Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.Viertes Kapitel. §. 30. sen könnte. Erst als die Magier ausblieben, war er zu je-ner andern Massregel veranlasst, zu deren Behuf er die Zeit, wann der Stern erschienen war, wissen musste 7). Wie glücklich daher für ihn, dass er, auch ohne noch je- nen Plan zu haben, doch gleich Anfangs nach dieser Zeit sich erkundigte; aber auch wie unbegreiflich, dass er die- ses, was ihm bei seinem ersten Plane Nebensache war, gleich zu seiner ersten Frage (kalesas-ekribose k. t. l. V. 7.) und zur Hauptangelegenheit machte. War die Er- kundigung nach der Zeit der ersten Erscheinung des Sterns Mittel zu dem Zwecke, die seit dieser Zeit in Bethlehem geborenen Kinder in Masse zu morden; hatte aber Herodes selbst diesen Zweck noch nicht, als er jenes Mittel wählte: so müsste ein höheres Bewusstsein ihm dasselbe an die Hand gegeben haben, welches Bewusstsein auf orthodoxem Stand- punkt nur entweder Gott sein könnte, von welchem man dann sagen müsste, er habe dem Tyrannen jene Frage ein- gegeben, damit er nicht in der Ungewissheit über das Al- ter des gesuchten Kindes geradezu alle Kinder zu Bethle- hem 8), auch die älteren, erwürgen möchte; oder der Teu- fel, -- wenn nicht das Hineintragen übernatürlicher Ma- schinerie in den biblischen Text ebenso unerlaubt wäre als das von natürlicher. Ist es aber unerlaubt, und doch bei der orthodoxen Auffassung der Erzählung unvermeidlich: so ist diese Auffassung selbst unmöglich. Das Zweite, was Herodes mit den Magiern verhandelt, 7) Treffend Fritzsche z. d. St.: -- comperto, quasi magos non ad se redituros statim scivisset, orti sideris tempore, etc. 8) So vergrössert findet sich die Sache bei Justin, Dial. c. Tryph. 78. Das Leben Jesu I. Band. 15
Viertes Kapitel. §. 30. sen könnte. Erst als die Magier ausblieben, war er zu je-ner andern Maſsregel veranlaſst, zu deren Behuf er die Zeit, wann der Stern erschienen war, wissen muſste 7). Wie glücklich daher für ihn, daſs er, auch ohne noch je- nen Plan zu haben, doch gleich Anfangs nach dieser Zeit sich erkundigte; aber auch wie unbegreiflich, daſs er die- ses, was ihm bei seinem ersten Plane Nebensache war, gleich zu seiner ersten Frage (καλέσας-ἠκρίβωσε κ. τ. λ. V. 7.) und zur Hauptangelegenheit machte. War die Er- kundigung nach der Zeit der ersten Erscheinung des Sterns Mittel zu dem Zwecke, die seit dieser Zeit in Bethlehem geborenen Kinder in Masse zu morden; hatte aber Herodes selbst diesen Zweck noch nicht, als er jenes Mittel wählte: so müſste ein höheres Bewuſstsein ihm dasselbe an die Hand gegeben haben, welches Bewuſstsein auf orthodoxem Stand- punkt nur entweder Gott sein könnte, von welchem man dann sagen müſste, er habe dem Tyrannen jene Frage ein- gegeben, damit er nicht in der Ungewiſsheit über das Al- ter des gesuchten Kindes geradezu alle Kinder zu Bethle- hem 8), auch die älteren, erwürgen möchte; oder der Teu- fel, — wenn nicht das Hineintragen übernatürlicher Ma- schinerie in den biblischen Text ebenso unerlaubt wäre als das von natürlicher. Ist es aber unerlaubt, und doch bei der orthodoxen Auffassung der Erzählung unvermeidlich: so ist diese Auffassung selbst unmöglich. Das Zweite, was Herodes mit den Magiern verhandelt, 7) Treffend Fritzsche z. d. St.: — comperto, quasi magos non ad se redituros statim scivisset, orti sideris tempore, etc. 8) So vergrössert findet sich die Sache bei Justin, Dial. c. Tryph. 78. Das Leben Jesu I. Band. 15
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Viertes Kapitel. §. 30.
sen könnte. Erst als die Magier ausblieben, war er zu je-
ner andern Maſsregel veranlaſst, zu deren Behuf er die
Zeit, wann der Stern erschienen war, wissen muſste 7).
Wie glücklich daher für ihn, daſs er, auch ohne noch je-
nen Plan zu haben, doch gleich Anfangs nach dieser Zeit
sich erkundigte; aber auch wie unbegreiflich, daſs er die-
ses, was ihm bei seinem ersten Plane Nebensache war,
gleich zu seiner ersten Frage (καλέσας-ἠκρίβωσε κ. τ. λ.
V. 7.) und zur Hauptangelegenheit machte. War die Er-
kundigung nach der Zeit der ersten Erscheinung des Sterns
Mittel zu dem Zwecke, die seit dieser Zeit in Bethlehem
geborenen Kinder in Masse zu morden; hatte aber Herodes
selbst diesen Zweck noch nicht, als er jenes Mittel wählte:
so müſste ein höheres Bewuſstsein ihm dasselbe an die Hand
gegeben haben, welches Bewuſstsein auf orthodoxem Stand-
punkt nur entweder Gott sein könnte, von welchem man
dann sagen müſste, er habe dem Tyrannen jene Frage ein-
gegeben, damit er nicht in der Ungewiſsheit über das Al-
ter des gesuchten Kindes geradezu alle Kinder zu Bethle-
hem 8), auch die älteren, erwürgen möchte; oder der Teu-
fel, — wenn nicht das Hineintragen übernatürlicher Ma-
schinerie in den biblischen Text ebenso unerlaubt wäre als
das von natürlicher. Ist es aber unerlaubt, und doch bei
der orthodoxen Auffassung der Erzählung unvermeidlich:
so ist diese Auffassung selbst unmöglich.
Das Zweite, was Herodes mit den Magiern verhandelt,
ist, daſs er ihnen aufträgt, alles das königliche Kind Be-
treffende genau zu erkunden und ihm bei ihrer Rückkehr
zu melden, damit auch er hingehen und dem Kinde seine
Verehrung bezeigen, d. h. nach dem wahren Sinn, es sicher
7) Treffend Fritzsche z. d. St.: — comperto, quasi magos
non ad se redituros statim scivisset, orti sideris
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8) So vergrössert findet sich die Sache bei Justin, Dial. c.
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