Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.Zweiter Abschnitt. Praxis überein, welche sich namentlich aus der Rücksichtauf das Verhältniss seines Volks zu den Römern erklärt; überdiess liegt in dem Ausdruck: baptismo sunienai, wel- chen er gebraucht, in dem susrephesthai der Leute, und der Furcht des Antipas vor einer durch Johannes zu bewir- kenden aposasis, wovon er weiterhin spricht, ganz die Andeutung einer solchen religiöspolitischen Vereinigung, wie sie durch messianische Hoffnungen gebildet werden konnte. Wie der Täufer so bestimmt erklären konnte, dass wirklich das Messiasreich nun vor der Thüre sei, darüber könnte man sich verwundern, und, nicht beruhigt durch die Verweisung des Lukas auf eine göttliche Auf- forderung und Offenbarung, der Vermuthung nachgeben, dass vielleicht der christliche Referent aus dem späteren Erfolg heraus, da ja nach Johannes wirklich derjenige auf- trat, welchen er für den Messias hielt, der Rede des Täu- fers eine Bestimmtheit gegeben habe, welche ursprünglich nicht in derselben lag, indem dieser nämlich, ganz adäquat der oben angeführten jüdischen Vorstellung, nur gesagt ha- ben könnte: metanoeite, ina elthe e bas. t. our., und erst die spätere Darstellung hätte statt des ina gar gesetzt. Doch dieser Annahme bedarf es nicht; leicht konnte ja Johannes in den damaligen bewegten Zeiten Merkmale zu entdecken glauben, welche ihm die Nähe des messianischen Reichs zu verbürgen schienen, -- und wie nahe es sei, das liess er ja immer unbestimmt. Den Eintritt der basileia ton ouranon knüpfte Johan- Zweiter Abschnitt. Praxis überein, welche sich namentlich aus der Rücksichtauf das Verhältniſs seines Volks zu den Römern erklärt; überdieſs liegt in dem Ausdruck: βαπτισμῷ συνιέναι, wel- chen er gebraucht, in dem συςρέφεσϑαι der Leute, und der Furcht des Antipas vor einer durch Johannes zu bewir- kenden ἀπόςασις, wovon er weiterhin spricht, ganz die Andeutung einer solchen religiöspolitischen Vereinigung, wie sie durch messianische Hoffnungen gebildet werden konnte. Wie der Täufer so bestimmt erklären konnte, daſs wirklich das Messiasreich nun vor der Thüre sei, darüber könnte man sich verwundern, und, nicht beruhigt durch die Verweisung des Lukas auf eine göttliche Auf- forderung und Offenbarung, der Vermuthung nachgeben, daſs vielleicht der christliche Referent aus dem späteren Erfolg heraus, da ja nach Johannes wirklich derjenige auf- trat, welchen er für den Messias hielt, der Rede des Täu- fers eine Bestimmtheit gegeben habe, welche ursprünglich nicht in derselben lag, indem dieser nämlich, ganz adäquat der oben angeführten jüdischen Vorstellung, nur gesagt ha- ben könnte: μετανοεῖτε, ἴνα ἔλϑῃ ἡ βασ. τ. οὐρ., und erst die spätere Darstellung hätte statt des ἴνα γὰρ gesetzt. Doch dieser Annahme bedarf es nicht; leicht konnte ja Johannes in den damaligen bewegten Zeiten Merkmale zu entdecken glauben, welche ihm die Nähe des messianischen Reichs zu verbürgen schienen, — und wie nahe es sei, das lieſs er ja immer unbestimmt. Den Eintritt der βασιλεία τῶν οὐρανῶν knüpfte Johan- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0348" n="324"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweiter Abschnitt</hi>.</fw><lb/> Praxis überein, welche sich namentlich aus der Rücksicht<lb/> auf das Verhältniſs seines Volks zu den Römern erklärt;<lb/> überdieſs liegt in dem Ausdruck: <foreign xml:lang="ell">βαπτισμῷ συνιέναι</foreign>, wel-<lb/> chen er gebraucht, in dem συςρέφεσϑαι der Leute, und der<lb/> Furcht des Antipas vor einer durch Johannes zu bewir-<lb/> kenden <foreign xml:lang="ell">ἀπόςασις</foreign>, wovon er weiterhin spricht, ganz die<lb/> Andeutung einer solchen religiöspolitischen Vereinigung,<lb/> wie sie durch messianische Hoffnungen gebildet werden<lb/> konnte. 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Zweiter Abschnitt.
Praxis überein, welche sich namentlich aus der Rücksicht
auf das Verhältniſs seines Volks zu den Römern erklärt;
überdieſs liegt in dem Ausdruck: βαπτισμῷ συνιέναι, wel-
chen er gebraucht, in dem συςρέφεσϑαι der Leute, und der
Furcht des Antipas vor einer durch Johannes zu bewir-
kenden ἀπόςασις, wovon er weiterhin spricht, ganz die
Andeutung einer solchen religiöspolitischen Vereinigung,
wie sie durch messianische Hoffnungen gebildet werden
konnte. Wie der Täufer so bestimmt erklären konnte,
daſs wirklich das Messiasreich nun vor der Thüre sei,
darüber könnte man sich verwundern, und, nicht beruhigt
durch die Verweisung des Lukas auf eine göttliche Auf-
forderung und Offenbarung, der Vermuthung nachgeben,
daſs vielleicht der christliche Referent aus dem späteren
Erfolg heraus, da ja nach Johannes wirklich derjenige auf-
trat, welchen er für den Messias hielt, der Rede des Täu-
fers eine Bestimmtheit gegeben habe, welche ursprünglich
nicht in derselben lag, indem dieser nämlich, ganz adäquat
der oben angeführten jüdischen Vorstellung, nur gesagt ha-
ben könnte: μετανοεῖτε, ἴνα ἔλϑῃ ἡ βασ. τ. οὐρ., und erst
die spätere Darstellung hätte statt des ἴνα γὰρ gesetzt.
Doch dieser Annahme bedarf es nicht; leicht konnte ja
Johannes in den damaligen bewegten Zeiten Merkmale zu
entdecken glauben, welche ihm die Nähe des messianischen
Reichs zu verbürgen schienen, — und wie nahe es sei,
das lieſs er ja immer unbestimmt.
Den Eintritt der βασιλεία τῶν οὐρανῶν knüpfte Johan-
nes unsern Evangelien zufolge an ein messianisches Indivi-
duum, welchem er, zum Unterschied von seiner Wasser-
taufe, ein βαπτίζειν πνεύματι ἁγίῳ καὶ πυρὶ zuschrieb (Matth.
3, 11. parallel.), da ja die Ausgiessung des heiligen Geistes
für einen Hauptzug der messianischen Zeiten galt (Joël 3,
1—5. A. G. 2, 16 ff.); von welchem er ferner eine, mit
dem Worfeln des Getraides vergleichbare Sichtung des
Volks erwartete, was auch die Propheten, wenn gleich un-
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