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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.

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Viertes Kapitel. §. 32.
Eindruck war, den Jesus hinterliess, da selbst der Ge-
schichte seiner Kindheit ein messianischer Zuschnitt gege-
ben wurde 28).

Blicken wir von hier noch einmal auf die Erzählung
des Lukas, Kap. 2., zurück, so weit sie der unsrigen par-
allel läuft: so haben wir schon gesehen, dass die unsrige
das von Lukas Erzählte nicht als früher Vorgefallenes vor-
aussezt; noch weniger kann das Umgekehrte stattfinden,
dass die Magier vor den Hirten gekommen wären: es fragt
sich also, ob nicht vielleicht beide Berichte dasselbe dar-
stellen wollen, nur dass sie diess auf verschiedene Weise
thun? Auf dem älteren orthodoxen Standpunkte, welcher
den Stern bei Matthäus als einen Engel zu fassen geneigt
war, lag es nahe, denselben mit dem Engel bei Lukas in
der Art zu identificiren, dass der in der Geburtsnacht Jesu
den bethlehemitischen Hirten erschienene Engel von den
Magiern in der Ferne für einen über Judäa stehenden
Stern gehalten worden sein sollte 29), so dass beide Be-
richte im Wesentlichen richtig wären. Neuerlich hat man
nur Einen, und zwar den des Lukas, als den richtigen
vorausgesezt, den des Matthäus aber als ausgeschmückte
Umbildung von jenem dargestellt. Aus dem Engel im himm-
lischen Glanze bei Lukas soll in der umbildenden Erzäh-
lung der Matthäustradition ein Stern geworden sein, wie
die Begriffe von Engeln und Sternen in der höheren jü-
dischen Theologie zusammenflossen; die Hirten aber sollen
zu königlichen Weisen umgebildet worden sein, wie ja die

28) Auch Schleiermacher, über den Lukas, S. 47, erklärt die Er-
zählung von den Magiern u. s. w. für eine symbolische; da
er es aber verschmäht, auf die hiehergehörigen A. T.lichen
u. a. Stellen Rücksicht zu nehmen, so rächt sich diess da-
durch, dass er in der Deutung der Erzählung theils im All-
gemeinen stehen bleibt, theils in's Schiefe geräth.
29) So Lightfoot, horae p. 202.

Viertes Kapitel. §. 32.
Eindruck war, den Jesus hinterlieſs, da selbst der Ge-
schichte seiner Kindheit ein messianischer Zuschnitt gege-
ben wurde 28).

Blicken wir von hier noch einmal auf die Erzählung
des Lukas, Kap. 2., zurück, so weit sie der unsrigen par-
allel läuft: so haben wir schon gesehen, daſs die unsrige
das von Lukas Erzählte nicht als früher Vorgefallenes vor-
aussezt; noch weniger kann das Umgekehrte stattfinden,
daſs die Magier vor den Hirten gekommen wären: es fragt
sich also, ob nicht vielleicht beide Berichte dasselbe dar-
stellen wollen, nur daſs sie dieſs auf verschiedene Weise
thun? Auf dem älteren orthodoxen Standpunkte, welcher
den Stern bei Matthäus als einen Engel zu fassen geneigt
war, lag es nahe, denselben mit dem Engel bei Lukas in
der Art zu identificiren, daſs der in der Geburtsnacht Jesu
den bethlehemitischen Hirten erschienene Engel von den
Magiern in der Ferne für einen über Judäa stehenden
Stern gehalten worden sein sollte 29), so daſs beide Be-
richte im Wesentlichen richtig wären. Neuerlich hat man
nur Einen, und zwar den des Lukas, als den richtigen
vorausgesezt, den des Matthäus aber als ausgeschmückte
Umbildung von jenem dargestellt. Aus dem Engel im himm-
lischen Glanze bei Lukas soll in der umbildenden Erzäh-
lung der Matthäustradition ein Stern geworden sein, wie
die Begriffe von Engeln und Sternen in der höheren jü-
dischen Theologie zusammenfloſsen; die Hirten aber sollen
zu königlichen Weisen umgebildet worden sein, wie ja die

28) Auch Schleiermacher, über den Lukas, S. 47, erklärt die Er-
zählung von den Magiern u. s. w. für eine symbolische; da
er es aber verschmäht, auf die hiehergehörigen A. T.lichen
u. a. Stellen Rücksicht zu nehmen, so rächt sich diess da-
durch, dass er in der Deutung der Erzählung theils im All-
gemeinen stehen bleibt, theils in's Schiefe geräth.
29) So Lightfoot, horae p. 202.
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[253/0277] Viertes Kapitel. §. 32. Eindruck war, den Jesus hinterlieſs, da selbst der Ge- schichte seiner Kindheit ein messianischer Zuschnitt gege- ben wurde 28). Blicken wir von hier noch einmal auf die Erzählung des Lukas, Kap. 2., zurück, so weit sie der unsrigen par- allel läuft: so haben wir schon gesehen, daſs die unsrige das von Lukas Erzählte nicht als früher Vorgefallenes vor- aussezt; noch weniger kann das Umgekehrte stattfinden, daſs die Magier vor den Hirten gekommen wären: es fragt sich also, ob nicht vielleicht beide Berichte dasselbe dar- stellen wollen, nur daſs sie dieſs auf verschiedene Weise thun? Auf dem älteren orthodoxen Standpunkte, welcher den Stern bei Matthäus als einen Engel zu fassen geneigt war, lag es nahe, denselben mit dem Engel bei Lukas in der Art zu identificiren, daſs der in der Geburtsnacht Jesu den bethlehemitischen Hirten erschienene Engel von den Magiern in der Ferne für einen über Judäa stehenden Stern gehalten worden sein sollte 29), so daſs beide Be- richte im Wesentlichen richtig wären. Neuerlich hat man nur Einen, und zwar den des Lukas, als den richtigen vorausgesezt, den des Matthäus aber als ausgeschmückte Umbildung von jenem dargestellt. Aus dem Engel im himm- lischen Glanze bei Lukas soll in der umbildenden Erzäh- lung der Matthäustradition ein Stern geworden sein, wie die Begriffe von Engeln und Sternen in der höheren jü- dischen Theologie zusammenfloſsen; die Hirten aber sollen zu königlichen Weisen umgebildet worden sein, wie ja die 28) Auch Schleiermacher, über den Lukas, S. 47, erklärt die Er- zählung von den Magiern u. s. w. für eine symbolische; da er es aber verschmäht, auf die hiehergehörigen A. T.lichen u. a. Stellen Rücksicht zu nehmen, so rächt sich diess da- durch, dass er in der Deutung der Erzählung theils im All- gemeinen stehen bleibt, theils in's Schiefe geräth. 29) So Lightfoot, horae p. 202.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/277>, abgerufen am 22.11.2024.