Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.Erstes Kapitel. §. 14. kommenschaft; nun das auszeichnende Loos, im Heiligendes Tempels mit dem Weihrauch die Gebete des Volks zu Jehova aufsteigen zu lassen, was ihm für ein günstiges Vorzeichen der Erhörung auch seines Gebetes gelten konn- te; vor seinem Abgang von Hause vielleicht noch eine An- mahnung von seiner Frau, wie die von Rahel an Jakob, 1. Mos. 30, 1. (!). In der erhöhten Stimmung im halb- dunkeln Heiligthum denkt er nun betend auch seines höch- sten Wunsches, jezt oder nie erwartet er Erhörung, und ist daher geneigt, in Allem, was sich darbieten mochte, ein Zeichen derselben zu erblicken. Der aufsteigende Weih- rauch, erhellt von den Lampen des Leuchters, bildet Fi- guren: da glaubt der Priester eine himmlische Gestalt zu sehen, von der er anfänglich erschreckt wird, bald aber die Gewährung seiner Wünsche zu vernehmen glaubt. Kaum ist ihm ein leiser Zweifel hiegegen aufgestiegen: so hält der überfromme Priester diess bereits für frevelhaft, glaubt sich vom Engel dafür gescholten und -- hier ist nun wieder eine gedoppelte Erklärung möglich -- entwe- der lähmt wirklich ein Schlagfluss auf einige Zeit seine Zunge, was er für gerechte Strafe seines Zweifels nimmt, bis sich dann bei dem freudigen Anlass der Beschneidung seines Sohns die Sprache wieder einfindet, so dass dieser Zug als äussere, physische, wiewohl wunderlose Bege- benheit festgehalten wird 4); oder wird auch dieser Vor- gang blos als ein psychischer gefasst, dass nämlich Zacha- rias aus jüdischer Superstition den Gebrauch der vermeint- lich missbrauchten Zunge sich selbst auf einige Zeit unter- sagt habe 5). Neubelebt übrigens durch den ausserordent- lichen Vorfall kehrt diesen Deutungen zufolge der Priester zu seiner Gattin zurück, und sie wird eine zweite Sara. 4) Bahrdt a. a. O. 7ter Brief. S. 60. -- E. F. über die beiden ersten Kapitel des Matthäus und Lukas, in Henke's Maga- zin 5, 1, S. 163. Bauer, hebr. Mythol. 2, S. 220. 5) Exeget. Handb. 1, a, S. 77. 80.
Erstes Kapitel. §. 14. kommenschaft; nun das auszeichnende Loos, im Heiligendes Tempels mit dem Weihrauch die Gebete des Volks zu Jehova aufsteigen zu lassen, was ihm für ein günstiges Vorzeichen der Erhörung auch seines Gebetes gelten konn- te; vor seinem Abgang von Hause vielleicht noch eine An- mahnung von seiner Frau, wie die von Rahel an Jakob, 1. Mos. 30, 1. (!). In der erhöhten Stimmung im halb- dunkeln Heiligthum denkt er nun betend auch seines höch- sten Wunsches, jezt oder nie erwartet er Erhörung, und ist daher geneigt, in Allem, was sich darbieten mochte, ein Zeichen derselben zu erblicken. Der aufsteigende Weih- rauch, erhellt von den Lampen des Leuchters, bildet Fi- guren: da glaubt der Priester eine himmlische Gestalt zu sehen, von der er anfänglich erschreckt wird, bald aber die Gewährung seiner Wünsche zu vernehmen glaubt. Kaum ist ihm ein leiser Zweifel hiegegen aufgestiegen: so hält der überfromme Priester dieſs bereits für frevelhaft, glaubt sich vom Engel dafür gescholten und — hier ist nun wieder eine gedoppelte Erklärung möglich — entwe- der lähmt wirklich ein Schlagfluſs auf einige Zeit seine Zunge, was er für gerechte Strafe seines Zweifels nimmt, bis sich dann bei dem freudigen Anlaſs der Beschneidung seines Sohns die Sprache wieder einfindet, so daſs dieser Zug als äussere, physische, wiewohl wunderlose Bege- benheit festgehalten wird 4); oder wird auch dieser Vor- gang blos als ein psychischer gefaſst, daſs nämlich Zacha- rias aus jüdischer Superstition den Gebrauch der vermeint- lich miſsbrauchten Zunge sich selbst auf einige Zeit unter- sagt habe 5). Neubelebt übrigens durch den ausserordent- lichen Vorfall kehrt diesen Deutungen zufolge der Priester zu seiner Gattin zurück, und sie wird eine zweite Sara. 4) Bahrdt a. a. O. 7ter Brief. S. 60. — E. F. über die beiden ersten Kapitel des Matthäus und Lukas, in Henke's Maga- zin 5, 1, S. 163. Bauer, hebr. Mythol. 2, S. 220. 5) Exeget. Handb. 1, a, S. 77. 80.
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Erstes Kapitel. §. 14.
kommenschaft; nun das auszeichnende Loos, im Heiligen
des Tempels mit dem Weihrauch die Gebete des Volks zu
Jehova aufsteigen zu lassen, was ihm für ein günstiges
Vorzeichen der Erhörung auch seines Gebetes gelten konn-
te; vor seinem Abgang von Hause vielleicht noch eine An-
mahnung von seiner Frau, wie die von Rahel an Jakob,
1. Mos. 30, 1. (!). In der erhöhten Stimmung im halb-
dunkeln Heiligthum denkt er nun betend auch seines höch-
sten Wunsches, jezt oder nie erwartet er Erhörung, und
ist daher geneigt, in Allem, was sich darbieten mochte,
ein Zeichen derselben zu erblicken. Der aufsteigende Weih-
rauch, erhellt von den Lampen des Leuchters, bildet Fi-
guren: da glaubt der Priester eine himmlische Gestalt zu
sehen, von der er anfänglich erschreckt wird, bald aber
die Gewährung seiner Wünsche zu vernehmen glaubt.
Kaum ist ihm ein leiser Zweifel hiegegen aufgestiegen: so
hält der überfromme Priester dieſs bereits für frevelhaft,
glaubt sich vom Engel dafür gescholten und — hier ist
nun wieder eine gedoppelte Erklärung möglich — entwe-
der lähmt wirklich ein Schlagfluſs auf einige Zeit seine
Zunge, was er für gerechte Strafe seines Zweifels nimmt,
bis sich dann bei dem freudigen Anlaſs der Beschneidung
seines Sohns die Sprache wieder einfindet, so daſs dieser
Zug als äussere, physische, wiewohl wunderlose Bege-
benheit festgehalten wird 4); oder wird auch dieser Vor-
gang blos als ein psychischer gefaſst, daſs nämlich Zacha-
rias aus jüdischer Superstition den Gebrauch der vermeint-
lich miſsbrauchten Zunge sich selbst auf einige Zeit unter-
sagt habe 5). Neubelebt übrigens durch den ausserordent-
lichen Vorfall kehrt diesen Deutungen zufolge der Priester
zu seiner Gattin zurück, und sie wird eine zweite Sara.
4) Bahrdt a. a. O. 7ter Brief. S. 60. — E. F. über die beiden
ersten Kapitel des Matthäus und Lukas, in Henke's Maga-
zin 5, 1, S. 163. Bauer, hebr. Mythol. 2, S. 220.
5) Exeget. Handb. 1, a, S. 77. 80.
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