Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Erster Abschnitt.
längere Zeit sichtbar sein werde 8). Wie mit dieser ein-
facheren jüdischen Vorstellung, dass zur Zeit des Me-
sias überhaupt ein Stern erscheinen werde, unsre Erzäh-
lung im Matthäus verwandt ist: so mit jenen übertreiben-
den Schilderungen des zu Abrahams Zeit erschienenen Ge-
stirns die apokryphischen Beschreibungen des Sterns, der
Jesu Geburt verkündigt haben sollte 9). Offenbar also ver-
hält es sich mit dem bei Jesu Geburt nach Matthäus er-
schienenen Stern so, wie schon K. Ch. L. Schmidt 10), mit
welchem neuestens auch Fritzsche übereinstimmt, es darge-
stellt hat. Wie Sterne überhaupt immer die Vorläufer
grosser Begebenheiten sind: so, dachten die Juden zur Zeit
Jesu, müsse nach 4. Mos. 24, 17. auch des Messias Geburt
durch einen Stern voraus verkündigt werden. Die neuen
Christen aus den Juden aber konnten ihren Glauben an Je-
sum als den Messias vor sich und Andern nur dadurch
rechtfertigen und begründen, dass sie alle Attribute, welche
die jüdische Zeitvorstellung dem Messias lieh, an ihrem
Jesus als verwirklicht nachzuweisen sich bemühten, was

8) Testamentum XII Patriarcharum, test. Levi, 18 (Fabric. Cod.
pseud. V. T. p. 584 f.): kai anatelei asron aut[ou] (des mes-
sianischen iereus kainos) en ourano, -- photizon phos gnoseos
k. t. l. Pesikta Sotarta f. 48, 1 (bei Schöttgen 2, S. 531):
Et prodibit stella ab oriente, quae est stella Messiae, et in
oriente versabitur dies XV. Vgl. Sohar Genes. f. 74. bei
Schöttgen 2, 524, und einige andere Stellen, welche Ideler
nachweist im Handbuch der Chronologie, 2. Bd. S. 409. An-
merk. 1. und Bertholdt, Christologia Judaeor. §. 14.
9) Vergl. mit den, Anm. 7. angeführten Stellen Protevang. Jac.
cap. 21: eidomen asera pammegethe, lampsanta en tois
asrois toutois kai amblunonta autous tou phainein.
Noch mehr übertrieben in Ignat. ep. ad Ephes. 19. S. die
Sammlung hiehergehöriger Stellen bei Thilo, cod. apocr. 1,
S. 390 f.
10) Exeget. Beiträge 1, S. 159 ff.

Erster Abschnitt.
längere Zeit sichtbar sein werde 8). Wie mit dieser ein-
facheren jüdischen Vorstellung, daſs zur Zeit des Me-
sias überhaupt ein Stern erscheinen werde, unsre Erzäh-
lung im Matthäus verwandt ist: so mit jenen übertreiben-
den Schilderungen des zu Abrahams Zeit erschienenen Ge-
stirns die apokryphischen Beschreibungen des Sterns, der
Jesu Geburt verkündigt haben sollte 9). Offenbar also ver-
hält es sich mit dem bei Jesu Geburt nach Matthäus er-
schienenen Stern so, wie schon K. Ch. L. Schmidt 10), mit
welchem neuestens auch Fritzsche übereinstimmt, es darge-
stellt hat. Wie Sterne überhaupt immer die Vorläufer
groſser Begebenheiten sind: so, dachten die Juden zur Zeit
Jesu, müsse nach 4. Mos. 24, 17. auch des Messias Geburt
durch einen Stern voraus verkündigt werden. Die neuen
Christen aus den Juden aber konnten ihren Glauben an Je-
sum als den Messias vor sich und Andern nur dadurch
rechtfertigen und begründen, daſs sie alle Attribute, welche
die jüdische Zeitvorstellung dem Messias lieh, an ihrem
Jesus als verwirklicht nachzuweisen sich bemühten, was

8) Testamentum XII Patriarcharum, test. Levi, 18 (Fabric. Cod.
pseud. V. T. p. 584 f.): καὶ ἀνατελεῖ ἄςρον αὐτ[οῦ] (des mes-
sianischen ἱερεὺς καινὸς) ἐν οὐρανῷ, — φωτίζον φῶς γνώσεως
κ. τ. λ. Pesikta Sotarta f. 48, 1 (bei Schöttgen 2, S. 531):
Et prodibit stella ab oriente, quae est stella Messiae, et in
oriente versabitur dies XV. Vgl. Sohar Genes. f. 74. bei
Schöttgen 2, 524, und einige andere Stellen, welche Ideler
nachweist im Handbuch der Chronologie, 2. Bd. S. 409. An-
merk. 1. und Bertholdt, Christologia Judaeor. §. 14.
9) Vergl. mit den, Anm. 7. angeführten Stellen Protevang. Jac.
cap. 21: εἴδομεν ἀςέρα παμμεγέϑη, λάμψαντα ἐν τοῖς
ἄςροις τούτοις καὶ ἀμβλύνοντα αὐτοὺς τοῦ φαίνειν.
Noch mehr übertrieben in Ignat. ep. ad Ephes. 19. S. die
Sammlung hiehergehöriger Stellen bei Thilo, cod. apocr. 1,
S. 390 f.
10) Exeget. Beiträge 1, S. 159 ff.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0270" n="246"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Erster Abschnitt</hi>.</fw><lb/>
längere Zeit sichtbar sein werde <note place="foot" n="8)">Testamentum XII Patriarcharum, test. Levi, 18 (<hi rendition="#k">Fabric</hi>. Cod.<lb/>
pseud. V. T. p. 584 f.): <foreign xml:lang="ell">&#x03BA;&#x03B1;&#x1F76; &#x1F00;&#x03BD;&#x03B1;&#x03C4;&#x03B5;&#x03BB;&#x03B5;&#x1FD6; &#x1F04;&#x03C2;&#x03C1;&#x03BF;&#x03BD; &#x03B1;&#x1F50;&#x03C4;<supplied>&#x03BF;&#x1FE6;</supplied> (des mes-<lb/>
sianischen &#x1F31;&#x03B5;&#x03C1;&#x03B5;&#x1F7A;&#x03C2; &#x03BA;&#x03B1;&#x03B9;&#x03BD;&#x1F78;&#x03C2;) &#x1F10;&#x03BD; &#x03BF;&#x1F50;&#x03C1;&#x03B1;&#x03BD;&#x1FF7;, &#x2014; &#x03C6;&#x03C9;&#x03C4;&#x03AF;&#x03B6;&#x03BF;&#x03BD; &#x03C6;&#x1FF6;&#x03C2; &#x03B3;&#x03BD;&#x03CE;&#x03C3;&#x03B5;&#x03C9;&#x03C2;<lb/>
&#x03BA;. &#x03C4;. &#x03BB;.</foreign> Pesikta Sotarta f. 48, 1 (bei <hi rendition="#k">Schöttgen</hi> 2, S. 531):<lb/>
Et prodibit stella ab oriente, quae est stella Messiae, et in<lb/>
oriente versabitur dies XV. Vgl. Sohar Genes. f. 74. bei<lb/><hi rendition="#k">Schöttgen</hi> 2, 524, und einige andere Stellen, welche <hi rendition="#k">Ideler</hi><lb/>
nachweist im Handbuch der Chronologie, 2. Bd. S. 409. An-<lb/>
merk. 1. und <hi rendition="#k">Bertholdt</hi>, Christologia Judaeor. §. 14.</note>. Wie mit dieser ein-<lb/>
facheren jüdischen Vorstellung, da&#x017F;s zur Zeit des Me-<lb/>
sias überhaupt ein Stern erscheinen werde, unsre Erzäh-<lb/>
lung im Matthäus verwandt ist: so mit jenen übertreiben-<lb/>
den Schilderungen des zu Abrahams Zeit erschienenen Ge-<lb/>
stirns die apokryphischen Beschreibungen des Sterns, der<lb/>
Jesu Geburt verkündigt haben sollte <note place="foot" n="9)">Vergl. mit den, Anm. 7. angeführten Stellen Protevang. Jac.<lb/>
cap. 21: <foreign xml:lang="ell">&#x03B5;&#x1F34;&#x03B4;&#x03BF;&#x03BC;&#x03B5;&#x03BD; &#x1F00;&#x03C2;&#x03AD;&#x03C1;&#x03B1; &#x03C0;&#x03B1;&#x03BC;&#x03BC;&#x03B5;&#x03B3;&#x03AD;&#x03D1;&#x03B7;, &#x03BB;&#x03AC;&#x03BC;&#x03C8;&#x03B1;&#x03BD;&#x03C4;&#x03B1; &#x1F10;&#x03BD; &#x03C4;&#x03BF;&#x1FD6;&#x03C2;<lb/>
&#x1F04;&#x03C2;&#x03C1;&#x03BF;&#x03B9;&#x03C2; &#x03C4;&#x03BF;&#x03CD;&#x03C4;&#x03BF;&#x03B9;&#x03C2; &#x03BA;&#x03B1;&#x1F76; &#x1F00;&#x03BC;&#x03B2;&#x03BB;&#x03CD;&#x03BD;&#x03BF;&#x03BD;&#x03C4;&#x03B1; &#x03B1;&#x1F50;&#x03C4;&#x03BF;&#x1F7A;&#x03C2; &#x03C4;&#x03BF;&#x1FE6; &#x03C6;&#x03B1;&#x03AF;&#x03BD;&#x03B5;&#x03B9;&#x03BD;.</foreign><lb/>
Noch mehr übertrieben in Ignat. ep. ad Ephes. 19. S. die<lb/>
Sammlung hiehergehöriger Stellen bei <hi rendition="#k">Thilo</hi>, cod. apocr. 1,<lb/>
S. 390 f.</note>. Offenbar also ver-<lb/>
hält es sich mit dem bei Jesu Geburt nach Matthäus er-<lb/>
schienenen Stern so, wie schon K. Ch. L. <hi rendition="#k">Schmidt</hi> <note place="foot" n="10)">Exeget. Beiträge 1, S. 159 ff.</note>, mit<lb/>
welchem neuestens auch <hi rendition="#k">Fritzsche</hi> übereinstimmt, es darge-<lb/>
stellt hat. Wie Sterne überhaupt immer die Vorläufer<lb/>
gro&#x017F;ser Begebenheiten sind: so, dachten die Juden zur Zeit<lb/>
Jesu, müsse nach 4. Mos. 24, 17. auch des Messias Geburt<lb/>
durch einen Stern voraus verkündigt werden. Die neuen<lb/>
Christen aus den Juden aber konnten ihren Glauben an Je-<lb/>
sum als den Messias vor sich und Andern nur dadurch<lb/>
rechtfertigen und begründen, da&#x017F;s sie alle Attribute, welche<lb/>
die jüdische Zeitvorstellung dem Messias lieh, an ihrem<lb/>
Jesus als verwirklicht nachzuweisen sich bemühten, was<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[246/0270] Erster Abschnitt. längere Zeit sichtbar sein werde 8). Wie mit dieser ein- facheren jüdischen Vorstellung, daſs zur Zeit des Me- sias überhaupt ein Stern erscheinen werde, unsre Erzäh- lung im Matthäus verwandt ist: so mit jenen übertreiben- den Schilderungen des zu Abrahams Zeit erschienenen Ge- stirns die apokryphischen Beschreibungen des Sterns, der Jesu Geburt verkündigt haben sollte 9). Offenbar also ver- hält es sich mit dem bei Jesu Geburt nach Matthäus er- schienenen Stern so, wie schon K. Ch. L. Schmidt 10), mit welchem neuestens auch Fritzsche übereinstimmt, es darge- stellt hat. Wie Sterne überhaupt immer die Vorläufer groſser Begebenheiten sind: so, dachten die Juden zur Zeit Jesu, müsse nach 4. Mos. 24, 17. auch des Messias Geburt durch einen Stern voraus verkündigt werden. Die neuen Christen aus den Juden aber konnten ihren Glauben an Je- sum als den Messias vor sich und Andern nur dadurch rechtfertigen und begründen, daſs sie alle Attribute, welche die jüdische Zeitvorstellung dem Messias lieh, an ihrem Jesus als verwirklicht nachzuweisen sich bemühten, was 8) Testamentum XII Patriarcharum, test. Levi, 18 (Fabric. Cod. pseud. V. T. p. 584 f.): καὶ ἀνατελεῖ ἄςρον αὐτοῦ (des mes- sianischen ἱερεὺς καινὸς) ἐν οὐρανῷ, — φωτίζον φῶς γνώσεως κ. τ. λ. Pesikta Sotarta f. 48, 1 (bei Schöttgen 2, S. 531): Et prodibit stella ab oriente, quae est stella Messiae, et in oriente versabitur dies XV. Vgl. Sohar Genes. f. 74. bei Schöttgen 2, 524, und einige andere Stellen, welche Ideler nachweist im Handbuch der Chronologie, 2. Bd. S. 409. An- merk. 1. und Bertholdt, Christologia Judaeor. §. 14. 9) Vergl. mit den, Anm. 7. angeführten Stellen Protevang. Jac. cap. 21: εἴδομεν ἀςέρα παμμεγέϑη, λάμψαντα ἐν τοῖς ἄςροις τούτοις καὶ ἀμβλύνοντα αὐτοὺς τοῦ φαίνειν. Noch mehr übertrieben in Ignat. ep. ad Ephes. 19. S. die Sammlung hiehergehöriger Stellen bei Thilo, cod. apocr. 1, S. 390 f. 10) Exeget. Beiträge 1, S. 159 ff.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/270
Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/270>, abgerufen am 21.11.2024.