Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.Drittes Kapitel. §. 24. als eine Gefallene anzusehen sei. Erst bei Lukas sei, ver-möge einer Steigerung der ursprünglichen Vorstellung, durch das andra ou ginosko jede väterliche Mitwirkung aus- geschlossen 1). Wurde von der andern Seite hiegegen richtig bemerkt, dass ja bei Matthäus der einzige, hier in Frage kommende Mann, nämlich Joseph, durch das prin e sunelthein autous (1, 18.) zu entschieden ausgeschlossen sei: so glaubte man nun diese Ausschliessung im Lukas- evangelium weniger entschieden zu finden, freilich nur, indem man entweder unexegetisch den klaren Wortsinn auf den Kopf stellte, oder unkritisch einen Theil der so wohl zusammenhängenden Erzählung verdächtigte. Bei dem er- steren Verfahren sollte die Frage der Maria: pos esai touto, epei andra ou ginosko (1, 34.); so viel heissen: wie kann ich, die schon Verlobte und Vermählte, den Messias gebären, als dessen Mutter ich keinen Mann haben müsste? worauf der Engel erwiedere, dass auch aus ih- rem mit Joseph erzeugten Kinde Gott durch seine Kraft etwas Besondres machen könne 2). Noch willkührlicher ist das andre Verfahren, die angeführte Zwischenfrage der Maria für eine unnatürliche Unterbrechung der Rede des Engels zu erklären, jene abgerechnet aber in der Stelle keine bestimmte Hindeutung auf die aussernatürliche Em- pfängniss zu finden 3). Ist somit die Schwierigkeit der natürlichen Erklärung 1) Br ..., die Nachricht, dass Jesus durch den heil. Geist und von einer Jungfrau geboren sei, aus Zeitbegriffen erläutert. In Schmidt's Bibl. 1, 1. S. 101 ff. -- Horst, in Henke's Mu- seum 1, 4, 497 ff., über die beiden ersten Kapitel im Evang. Lukas. 2) Bemerkungen über den Glaubenspunkt: Christus ist empfan- gen vom heil. Geist. In Henke's neuem Magazin 3, 3. 399. 3) Schleiermacher, über den Lukas, S. 26 f.
Drittes Kapitel. §. 24. als eine Gefallene anzusehen sei. Erst bei Lukas sei, ver-möge einer Steigerung der ursprünglichen Vorstellung, durch das ἄνδρα οὐ γινώσκω jede väterliche Mitwirkung aus- geschlossen 1). Wurde von der andern Seite hiegegen richtig bemerkt, daſs ja bei Matthäus der einzige, hier in Frage kommende Mann, nämlich Joseph, durch das πρὶν ἢ συνελϑεῖν ἀυτοὺς (1, 18.) zu entschieden ausgeschlossen sei: so glaubte man nun diese Ausschlieſsung im Lukas- evangelium weniger entschieden zu finden, freilich nur, indem man entweder unexegetisch den klaren Wortsinn auf den Kopf stellte, oder unkritisch einen Theil der so wohl zusammenhängenden Erzählung verdächtigte. Bei dem er- steren Verfahren sollte die Frage der Maria: πῶς ἔςαι τοῦτο, ἐπεὶ ἄνδρα οὺ γινώσκω (1, 34.); so viel heiſsen: wie kann ich, die schon Verlobte und Vermählte, den Messias gebären, als dessen Mutter ich keinen Mann haben müſste? worauf der Engel erwiedere, daſs auch aus ih- rem mit Joseph erzeugten Kinde Gott durch seine Kraft etwas Besondres machen könne 2). Noch willkührlicher ist das andre Verfahren, die angeführte Zwischenfrage der Maria für eine unnatürliche Unterbrechung der Rede des Engels zu erklären, jene abgerechnet aber in der Stelle keine bestimmte Hindeutung auf die aussernatürliche Em- pfängniſs zu finden 3). Ist somit die Schwierigkeit der natürlichen Erklärung 1) Br …, die Nachricht, dass Jesus durch den heil. Geist und von einer Jungfrau geboren sei, aus Zeitbegriffen erläutert. In Schmidt's Bibl. 1, 1. S. 101 ff. — Horst, in Henke's Mu- seum 1, 4, 497 ff., über die beiden ersten Kapitel im Evang. Lukas. 2) Bemerkungen über den Glaubenspunkt: Christus ist empfan- gen vom heil. Geist. In Henke's neuem Magazin 3, 3. 399. 3) Schleiermacher, über den Lukas, S. 26 f.
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Drittes Kapitel. §. 24.
als eine Gefallene anzusehen sei. Erst bei Lukas sei, ver-
möge einer Steigerung der ursprünglichen Vorstellung,
durch das ἄνδρα οὐ γινώσκω jede väterliche Mitwirkung aus-
geschlossen 1). Wurde von der andern Seite hiegegen
richtig bemerkt, daſs ja bei Matthäus der einzige, hier in
Frage kommende Mann, nämlich Joseph, durch das πρὶν
ἢ συνελϑεῖν ἀυτοὺς (1, 18.) zu entschieden ausgeschlossen
sei: so glaubte man nun diese Ausschlieſsung im Lukas-
evangelium weniger entschieden zu finden, freilich nur,
indem man entweder unexegetisch den klaren Wortsinn auf
den Kopf stellte, oder unkritisch einen Theil der so wohl
zusammenhängenden Erzählung verdächtigte. Bei dem er-
steren Verfahren sollte die Frage der Maria: πῶς ἔςαι
τοῦτο, ἐπεὶ ἄνδρα οὺ γινώσκω (1, 34.); so viel heiſsen: wie
kann ich, die schon Verlobte und Vermählte, den Messias
gebären, als dessen Mutter ich keinen Mann haben
müſste? worauf der Engel erwiedere, daſs auch aus ih-
rem mit Joseph erzeugten Kinde Gott durch seine Kraft
etwas Besondres machen könne 2). Noch willkührlicher
ist das andre Verfahren, die angeführte Zwischenfrage der
Maria für eine unnatürliche Unterbrechung der Rede des
Engels zu erklären, jene abgerechnet aber in der Stelle
keine bestimmte Hindeutung auf die aussernatürliche Em-
pfängniſs zu finden 3).
Ist somit die Schwierigkeit der natürlichen Erklärung
für beide Berichte gleich groſs: so muſste entweder auf
1) Br …, die Nachricht, dass Jesus durch den heil. Geist und
von einer Jungfrau geboren sei, aus Zeitbegriffen erläutert.
In Schmidt's Bibl. 1, 1. S. 101 ff. — Horst, in Henke's Mu-
seum 1, 4, 497 ff., über die beiden ersten Kapitel im Evang.
Lukas.
2) Bemerkungen über den Glaubenspunkt: Christus ist empfan-
gen vom heil. Geist. In Henke's neuem Magazin 3, 3. 399.
3) Schleiermacher, über den Lukas, S. 26 f.
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