Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.Erster Abschnitt. ermorden lassen könnte (V. 8.). Dass eine solche Einlei-tung der Sache von dem schlauen Herodes schwer zu be- greifen sei, ist längst bemerkt worden 9). Von den Ma- giern konnte er nicht mit Sicherheit voraussetzen, dass sie ihm, zumal er seinen bösen Willen so schlecht verborgen hatte, trauen würden, und jedenfalls musste er fürchten, sie möchten, von Andern auf seine wahrscheinlich übeln Absichten mit dem Kinde aufmerksam gemacht, ihm keine Nachricht zurückbringen. Von den Eltern des Kindes konnte er vermuthen, dass sie, wenn sie von seinem ge- fährlichen Interesse an demselben hörten, es durch Flucht in Sicherheit bringen würden; so wie endlich von denjeni- gen, welche in Bethlehem und der Umgegend messianische Erwartungen hegten, dass sie durch die Ankunft der Ma- gier nicht wenig in denselben bestärkt werden müssten. Aus allen diesen Gründen musste Herodes entweder die Ma- gier in Jerusalem aufhalten und indessen durch geheime Abgesandte das in dem kleinen Bethlehem leicht zu erfra- gende Kind, an welches sich so besondre Hoffnungen knüpf- ten, aus dem Wege räumen lassen, oder er musste den Magiern Begleiter mitgeben, welche das Kind, sobald es von jenen aufgefunden wäre, auf die sicherste Weise um das Leben brächten. Auch Olshausen findet diese Bemer- kungen nicht ganz grundlos, und weiss sich gegen diesel- ben in letzter Instanz nur darauf zu berufen, dass in der Geschichte aller Zeiten unbegreifliche Vergesslichkeiten vor- kommen, welche eben nur zeigen, dass eine höhere Hand die Geschichte lenke 10). Auf diese höhere Hand muss sich allerdings der Supranaturalist hier in der Art berufen, dass er annimmt, Gott selber habe den sonst so klugen Herodes über die sicherste Massregel zu seinem Zwecke verblendet, 9) K. Ch. L. Schmidt, exeg. Beiträge, 1, S. 150 f. Vgl. Fritz- sche, Comm. in Mitth. S. 82. 10) Bibl. Comm. 1, S. 76.
Erster Abschnitt. ermorden lassen könnte (V. 8.). Daſs eine solche Einlei-tung der Sache von dem schlauen Herodes schwer zu be- greifen sei, ist längst bemerkt worden 9). Von den Ma- giern konnte er nicht mit Sicherheit voraussetzen, daſs sie ihm, zumal er seinen bösen Willen so schlecht verborgen hatte, trauen würden, und jedenfalls muſste er fürchten, sie möchten, von Andern auf seine wahrscheinlich übeln Absichten mit dem Kinde aufmerksam gemacht, ihm keine Nachricht zurückbringen. Von den Eltern des Kindes konnte er vermuthen, daſs sie, wenn sie von seinem ge- fährlichen Interesse an demselben hörten, es durch Flucht in Sicherheit bringen würden; so wie endlich von denjeni- gen, welche in Bethlehem und der Umgegend messianische Erwartungen hegten, daſs sie durch die Ankunft der Ma- gier nicht wenig in denselben bestärkt werden müſsten. Aus allen diesen Gründen muſste Herodes entweder die Ma- gier in Jerusalem aufhalten und indessen durch geheime Abgesandte das in dem kleinen Bethlehem leicht zu erfra- gende Kind, an welches sich so besondre Hoffnungen knüpf- ten, aus dem Wege räumen lassen, oder er muſste den Magiern Begleiter mitgeben, welche das Kind, sobald es von jenen aufgefunden wäre, auf die sicherste Weise um das Leben brächten. Auch Olshausen findet diese Bemer- kungen nicht ganz grundlos, und weiſs sich gegen diesel- ben in letzter Instanz nur darauf zu berufen, daſs in der Geschichte aller Zeiten unbegreifliche Vergeſslichkeiten vor- kommen, welche eben nur zeigen, daſs eine höhere Hand die Geschichte lenke 10). Auf diese höhere Hand muſs sich allerdings der Supranaturalist hier in der Art berufen, daſs er annimmt, Gott selber habe den sonst so klugen Herodes über die sicherste Maſsregel zu seinem Zwecke verblendet, 9) K. Ch. L. Schmidt, exeg. Beiträge, 1, S. 150 f. Vgl. Fritz- sche, Comm. in Mitth. S. 82. 10) Bibl. Comm. 1, S. 76.
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Erster Abschnitt.
ermorden lassen könnte (V. 8.). Daſs eine solche Einlei-
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greifen sei, ist längst bemerkt worden 9). Von den Ma-
giern konnte er nicht mit Sicherheit voraussetzen, daſs sie
ihm, zumal er seinen bösen Willen so schlecht verborgen
hatte, trauen würden, und jedenfalls muſste er fürchten,
sie möchten, von Andern auf seine wahrscheinlich übeln
Absichten mit dem Kinde aufmerksam gemacht, ihm keine
Nachricht zurückbringen. Von den Eltern des Kindes
konnte er vermuthen, daſs sie, wenn sie von seinem ge-
fährlichen Interesse an demselben hörten, es durch Flucht
in Sicherheit bringen würden; so wie endlich von denjeni-
gen, welche in Bethlehem und der Umgegend messianische
Erwartungen hegten, daſs sie durch die Ankunft der Ma-
gier nicht wenig in denselben bestärkt werden müſsten.
Aus allen diesen Gründen muſste Herodes entweder die Ma-
gier in Jerusalem aufhalten und indessen durch geheime
Abgesandte das in dem kleinen Bethlehem leicht zu erfra-
gende Kind, an welches sich so besondre Hoffnungen knüpf-
ten, aus dem Wege räumen lassen, oder er muſste den
Magiern Begleiter mitgeben, welche das Kind, sobald es
von jenen aufgefunden wäre, auf die sicherste Weise um
das Leben brächten. Auch Olshausen findet diese Bemer-
kungen nicht ganz grundlos, und weiſs sich gegen diesel-
ben in letzter Instanz nur darauf zu berufen, daſs in der
Geschichte aller Zeiten unbegreifliche Vergeſslichkeiten vor-
kommen, welche eben nur zeigen, daſs eine höhere Hand
die Geschichte lenke 10). Auf diese höhere Hand muſs sich
allerdings der Supranaturalist hier in der Art berufen, daſs
er annimmt, Gott selber habe den sonst so klugen Herodes
über die sicherste Maſsregel zu seinem Zwecke verblendet,
9) K. Ch. L. Schmidt, exeg. Beiträge, 1, S. 150 f. Vgl. Fritz-
sche, Comm. in Mitth. S. 82.
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