um so argloser und unwidersprochener geschehen konnte, je weiter man sich von dem Zeitalter Jesu entfernte, und je mehr namentlich die Geschichte seiner Kindheit im Dunkel lag. Daher zweifelte man bald genug nicht mehr, dass nicht auch die erwartete Erscheinung eines Sterns bei Jesu Geburt wirklich zugetroffen sei 11). Dass aber diese Erscheinung von orientalischen Magiern gesehen worden, dieser Zug ergab sich, den Stern einmal vorausgesezt, von selbst; denn die Bedeutung desselben konnte Niemand bes- ser verstehen als Astrologen, und als das Vaterland dieser Kenntnisse galt der Orient.
Indessen hängt diess, so wie ohnehin das, dass die Magier eine Reise nach Judäa unternehmen und dem mes- sianischen Kinde köstliche Geschenke bringen, noch mit andern A. T.lichen Stellen zusammen. In der Schilde- rung der besseren Zukunft, welche Jesaias Kap. 60. giebt, wird namentlich auch diess hervorgehoben, dass in jener Zeit die entferntesten Völker und Könige zur Verehrung Jehova's nach Jerusalem kommen und Gold und Weihrauch und allerlei angenehme Gaben darbringen werden 12). Wenn in dieser jesaianischen Stelle nur von der messianischen Zeit die Rede ist, ein messianisches Subjekt aber fehlt: so wird Ps. 72. von einem Könige, von dem es heisst, man werde ihn fürchten so lange Mond und Sonne währen, zu seiner Zeit werde Gerechtigkeit blühen und alle Völker ihn preisen, also von einem leicht messianisch zu fassenden
11)Fritzsche in der Überschrift vom Kap. 2: Etiam stella, quam judaica disciplina sub Messiae natales visum iri dicit, quo Jesus nascebatur tempore exorta est.
12) Wie es Matth. 2, 11. von den Magiern heisst: prosenegkan auto -- khruson kai libanon: so Jes. 60, 6 (LXX): exousi, pherontes khrusion, kai libanon oisousi. Das dritte Geschenk, welches bei Matth. in smurna besteht, ist bei Jes. lithos timios.
Viertes Kapitel. §. 32.
um so argloser und unwidersprochener geschehen konnte, je weiter man sich von dem Zeitalter Jesu entfernte, und je mehr namentlich die Geschichte seiner Kindheit im Dunkel lag. Daher zweifelte man bald genug nicht mehr, daſs nicht auch die erwartete Erscheinung eines Sterns bei Jesu Geburt wirklich zugetroffen sei 11). Daſs aber diese Erscheinung von orientalischen Magiern gesehen worden, dieser Zug ergab sich, den Stern einmal vorausgesezt, von selbst; denn die Bedeutung desselben konnte Niemand bes- ser verstehen als Astrologen, und als das Vaterland dieser Kenntnisse galt der Orient.
Indessen hängt dieſs, so wie ohnehin das, daſs die Magier eine Reise nach Judäa unternehmen und dem mes- sianischen Kinde köstliche Geschenke bringen, noch mit andern A. T.lichen Stellen zusammen. In der Schilde- rung der besseren Zukunft, welche Jesaias Kap. 60. giebt, wird namentlich auch dieſs hervorgehoben, daſs in jener Zeit die entferntesten Völker und Könige zur Verehrung Jehova's nach Jerusalem kommen und Gold und Weihrauch und allerlei angenehme Gaben darbringen werden 12). Wenn in dieser jesaianischen Stelle nur von der messianischen Zeit die Rede ist, ein messianisches Subjekt aber fehlt: so wird Ps. 72. von einem Könige, von dem es heiſst, man werde ihn fürchten so lange Mond und Sonne währen, zu seiner Zeit werde Gerechtigkeit blühen und alle Völker ihn preisen, also von einem leicht messianisch zu fassenden
11)Fritzsche in der Überschrift vom Kap. 2: Etiam stella, quam judaica disciplina sub Messiae natales visum iri dicit, quo Jesus nascebatur tempore exorta est.
12) Wie es Matth. 2, 11. von den Magiern heisst: προσήνεγκαν αυτῷ — χρυσὸν καὶ λίβανον: so Jes. 60, 6 (LXX): ἥξουσι, φέροντες χρυσίον, καὶ λίβανον οἴσουσι. Das dritte Geschenk, welches bei Matth. in σμύρνα besteht, ist bei Jes. λίϑος τίμιος.
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Viertes Kapitel. §. 32.
um so argloser und unwidersprochener geschehen konnte,
je weiter man sich von dem Zeitalter Jesu entfernte, und
je mehr namentlich die Geschichte seiner Kindheit im
Dunkel lag. Daher zweifelte man bald genug nicht mehr,
daſs nicht auch die erwartete Erscheinung eines Sterns bei
Jesu Geburt wirklich zugetroffen sei 11). Daſs aber diese
Erscheinung von orientalischen Magiern gesehen worden,
dieser Zug ergab sich, den Stern einmal vorausgesezt, von
selbst; denn die Bedeutung desselben konnte Niemand bes-
ser verstehen als Astrologen, und als das Vaterland dieser
Kenntnisse galt der Orient.
Indessen hängt dieſs, so wie ohnehin das, daſs die
Magier eine Reise nach Judäa unternehmen und dem mes-
sianischen Kinde köstliche Geschenke bringen, noch mit
andern A. T.lichen Stellen zusammen. In der Schilde-
rung der besseren Zukunft, welche Jesaias Kap. 60. giebt,
wird namentlich auch dieſs hervorgehoben, daſs in jener
Zeit die entferntesten Völker und Könige zur Verehrung
Jehova's nach Jerusalem kommen und Gold und Weihrauch
und allerlei angenehme Gaben darbringen werden 12). Wenn
in dieser jesaianischen Stelle nur von der messianischen
Zeit die Rede ist, ein messianisches Subjekt aber fehlt:
so wird Ps. 72. von einem Könige, von dem es heiſst, man
werde ihn fürchten so lange Mond und Sonne währen, zu
seiner Zeit werde Gerechtigkeit blühen und alle Völker ihn
preisen, also von einem leicht messianisch zu fassenden
11) Fritzsche in der Überschrift vom Kap. 2: Etiam stella, quam
judaica disciplina sub Messiae natales visum iri dicit, quo
Jesus nascebatur tempore exorta est.
12) Wie es Matth. 2, 11. von den Magiern heisst: προσήνεγκαν
αυτῷ — χρυσὸν καὶ λίβανον: so Jes. 60, 6 (LXX):
ἥξουσι, φέροντες χρυσίον, καὶ λίβανον οἴσουσι. Das dritte
Geschenk, welches bei Matth. in σμύρνα besteht, ist bei
Jes. λίϑος τίμιος.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/271>, abgerufen am 16.07.2024.
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