrem
Verhältniſs zu Gott der sabellianischen von der Trinität zu
entsprechen scheint; daſs aber dieſs nicht die biblische Vor-
stellung sei, folglich auch, was für jene vorgebracht wird,
für diese nichts beweise, ist hier nicht weiter auseinander
zu setzen. Auch was der genannte Theologe ferner sagt,
man dürfe die Gemeinheit des Alltagslebens nicht auch für
die reichsten Lebensmomente unsres Geschlechtes postuli-
ren; in der Zeit, als das ewige Wort sich in das Fleisch
versenkte, seien Erscheinungen der geistigen Welt in die
unsrige eingetreten, die in minder reich bewegten Zeiten
kein Bedürfniſs waren 17) — beruht auf einem Miſsverständ-
niſs. Denn die Alltäglichkeit wird in solchen Momenten
eben dadurch unterbrochen, daſs Geister wie der des Täu-
fers in die Menschheit eintreten, und es würde kindisch
sein, die Zeiten und Umstände, unter welchen ein Johan-
nes entstand und sich heranbildete, deſswegen alltäglich
zu nennen, weil es ihnen an Verzierung durch Engelerschei-
nungen gefehlt hätte; ebenso, was in solchen Zeitpunkten
die intelligible Welt für die unsrige thut, ist eben, daſs
sie ausserordentliche Menschengeister sendet, nicht daſs sie
Engel auf ‒ und niedersteigen läſst.

Wenn zur Vertheidigung der buchstäblichen Auffassung
dieser Abschnitte endlich angedeutet wird, eine solche Vor-
zeichnung des Erziehungsplans für das zu gebärende Kind
durch den Engel sei nöthig gewesen, um es zu dem Manne zu
machen, der es werden sollte 18): so würde das zu viel vor-
aussetzen, nämlich, daſs alle groſsen Männer, um zu sol-
chen erzogen zu werden, auf ähnliche Weise in die Welt

17) a. a. O. S. 92.
18) Hess Geschichte der drei letzten Lebensjahre Jesu u. s. w.
1. Thl. S. 13. 35.
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[88/0112] Erster Abschnitt. sind, als vielmehr nur göttliche Kräfte, vorübergehende Ausflüsse und Fulgurationen des göttlichen Wesens, so daſs die Vorstellung Olshausen's von den Engeln in ihrem Verhältniſs zu Gott der sabellianischen von der Trinität zu entsprechen scheint; daſs aber dieſs nicht die biblische Vor- stellung sei, folglich auch, was für jene vorgebracht wird, für diese nichts beweise, ist hier nicht weiter auseinander zu setzen. Auch was der genannte Theologe ferner sagt, man dürfe die Gemeinheit des Alltagslebens nicht auch für die reichsten Lebensmomente unsres Geschlechtes postuli- ren; in der Zeit, als das ewige Wort sich in das Fleisch versenkte, seien Erscheinungen der geistigen Welt in die unsrige eingetreten, die in minder reich bewegten Zeiten kein Bedürfniſs waren 17) — beruht auf einem Miſsverständ- niſs. Denn die Alltäglichkeit wird in solchen Momenten eben dadurch unterbrochen, daſs Geister wie der des Täu- fers in die Menschheit eintreten, und es würde kindisch sein, die Zeiten und Umstände, unter welchen ein Johan- nes entstand und sich heranbildete, deſswegen alltäglich zu nennen, weil es ihnen an Verzierung durch Engelerschei- nungen gefehlt hätte; ebenso, was in solchen Zeitpunkten die intelligible Welt für die unsrige thut, ist eben, daſs sie ausserordentliche Menschengeister sendet, nicht daſs sie Engel auf ‒ und niedersteigen läſst. Wenn zur Vertheidigung der buchstäblichen Auffassung dieser Abschnitte endlich angedeutet wird, eine solche Vor- zeichnung des Erziehungsplans für das zu gebärende Kind durch den Engel sei nöthig gewesen, um es zu dem Manne zu machen, der es werden sollte 18): so würde das zu viel vor- aussetzen, nämlich, daſs alle groſsen Männer, um zu sol- chen erzogen zu werden, auf ähnliche Weise in die Welt 17) a. a. O. S. 92. 18) Hess Geschichte der drei letzten Lebensjahre Jesu u. s. w. 1. Thl. S. 13. 35.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/112>, abgerufen am 24.11.2024.