Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.Fünftes Kapitel. §. 37. de von Moses angenommen, dass er im zwölften Jahre ausdem Hause seines Vaters getreten sei, um unabhängiges Organ der göttlichen Offenbarungen zu werden 5); Sa- muel, von welchem im A. T. unbestimmt gelassen war, wie frühe ihm die Gabe der Prophetie mitgetheilt worden sei, sollte nach der späteren Tradition vom 12ten Jahr an geweissagt haben 6), und ebenso sollte von Salomo der weise Urtheilsspruch (1. Kön. 3, 23. ff.) schon im 12ten Jahre gefällt worden sein 7). War bei diesen A. T.lichen Heroen der gemeinen Vorstellung zufolge der Geist, wel- cher sie trieb, im 12ten Lebensjahr zuerst in selbstthäti- gen Äusserungen hervorgetreten: so kann er, dachte man, bei Jesu auch nicht länger verborgen gewesen sein, und wenn Samuel sich in jenem Alter schon in seiner späteren Eigenschaft als gottbegeisterten Propheten, Salomo in der eines weisen Regenten gezeigt hatte: so musste sich Jesus ebenso schon damals in der Rolle gezeigt haben, welche ihm später eigenthümlich war, als Sohn Gottes und Leh- rer der Menschheit. Und wenn es bis daher das sichtbare Streben unsrer Relation bei Lukas war, keinen Knoten- punkt in der ersten Lebenszeit Jesu zu übergehen, ohne ihn mit göttlichem Glanze, mit bedeutsamen Vorzeichen des Künftigen zu umkleiden, wie er seine Geburt in die- sem Style behandelt, die Beschneidung wenigstens auf be- deutungsvolle Weise genannt, ganz besonders aber die Dar- stellung im Tempel in diesem Sinne benüzt hatte: so blieb ihm der jüdischen Sitte zufolge noch Ein Zeitpunkt, das zwölfte Jahr mit der ersten Festreise; wie konnte er an- 5) Schemoth R. V. f. 94, 4. bei Wetstein: Dixit R. Chama: Moses duodenarius avulsus est a domo patris sui etc. 6) Joseph. Antiq. 5, 10, 4: Samouelos de peplerokos etos ede dodekaton, proepheteue. 7) Ignat. ep. interp. ad Magnes. c. 3: Solomon de -- dode- kaetes basileusas ten phoberan ekeinen kai duserm[e]neu- ton epi tais gunaixi krisin eneka ton paidion epoiesato. 19*
Fünftes Kapitel. §. 37. de von Moses angenommen, daſs er im zwölften Jahre ausdem Hause seines Vaters getreten sei, um unabhängiges Organ der göttlichen Offenbarungen zu werden 5); Sa- muel, von welchem im A. T. unbestimmt gelassen war, wie frühe ihm die Gabe der Prophetie mitgetheilt worden sei, sollte nach der späteren Tradition vom 12ten Jahr an geweissagt haben 6), und ebenso sollte von Salomo der weise Urtheilsspruch (1. Kön. 3, 23. ff.) schon im 12ten Jahre gefällt worden sein 7). War bei diesen A. T.lichen Heroën der gemeinen Vorstellung zufolge der Geist, wel- cher sie trieb, im 12ten Lebensjahr zuerst in selbstthäti- gen Äusserungen hervorgetreten: so kann er, dachte man, bei Jesu auch nicht länger verborgen gewesen sein, und wenn Samuel sich in jenem Alter schon in seiner späteren Eigenschaft als gottbegeisterten Propheten, Salomo in der eines weisen Regenten gezeigt hatte: so muſste sich Jesus ebenso schon damals in der Rolle gezeigt haben, welche ihm später eigenthümlich war, als Sohn Gottes und Leh- rer der Menschheit. Und wenn es bis daher das sichtbare Streben unsrer Relation bei Lukas war, keinen Knoten- punkt in der ersten Lebenszeit Jesu zu übergehen, ohne ihn mit göttlichem Glanze, mit bedeutsamen Vorzeichen des Künftigen zu umkleiden, wie er seine Geburt in die- sem Style behandelt, die Beschneidung wenigstens auf be- deutungsvolle Weise genannt, ganz besonders aber die Dar- stellung im Tempel in diesem Sinne benüzt hatte: so blieb ihm der jüdischen Sitte zufolge noch Ein Zeitpunkt, das zwölfte Jahr mit der ersten Festreise; wie konnte er an- 5) Schemoth R. V. f. 94, 4. bei Wetstein: Dixit R. Chama: Moses duodenarius avulsus est a domo patris sui etc. 6) Joseph. Antiq. 5, 10, 4: Σαμούηλος δε πεπληρωκὼς ἔτος ἤδη δωδέκατον, προεφήτευε. 7) Ignat. ep. interp. ad Magnes. c. 3: Σολομῶν δὲ — δωδε- καετὴς βασιλεύσας τὴν φοβερὰν ἐκείνην καὶ δυσερμ[ή]νευ- τον ἐπὶ ταῖς γυναιξὶ κρίσιν ἕνεκα τῶν παιδίων ἐποιήσατο. 19*
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Fünftes Kapitel. §. 37.
de von Moses angenommen, daſs er im zwölften Jahre aus
dem Hause seines Vaters getreten sei, um unabhängiges
Organ der göttlichen Offenbarungen zu werden 5); Sa-
muel, von welchem im A. T. unbestimmt gelassen war,
wie frühe ihm die Gabe der Prophetie mitgetheilt worden
sei, sollte nach der späteren Tradition vom 12ten Jahr an
geweissagt haben 6), und ebenso sollte von Salomo der
weise Urtheilsspruch (1. Kön. 3, 23. ff.) schon im 12ten
Jahre gefällt worden sein 7). War bei diesen A. T.lichen
Heroën der gemeinen Vorstellung zufolge der Geist, wel-
cher sie trieb, im 12ten Lebensjahr zuerst in selbstthäti-
gen Äusserungen hervorgetreten: so kann er, dachte man,
bei Jesu auch nicht länger verborgen gewesen sein, und
wenn Samuel sich in jenem Alter schon in seiner späteren
Eigenschaft als gottbegeisterten Propheten, Salomo in der
eines weisen Regenten gezeigt hatte: so muſste sich Jesus
ebenso schon damals in der Rolle gezeigt haben, welche
ihm später eigenthümlich war, als Sohn Gottes und Leh-
rer der Menschheit. Und wenn es bis daher das sichtbare
Streben unsrer Relation bei Lukas war, keinen Knoten-
punkt in der ersten Lebenszeit Jesu zu übergehen, ohne
ihn mit göttlichem Glanze, mit bedeutsamen Vorzeichen
des Künftigen zu umkleiden, wie er seine Geburt in die-
sem Style behandelt, die Beschneidung wenigstens auf be-
deutungsvolle Weise genannt, ganz besonders aber die Dar-
stellung im Tempel in diesem Sinne benüzt hatte: so blieb
ihm der jüdischen Sitte zufolge noch Ein Zeitpunkt, das
zwölfte Jahr mit der ersten Festreise; wie konnte er an-
5) Schemoth R. V. f. 94, 4. bei Wetstein: Dixit R. Chama:
Moses duodenarius avulsus est a domo patris sui etc.
6) Joseph. Antiq. 5, 10, 4: Σαμούηλος δε πεπληρωκὼς ἔτος
ἤδη δωδέκατον, προεφήτευε.
7) Ignat. ep. interp. ad Magnes. c. 3: Σολομῶν δὲ — δωδε-
καετὴς βασιλεύσας τὴν φοβερὰν ἐκείνην καὶ δυσερμήνευ-
τον ἐπὶ ταῖς γυναιξὶ κρίσιν ἕνεκα τῶν παιδίων ἐποιήσατο.
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