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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.

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Erstes Kapitel. §. 41.
ter andern Bildern, für die messianische Zeit vorhergesagt
hatten (Malach. 3, 2. 3. Zachar. 13, 9.). Hier stellen nun
die Synoptiker die Sache so, als ob der Täufer unter die-
sem messianischen Individuum bestimmt schon Jesum von
Nazaret verstanden hätte. Nach Lukas waren ja die Müt-
ter der beiden Männer verwandt und von dem künftigen
Verhältniss ihrer Söhne unterrichtet; schon in Mutterleibe
hatte sich der Täufer Jesu entgegenbewegt, und es ist da-
her, wie hier die Sache eingeleitet ist, vorauszusetzen,
dass beide schon frühzeitig sich in ihrem durch himmlische
Mittheilung vorherbestimmten Verhältniss kennen gelernt
und anerkannt haben. Matthäus zwar berichtet über sol-
che Familienverhältnisse zwischen Johannes und Jesus nichts;
doch legt er, wie sich Jesus taufen lassen will, dem Jo-
hannes Ausdrücke in den Mund, welche eine frühere Be-
kanntschaft beider vorauszusetzen schei[nen]. Denn sein Be-
fremden äussern, dass Jesus zu ihm komme, da doch er
vielmehr nöthig hätte, von ihm getauft zu werden, diess
konnte Johannes nicht, wenn ihm Jesus nicht entweder
früher schon bekannt gewesen, oder im Augenblick durch
eine Offenbarung bekannt gemacht worden war; wovon
das Letztere durch nichts angedeutet ist; das sichtbare
Zeichen der Messianität Jesu wenigstens erfolgt erst nach-
her. Stimmen so das erste und dritte Evangelium (das
zweite behandelt die Sache zu epitomirend, als dass seine
Ansicht in dieser Beziehung klar werden könnte) darin
überein, dass Johannes und Jesus einander schon vor der
Taufe nicht fremd gewesen: so behauptet im vierten der
Täufer ausdrücklich, Jesum vor der himmlischen Erschei-
nung, welche den Synoptikern zufolge bei seiner Taufe
sich ereignete, nicht gekannt zu haben (1, 31. 33.). Ein-
fach die Sache angesehen, erscheint diess als ein Wider-
spruch, und weil die frühere Bekanntschaft beider Män-
ner bei Lukas als der objektive Thatbestand, und bei Mat-
thäus als unwillkührliches Eingeständniss des überraschten

Erstes Kapitel. §. 41.
ter andern Bildern, für die messianische Zeit vorhergesagt
hatten (Malach. 3, 2. 3. Zachar. 13, 9.). Hier stellen nun
die Synoptiker die Sache so, als ob der Täufer unter die-
sem messianischen Individuum bestimmt schon Jesum von
Nazaret verstanden hätte. Nach Lukas waren ja die Müt-
ter der beiden Männer verwandt und von dem künftigen
Verhältniſs ihrer Söhne unterrichtet; schon in Mutterleibe
hatte sich der Täufer Jesu entgegenbewegt, und es ist da-
her, wie hier die Sache eingeleitet ist, vorauszusetzen,
daſs beide schon frühzeitig sich in ihrem durch himmlische
Mittheilung vorherbestimmten Verhältniſs kennen gelernt
und anerkannt haben. Matthäus zwar berichtet über sol-
che Familienverhältnisse zwischen Johannes und Jesus nichts;
doch legt er, wie sich Jesus taufen lassen will, dem Jo-
hannes Ausdrücke in den Mund, welche eine frühere Be-
kanntschaft beider vorauszusetzen schei[nen]. Denn sein Be-
fremden äussern, daſs Jesus zu ihm komme, da doch er
vielmehr nöthig hätte, von ihm getauft zu werden, dieſs
konnte Johannes nicht, wenn ihm Jesus nicht entweder
früher schon bekannt gewesen, oder im Augenblick durch
eine Offenbarung bekannt gemacht worden war; wovon
das Letztere durch nichts angedeutet ist; das sichtbare
Zeichen der Messianität Jesu wenigstens erfolgt erst nach-
her. Stimmen so das erste und dritte Evangelium (das
zweite behandelt die Sache zu epitomirend, als daſs seine
Ansicht in dieser Beziehung klar werden könnte) darin
überein, daſs Johannes und Jesus einander schon vor der
Taufe nicht fremd gewesen: so behauptet im vierten der
Täufer ausdrücklich, Jesum vor der himmlischen Erschei-
nung, welche den Synoptikern zufolge bei seiner Taufe
sich ereignete, nicht gekannt zu haben (1, 31. 33.). Ein-
fach die Sache angesehen, erscheint dieſs als ein Wider-
spruch, und weil die frühere Bekanntschaft beider Män-
ner bei Lukas als der objektive Thatbestand, und bei Mat-
thäus als unwillkührliches Eingeständniſs des überraschten

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[325/0349] Erstes Kapitel. §. 41. ter andern Bildern, für die messianische Zeit vorhergesagt hatten (Malach. 3, 2. 3. Zachar. 13, 9.). Hier stellen nun die Synoptiker die Sache so, als ob der Täufer unter die- sem messianischen Individuum bestimmt schon Jesum von Nazaret verstanden hätte. Nach Lukas waren ja die Müt- ter der beiden Männer verwandt und von dem künftigen Verhältniſs ihrer Söhne unterrichtet; schon in Mutterleibe hatte sich der Täufer Jesu entgegenbewegt, und es ist da- her, wie hier die Sache eingeleitet ist, vorauszusetzen, daſs beide schon frühzeitig sich in ihrem durch himmlische Mittheilung vorherbestimmten Verhältniſs kennen gelernt und anerkannt haben. Matthäus zwar berichtet über sol- che Familienverhältnisse zwischen Johannes und Jesus nichts; doch legt er, wie sich Jesus taufen lassen will, dem Jo- hannes Ausdrücke in den Mund, welche eine frühere Be- kanntschaft beider vorauszusetzen scheinen. Denn sein Be- fremden äussern, daſs Jesus zu ihm komme, da doch er vielmehr nöthig hätte, von ihm getauft zu werden, dieſs konnte Johannes nicht, wenn ihm Jesus nicht entweder früher schon bekannt gewesen, oder im Augenblick durch eine Offenbarung bekannt gemacht worden war; wovon das Letztere durch nichts angedeutet ist; das sichtbare Zeichen der Messianität Jesu wenigstens erfolgt erst nach- her. Stimmen so das erste und dritte Evangelium (das zweite behandelt die Sache zu epitomirend, als daſs seine Ansicht in dieser Beziehung klar werden könnte) darin überein, daſs Johannes und Jesus einander schon vor der Taufe nicht fremd gewesen: so behauptet im vierten der Täufer ausdrücklich, Jesum vor der himmlischen Erschei- nung, welche den Synoptikern zufolge bei seiner Taufe sich ereignete, nicht gekannt zu haben (1, 31. 33.). Ein- fach die Sache angesehen, erscheint dieſs als ein Wider- spruch, und weil die frühere Bekanntschaft beider Män- ner bei Lukas als der objektive Thatbestand, und bei Mat- thäus als unwillkührliches Eingeständniſs des überraschten

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/349>, abgerufen am 24.11.2024.