senern im Zusammenhang, wurde nach der Angabe des Lukas (3, 2.) durch ein an ihn in der Wüste ergehendes Rema theou aufgefordert, öffentlich hervorzutreten. Da wir hier in keinem Falle mehr die eigne Erklärung des Täu- fers vor uns haben, so ist das Dilemma, wie es Paulus stellt, man könne nicht wissen, ob sich Johannes selbst ein äusseres oder inneres Faktum als Aufforderung Gottes gedeutet, oder ob ein Anderer ihn so aufgerufen habe 2), nicht vollständig, und es muss als dritte Möglichkeit hin- zugesezt werden, dass vielleicht seine Anhänger die Beru- fung ihres Lehrers durch jenen an die alten Propheten er- innernden Ausdruck verherrlicht haben.
Während es nach der Darstellung des Lukas scheint, als wäre nur der göttliche Ruf an den Täufer en te eremo ergangen, zum Behuf des Lehrens und Taufens aber habe er sich von da in die perikhoros tou Iordanou begeben (V. 3.): so macht Matthäus (3, 1. ff.) die jüdische Wüste selbst zum Schauplaz der Predigt und Taufe des Johannes, wie wenn der Jordan, in welchem er taufte, durch jene Wüste geflossen wäre. Nun floss dieser zwar nach Josephus vor seinem Einfall in das todte Meer allerdings durch pollen eremian 3), was aber nicht die eigentliche Wüste Juda war, welche weiter südlich lag. Desswegen hat man hier einen Fehler des ersten Evangelisten finden wollen, wel- cher, verführt durch die Beziehung der Weissagung: phone boontos en te eremo auf den, aus der eremos tes Ioudaias stammenden Johannes auch seine Thätigkeit als Busspredi- ger und Täufer dorthin verlegt habe, deren Schauplaz doch das blühende Jordanthal gewesen sei 5). Sieht man indess 4)
2) a. a. O. S. 347.
3) Bell. jud. 3, 10, 7.
5)Schneckenburger, a. a. O. S. 38 f.
4) s. Winer, bibl. Realwörterbuch, d. A. Wüste. Schnecken- burger, über den Ursprung des ersten kanonischen Evange- liums, S. 39.
Zweiter Abschnitt.
senern im Zusammenhang, wurde nach der Angabe des Lukas (3, 2.) durch ein an ihn in der Wüste ergehendes ῥῆμα ϑεοῦ aufgefordert, öffentlich hervorzutreten. Da wir hier in keinem Falle mehr die eigne Erklärung des Täu- fers vor uns haben, so ist das Dilemma, wie es Paulus stellt, man könne nicht wissen, ob sich Johannes selbst ein äusseres oder inneres Faktum als Aufforderung Gottes gedeutet, oder ob ein Anderer ihn so aufgerufen habe 2), nicht vollständig, und es muſs als dritte Möglichkeit hin- zugesezt werden, daſs vielleicht seine Anhänger die Beru- fung ihres Lehrers durch jenen an die alten Propheten er- innernden Ausdruck verherrlicht haben.
Während es nach der Darstellung des Lukas scheint, als wäre nur der göttliche Ruf an den Täufer ἐν τῇ ἐρήμῳ ergangen, zum Behuf des Lehrens und Taufens aber habe er sich von da in die περίχωρος τοῦ Ἰορδάνου begeben (V. 3.): so macht Matthäus (3, 1. ff.) die jüdische Wüste selbst zum Schauplaz der Predigt und Taufe des Johannes, wie wenn der Jordan, in welchem er taufte, durch jene Wüste geflossen wäre. Nun floſs dieser zwar nach Josephus vor seinem Einfall in das todte Meer allerdings durch πολλὴν ἐρημίαν 3), was aber nicht die eigentliche Wüste Juda war, welche weiter südlich lag. Deſswegen hat man hier einen Fehler des ersten Evangelisten finden wollen, wel- cher, verführt durch die Beziehung der Weissagung: φωνὴ βοῶντος ἐν τῇ ἐρήμῳ auf den, aus der ἔρημος τῆς Ἰουδαίας stammenden Johannes auch seine Thätigkeit als Buſspredi- ger und Täufer dorthin verlegt habe, deren Schauplaz doch das blühende Jordanthal gewesen sei 5). Sieht man indeſs 4)
2) a. a. O. S. 347.
3) Bell. jud. 3, 10, 7.
5)Schneckenburger, a. a. O. S. 38 f.
4) s. Winer, bibl. Realwörterbuch, d. A. Wüste. Schnecken- burger, über den Ursprung des ersten kanonischen Evange- liums, S. 39.
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Zweiter Abschnitt.
senern im Zusammenhang, wurde nach der Angabe des
Lukas (3, 2.) durch ein an ihn in der Wüste ergehendes
ῥῆμα ϑεοῦ aufgefordert, öffentlich hervorzutreten. Da wir
hier in keinem Falle mehr die eigne Erklärung des Täu-
fers vor uns haben, so ist das Dilemma, wie es Paulus
stellt, man könne nicht wissen, ob sich Johannes selbst
ein äusseres oder inneres Faktum als Aufforderung Gottes
gedeutet, oder ob ein Anderer ihn so aufgerufen habe 2),
nicht vollständig, und es muſs als dritte Möglichkeit hin-
zugesezt werden, daſs vielleicht seine Anhänger die Beru-
fung ihres Lehrers durch jenen an die alten Propheten er-
innernden Ausdruck verherrlicht haben.
Während es nach der Darstellung des Lukas scheint,
als wäre nur der göttliche Ruf an den Täufer ἐν τῇ ἐρήμῳ
ergangen, zum Behuf des Lehrens und Taufens aber habe
er sich von da in die περίχωρος τοῦ Ἰορδάνου begeben (V. 3.):
so macht Matthäus (3, 1. ff.) die jüdische Wüste selbst
zum Schauplaz der Predigt und Taufe des Johannes, wie
wenn der Jordan, in welchem er taufte, durch jene Wüste
geflossen wäre. Nun floſs dieser zwar nach Josephus vor
seinem Einfall in das todte Meer allerdings durch πολλὴν
ἐρημίαν 3), was aber nicht die eigentliche Wüste Juda
war, welche weiter südlich lag. Deſswegen hat man hier
einen Fehler des ersten Evangelisten finden wollen, wel-
cher, verführt durch die Beziehung der Weissagung: φωνὴ
βοῶντος ἐν τῇ ἐρήμῳ auf den, aus der ἔρημος τῆς Ἰουδαίας
stammenden Johannes auch seine Thätigkeit als Buſspredi-
ger und Täufer dorthin verlegt habe, deren Schauplaz doch
das blühende Jordanthal gewesen sei 5). Sieht man indeſs
4)
2) a. a. O. S. 347.
3) Bell. jud. 3, 10, 7.
5) Schneckenburger, a. a. O. S. 38 f.
4) s. Winer, bibl. Realwörterbuch, d. A. Wüste. Schnecken-
burger, über den Ursprung des ersten kanonischen Evange-
liums, S. 39.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/344>, abgerufen am 24.11.2024.
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