liebsten Gotteserscheinungen zu Theil werden; die Götter- söhne und grossen Männer werden häufig unter Hirten er- zogen 25). In demselben Geiste der alten Sage ist auch die apokryphische Nachricht gedichtet, dass Jesus in einer Höhle geboren sei, wodurch man an die Geburtshöhle des Zeus und anderer Götter erinnert wird 26), wenn auch gleich die missverstandne Stelle Jes. 33, 16. die nächste Veranlassung dieses Zuges gewesen sein mag 27). Die Nacht ferner, in welche die Scene verlegt wird, -- wenn man nicht an rabbinische Vorstellungen denken will, nach welchen, wie die Erlösung aus Ägypten, so auch die durch den Messias bei Nacht vor sich gehen sollte 28), -- bildet den dunkeln Hintergrund, auf welchem sich die erscheinen- de doxa Kuriou um so glänzender ausnimmt, welche, wie sie die Geburt des Moses verherrlicht haben sollte 29), so auch bei der seines höhern Nachbildes, des Messias, nicht fehlen konnte.
Einen Gegner hat die mythische Auffassung dieses Ab- schnitts namentlich an Schleiermacher gefunden 30). Zwar, wenn er es unwahrscheinlich findet, dass dieser Anfang von Luc. 2. eine Fortsetzung des Vorigen, und von dem- selben Verfasser mit diesem sei, weil die mehrfache Ver- anlassung, sich in lyrischen Ergüssen auszubreiten, wie z. B. bei der lobpreisenden Umkehr der Hirten V. 20., hier gar nicht so wie im ersten Kapitel benüzt werde: so kann man ihm hierin wohl etwa beistimmen; wenn er aber daraus weiter folgert, dass dieser Erzählung auch nicht ein vorwiegend dichterisches Gepräge zugeschrieben wer-
25) So Cyrus, nach Herod. 1, 110 ff. Romulus, nach Liv. 1, 4.
26) S. die Stellen bei Wetstein, p. 660 f.
27) Diess ist die Ansicht Thilo's, Codex Apocr. N. T. 1, S. 383, not.
28) S. Schöttgen, a. a. O. 2, S. 531.
29) Sota, 1, 48: Sapientes nostri perhibent, circa horam nativi- tatis Mosis totam domum repletam fuisse luce (Wetst.).
30) Über den Lukas, S. 29 f.
Erster Abschnitt.
liebsten Gotteserscheinungen zu Theil werden; die Götter- söhne und groſsen Männer werden häufig unter Hirten er- zogen 25). In demselben Geiste der alten Sage ist auch die apokryphische Nachricht gedichtet, daſs Jesus in einer Höhle geboren sei, wodurch man an die Geburtshöhle des Zeus und anderer Götter erinnert wird 26), wenn auch gleich die miſsverstandne Stelle Jes. 33, 16. die nächste Veranlassung dieses Zuges gewesen sein mag 27). Die Nacht ferner, in welche die Scene verlegt wird, — wenn man nicht an rabbinische Vorstellungen denken will, nach welchen, wie die Erlösung aus Ägypten, so auch die durch den Messias bei Nacht vor sich gehen sollte 28), — bildet den dunkeln Hintergrund, auf welchem sich die erscheinen- de δόξα Κυρίου um so glänzender ausnimmt, welche, wie sie die Geburt des Moses verherrlicht haben sollte 29), so auch bei der seines höhern Nachbildes, des Messias, nicht fehlen konnte.
Einen Gegner hat die mythische Auffassung dieses Ab- schnitts namentlich an Schleiermacher gefunden 30). Zwar, wenn er es unwahrscheinlich findet, daſs dieser Anfang von Luc. 2. eine Fortsetzung des Vorigen, und von dem- selben Verfasser mit diesem sei, weil die mehrfache Ver- anlassung, sich in lyrischen Ergüssen auszubreiten, wie z. B. bei der lobpreisenden Umkehr der Hirten V. 20., hier gar nicht so wie im ersten Kapitel benüzt werde: so kann man ihm hierin wohl etwa beistimmen; wenn er aber daraus weiter folgert, daſs dieser Erzählung auch nicht ein vorwiegend dichterisches Gepräge zugeschrieben wer-
25) So Cyrus, nach Herod. 1, 110 ff. Romulus, nach Liv. 1, 4.
26) S. die Stellen bei Wetstein, p. 660 f.
27) Diess ist die Ansicht Thilo's, Codex Apocr. N. T. 1, S. 383, not.
28) S. Schöttgen, a. a. O. 2, S. 531.
29) Sota, 1, 48: Sapientes nostri perhibent, circa horam nativi- tatis Mosis totam domum repletam fuisse luce (Wetst.).
30) Über den Lukas, S. 29 f.
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Erster Abschnitt.
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apokryphische Nachricht gedichtet, daſs Jesus in einer
Höhle geboren sei, wodurch man an die Geburtshöhle des
Zeus und anderer Götter erinnert wird 26), wenn auch
gleich die miſsverstandne Stelle Jes. 33, 16. die nächste
Veranlassung dieses Zuges gewesen sein mag 27). Die
Nacht ferner, in welche die Scene verlegt wird, — wenn
man nicht an rabbinische Vorstellungen denken will, nach
welchen, wie die Erlösung aus Ägypten, so auch die durch
den Messias bei Nacht vor sich gehen sollte 28), — bildet
den dunkeln Hintergrund, auf welchem sich die erscheinen-
de δόξα Κυρίου um so glänzender ausnimmt, welche, wie
sie die Geburt des Moses verherrlicht haben sollte 29), so
auch bei der seines höhern Nachbildes, des Messias, nicht
fehlen konnte.
Einen Gegner hat die mythische Auffassung dieses Ab-
schnitts namentlich an Schleiermacher gefunden 30). Zwar,
wenn er es unwahrscheinlich findet, daſs dieser Anfang
von Luc. 2. eine Fortsetzung des Vorigen, und von dem-
selben Verfasser mit diesem sei, weil die mehrfache Ver-
anlassung, sich in lyrischen Ergüssen auszubreiten, wie
z. B. bei der lobpreisenden Umkehr der Hirten V. 20.,
hier gar nicht so wie im ersten Kapitel benüzt werde: so
kann man ihm hierin wohl etwa beistimmen; wenn er aber
daraus weiter folgert, daſs dieser Erzählung auch nicht
ein vorwiegend dichterisches Gepräge zugeschrieben wer-
25) So Cyrus, nach Herod. 1, 110 ff. Romulus, nach Liv. 1, 4.
26) S. die Stellen bei Wetstein, p. 660 f.
27) Diess ist die Ansicht Thilo's, Codex Apocr. N. T. 1, S. 383, not.
28) S. Schöttgen, a. a. O. 2, S. 531.
29) Sota, 1, 48: Sapientes nostri perhibent, circa horam nativi-
tatis Mosis totam domum repletam fuisse luce (Wetst.).
30) Über den Lukas, S. 29 f.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/240>, abgerufen am 16.02.2025.
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