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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.

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Erster Abschnitt.
haben, nicht mehr zu Herodes zurückzukehren. Dass He-
rodes sofort Kinder in Bethlehem morden liess, und Jo-
seph, davon unterrichtet, nach Ägypten floh, ist wieder
historisch; nur die darauf angewendeten A. T.lichen Stel-
len und die Engelerscheinungen sind späterer Zusaz. --
Schon etwas mehr glaubte Krug 12) auf Rechnung der Sa-
ge schreiben zu müssen. Arabische Kaufleute, meint er,
welche zufällig nach Bethlehem kamen, lernten Jesu Eltern
als bedürftige Fremde kennen (nach Matthäus sind Jesu
Eltern in Bethlehem nicht fremd), beschenkten sie, wünsch-
ten ihnen viel Gutes für ihr Kind, und reisten weiter.
Wie Jesus später als Messias sich geltend machte, erin-
nerte man sich jener Begebenheit, und schmückte sie mit
Stern, Traumerscheinung und glaubiger Huldigung aus. Auch
die Erzählungen von der Flucht nach Ägypten und dem
Bethlehemitischen Kindermord schlossen sich an, weil man
eine Wirkung jenes Vorfalls auf den Herodes voraussezt[e],
der vielleicht um jene Zeit aus andern Ursachen in Bethle-
hem einige Familien umbringen liess, wie auch Jesus viel-
leicht später zu andern Zwecken in Ägypten war.

Bei dieser, wie bei der reinnatürlichen Erklärungsart,
bleiben also die Fakta der Ankunft einiger Orientalen, der
Flucht nach Ägypten und der Blutscene in Bethlehem ste-
hen, entkleidet jedoch von allem wunderhaften Schmucke,
welcher sie in der evangelischen Erzählung umgiebt. So
sollen nun diese Fakta begreiflich sein, und gar wohl sich
haben zutragen können. In der That aber werden sie da-
durch unbegreiflicher, als selbst bei der orthodoxen Erklä-
rungsart. Denn mit dem übernatürlichen Schmucke ist je-
nen Thatsachen zugleich alles Motivirende genommen, und
sie schweben völlig in der Luft. Wie die Orientalen in
ein Verhältniss zu Jesu Eltern und dem Kinde kommen,

12) Über formelle oder genetische Erklärungsart der Wunder.
In Henke's Museum, 1, 3, 399 ff.

Erster Abschnitt.
haben, nicht mehr zu Herodes zurückzukehren. Daſs He-
rodes sofort Kinder in Bethlehem morden lieſs, und Jo-
seph, davon unterrichtet, nach Ägypten floh, ist wieder
historisch; nur die darauf angewendeten A. T.lichen Stel-
len und die Engelerscheinungen sind späterer Zusaz. —
Schon etwas mehr glaubte Krug 12) auf Rechnung der Sa-
ge schreiben zu müssen. Arabische Kaufleute, meint er,
welche zufällig nach Bethlehem kamen, lernten Jesu Eltern
als bedürftige Fremde kennen (nach Matthäus sind Jesu
Eltern in Bethlehem nicht fremd), beschenkten sie, wünsch-
ten ihnen viel Gutes für ihr Kind, und reisten weiter.
Wie Jesus später als Messias sich geltend machte, erin-
nerte man sich jener Begebenheit, und schmückte sie mit
Stern, Traumerscheinung und glaubiger Huldigung aus. Auch
die Erzählungen von der Flucht nach Ägypten und dem
Bethlehemitischen Kindermord schloſsen sich an, weil man
eine Wirkung jenes Vorfalls auf den Herodes voraussezt[e],
der vielleicht um jene Zeit aus andern Ursachen in Bethle-
hem einige Familien umbringen lieſs, wie auch Jesus viel-
leicht später zu andern Zwecken in Ägypten war.

Bei dieser, wie bei der reinnatürlichen Erklärungsart,
bleiben also die Fakta der Ankunft einiger Orientalen, der
Flucht nach Ägypten und der Blutscene in Bethlehem ste-
hen, entkleidet jedoch von allem wunderhaften Schmucke,
welcher sie in der evangelischen Erzählung umgiebt. So
sollen nun diese Fakta begreiflich sein, und gar wohl sich
haben zutragen können. In der That aber werden sie da-
durch unbegreiflicher, als selbst bei der orthodoxen Erklä-
rungsart. Denn mit dem übernatürlichen Schmucke ist je-
nen Thatsachen zugleich alles Motivirende genommen, und
sie schweben völlig in der Luft. Wie die Orientalen in
ein Verhältniſs zu Jesu Eltern und dem Kinde kommen,

12) Über formelle oder genetische Erklärungsart der Wunder.
In Henke's Museum, 1, 3, 399 ff.
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[242/0266] Erster Abschnitt. haben, nicht mehr zu Herodes zurückzukehren. Daſs He- rodes sofort Kinder in Bethlehem morden lieſs, und Jo- seph, davon unterrichtet, nach Ägypten floh, ist wieder historisch; nur die darauf angewendeten A. T.lichen Stel- len und die Engelerscheinungen sind späterer Zusaz. — Schon etwas mehr glaubte Krug 12) auf Rechnung der Sa- ge schreiben zu müssen. Arabische Kaufleute, meint er, welche zufällig nach Bethlehem kamen, lernten Jesu Eltern als bedürftige Fremde kennen (nach Matthäus sind Jesu Eltern in Bethlehem nicht fremd), beschenkten sie, wünsch- ten ihnen viel Gutes für ihr Kind, und reisten weiter. Wie Jesus später als Messias sich geltend machte, erin- nerte man sich jener Begebenheit, und schmückte sie mit Stern, Traumerscheinung und glaubiger Huldigung aus. Auch die Erzählungen von der Flucht nach Ägypten und dem Bethlehemitischen Kindermord schloſsen sich an, weil man eine Wirkung jenes Vorfalls auf den Herodes voraussezte, der vielleicht um jene Zeit aus andern Ursachen in Bethle- hem einige Familien umbringen lieſs, wie auch Jesus viel- leicht später zu andern Zwecken in Ägypten war. Bei dieser, wie bei der reinnatürlichen Erklärungsart, bleiben also die Fakta der Ankunft einiger Orientalen, der Flucht nach Ägypten und der Blutscene in Bethlehem ste- hen, entkleidet jedoch von allem wunderhaften Schmucke, welcher sie in der evangelischen Erzählung umgiebt. So sollen nun diese Fakta begreiflich sein, und gar wohl sich haben zutragen können. In der That aber werden sie da- durch unbegreiflicher, als selbst bei der orthodoxen Erklä- rungsart. Denn mit dem übernatürlichen Schmucke ist je- nen Thatsachen zugleich alles Motivirende genommen, und sie schweben völlig in der Luft. Wie die Orientalen in ein Verhältniſs zu Jesu Eltern und dem Kinde kommen, 12) Über formelle oder genetische Erklärungsart der Wunder. In Henke's Museum, 1, 3, 399 ff.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/266>, abgerufen am 22.11.2024.