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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.

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Erstes Kapitel. §. 41.
ich nicht so bestimmt, wie Cludius 18), es unwahrschein-
lich finden, dass ein so junger Bussprediger hätte Eindruck
machen und namentlich für einen Propheten aus der alten
Zeit, für einen Elias, gehalten werden können: sondern
nur auf das Allgemeine will ich mich berufen, dass es
nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge natürlich ist, den
um ein Ziemliches früher zu öffentlicher Wirksamkeit Her-
vorgetretenen auch als den um so viel Älteren zu präsu-
miren, zumal, wenn Inhalt und Geist seiner Wirksam-
keit so ganz einem reiferen Alter entsprechen, wie die
Busspredigt des Johannes. Von dieser Regel giebt es zwar
nicht wenige Ausnahmen: aber zur Annahme einer solchen
im gegenwärtigen Falle uns zu bewegen, ist die Angabe
Luc. 1, 26., dass Johannes nur um 6 Monate älter gewe-
sen als Jesus, zu schwach, da sie ganz nur im Interesse
der Sagenpoesie gemacht ist, und daher gegen die mindeste
Unwahrscheinlichkeit aufgegeben werden muss.

Das Resultat unsrer Kritik der chronologischen Angabe
Luc. 3, 1. 2. vergl. 23. und 1, 26. ist also: Wenn Jesus, wie
diess die Meinung des Lukas zu sein scheint, im funfzehnten
Jahre des Tiberius aufgetreten ist: so fällt der Auftritt
des Johannes nicht ebenfalls erst in dieses Jahr, sondern
früher, und wenn Jesus in seinem dreissigsten Jahre auf-
getreten ist: so ist der längere Zeit vor ihm aufgetretene
Täufer nicht blos um sechs Monate älter zu denken.

§. 41.
Persönliches und reales Verhältniss des Täufers zu Jesu.

Johannes, wie unsre Quellen andeuten, ein Nasiräer
(Luc. 1, 15.) und Ascet (Matth. 3, 4. 9, 14. 11, 18.),
wie manche Theologen vermuthet haben 1), auch mit Es-

18) a. a. O.
1) Stäudlin, Geschichte der Sittenlehre Jesu, 1, S. 580. Paulus
exeg. Handb. 1, a, S. 136. Vergl. auch Creuzer, Symbolik,
4, S. 413 ff.

Erstes Kapitel. §. 41.
ich nicht so bestimmt, wie Cludius 18), es unwahrschein-
lich finden, daſs ein so junger Buſsprediger hätte Eindruck
machen und namentlich für einen Propheten aus der alten
Zeit, für einen Elias, gehalten werden können: sondern
nur auf das Allgemeine will ich mich berufen, daſs es
nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge natürlich ist, den
um ein Ziemliches früher zu öffentlicher Wirksamkeit Her-
vorgetretenen auch als den um so viel Älteren zu präsu-
miren, zumal, wenn Inhalt und Geist seiner Wirksam-
keit so ganz einem reiferen Alter entsprechen, wie die
Buſspredigt des Johannes. Von dieser Regel giebt es zwar
nicht wenige Ausnahmen: aber zur Annahme einer solchen
im gegenwärtigen Falle uns zu bewegen, ist die Angabe
Luc. 1, 26., daſs Johannes nur um 6 Monate älter gewe-
sen als Jesus, zu schwach, da sie ganz nur im Interesse
der Sagenpoësie gemacht ist, und daher gegen die mindeste
Unwahrscheinlichkeit aufgegeben werden muſs.

Das Resultat unsrer Kritik der chronologischen Angabe
Luc. 3, 1. 2. vergl. 23. und 1, 26. ist also: Wenn Jesus, wie
dieſs die Meinung des Lukas zu sein scheint, im funfzehnten
Jahre des Tiberius aufgetreten ist: so fällt der Auftritt
des Johannes nicht ebenfalls erst in dieses Jahr, sondern
früher, und wenn Jesus in seinem dreiſsigsten Jahre auf-
getreten ist: so ist der längere Zeit vor ihm aufgetretene
Täufer nicht blos um sechs Monate älter zu denken.

§. 41.
Persönliches und reales Verhältniss des Täufers zu Jesu.

Johannes, wie unsre Quellen andeuten, ein Nasiräer
(Luc. 1, 15.) und Ascet (Matth. 3, 4. 9, 14. 11, 18.),
wie manche Theologen vermuthet haben 1), auch mit Es-

18) a. a. O.
1) Stäudlin, Geschichte der Sittenlehre Jesu, 1, S. 580. Paulus
exeg. Handb. 1, a, S. 136. Vergl. auch Creuzer, Symbolik,
4, S. 413 ff.
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[319/0343] Erstes Kapitel. §. 41. ich nicht so bestimmt, wie Cludius 18), es unwahrschein- lich finden, daſs ein so junger Buſsprediger hätte Eindruck machen und namentlich für einen Propheten aus der alten Zeit, für einen Elias, gehalten werden können: sondern nur auf das Allgemeine will ich mich berufen, daſs es nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge natürlich ist, den um ein Ziemliches früher zu öffentlicher Wirksamkeit Her- vorgetretenen auch als den um so viel Älteren zu präsu- miren, zumal, wenn Inhalt und Geist seiner Wirksam- keit so ganz einem reiferen Alter entsprechen, wie die Buſspredigt des Johannes. Von dieser Regel giebt es zwar nicht wenige Ausnahmen: aber zur Annahme einer solchen im gegenwärtigen Falle uns zu bewegen, ist die Angabe Luc. 1, 26., daſs Johannes nur um 6 Monate älter gewe- sen als Jesus, zu schwach, da sie ganz nur im Interesse der Sagenpoësie gemacht ist, und daher gegen die mindeste Unwahrscheinlichkeit aufgegeben werden muſs. Das Resultat unsrer Kritik der chronologischen Angabe Luc. 3, 1. 2. vergl. 23. und 1, 26. ist also: Wenn Jesus, wie dieſs die Meinung des Lukas zu sein scheint, im funfzehnten Jahre des Tiberius aufgetreten ist: so fällt der Auftritt des Johannes nicht ebenfalls erst in dieses Jahr, sondern früher, und wenn Jesus in seinem dreiſsigsten Jahre auf- getreten ist: so ist der längere Zeit vor ihm aufgetretene Täufer nicht blos um sechs Monate älter zu denken. §. 41. Persönliches und reales Verhältniss des Täufers zu Jesu. Johannes, wie unsre Quellen andeuten, ein Nasiräer (Luc. 1, 15.) und Ascet (Matth. 3, 4. 9, 14. 11, 18.), wie manche Theologen vermuthet haben 1), auch mit Es- 18) a. a. O. 1) Stäudlin, Geschichte der Sittenlehre Jesu, 1, S. 580. Paulus exeg. Handb. 1, a, S. 136. Vergl. auch Creuzer, Symbolik, 4, S. 413 ff.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/343>, abgerufen am 24.11.2024.