gelisten gegen Josephus festzuhalten sein, dessen Worte sich überdiess mit der N. T.lichen Angabe vereinigen las- sen, wenn man sie so fasst, dass durch die Johannistaufe nicht die Reinigung von einzelnen, zudem noch blos leviti- schen Unreinigkeiten, sondern des ganzen Menschen, und diese Reinigung nicht unmittelbar und mysteriös durch das Wasser, sondern durch Vermittlung des sittlichen Aktes der Besserung habe bewirkt werden sollen 13).
Eine weitere Differenz findet in Bezug auf das Verhält- niss statt, in welches die verschiedenen Nachrichten über Johannes seine Taufe zu der basileia ton ouranon stellen. Nach Matthäus war der kurze Inhalt der Aufforderung, welche er mit der Taufe verband, der: metanoeite; eggike gar e basileia ton ouranon (3, 2.); nach Lukas spricht der Täufer anfänglich nur von metanoia und aphesis amartion, aber von keinem Himmelreich, und erst die Vermuthung des Volkes, er möchte vielleicht selbst der Messias sein, veranlasst ihn, auf diesen, als nach ihm kommenden hinzu- weisen (3, 15 ff.); bei Josephus aber findet sich von einer Beziehung der Thätigkeit des Täufers auf die messianische Idee gar nichts. Auch hier jedoch darf man aus der Ab- weichung der Berichte nicht schliessen, der Täufer selbst habe sich in kein Verhältniss zum messianischen Reiche gestellt, und erst die christliche Sage habe ihm diess zu- geschrieben. Denn schon seine Taufe ist, sofern man die Ableitung aus der Proselytentaufe von der Hand weist, nicht recht erklärlich, wenn man nicht an die oben erwähn- te sühnende Lustration des Volkes denken darf, welche man in der messianischen Zeit erwartete; dann aber wird auch die Erscheinung Jesu begreiflicher, wenn schon Jo- hannes die Idee des nahen Messiasreichs auf die Bahn ge- bracht hatte. Dass Josephus die messianische Beziehung der Sache zurückstellt, stimmt ganz mit seiner sonstigen
13) So Paulus, a. a. O. S. 314 und 361. Anm.
21*
Erstes Kapitel. §. 41.
gelisten gegen Josephus festzuhalten sein, dessen Worte sich überdieſs mit der N. T.lichen Angabe vereinigen las- sen, wenn man sie so faſst, daſs durch die Johannistaufe nicht die Reinigung von einzelnen, zudem noch blos leviti- schen Unreinigkeiten, sondern des ganzen Menschen, und diese Reinigung nicht unmittelbar und mysteriös durch das Wasser, sondern durch Vermittlung des sittlichen Aktes der Besserung habe bewirkt werden sollen 13).
Eine weitere Differenz findet in Bezug auf das Verhält- niſs statt, in welches die verschiedenen Nachrichten über Johannes seine Taufe zu der βασιλεία τῶν οὐρανῶν stellen. Nach Matthäus war der kurze Inhalt der Aufforderung, welche er mit der Taufe verband, der: μετανοεῖτε· ἤγγικε γὰρ ἡ βασιλεία τῶν οὐρανῶν (3, 2.); nach Lukas spricht der Täufer anfänglich nur von μετάνοια und ἄφεσις ἁμαρτιῶν, aber von keinem Himmelreich, und erst die Vermuthung des Volkes, er möchte vielleicht selbst der Messias sein, veranlaſst ihn, auf diesen, als nach ihm kommenden hinzu- weisen (3, 15 ff.); bei Josephus aber findet sich von einer Beziehung der Thätigkeit des Täufers auf die messianische Idee gar nichts. Auch hier jedoch darf man aus der Ab- weichung der Berichte nicht schlieſsen, der Täufer selbst habe sich in kein Verhältniſs zum messianischen Reiche gestellt, und erst die christliche Sage habe ihm dieſs zu- geschrieben. Denn schon seine Taufe ist, sofern man die Ableitung aus der Proselytentaufe von der Hand weist, nicht recht erklärlich, wenn man nicht an die oben erwähn- te sühnende Lustration des Volkes denken darf, welche man in der messianischen Zeit erwartete; dann aber wird auch die Erscheinung Jesu begreiflicher, wenn schon Jo- hannes die Idee des nahen Messiasreichs auf die Bahn ge- bracht hatte. Daſs Josephus die messianische Beziehung der Sache zurückstellt, stimmt ganz mit seiner sonstigen
13) So Paulus, a. a. O. S. 314 und 361. Anm.
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Erstes Kapitel. §. 41.
gelisten gegen Josephus festzuhalten sein, dessen Worte
sich überdieſs mit der N. T.lichen Angabe vereinigen las-
sen, wenn man sie so faſst, daſs durch die Johannistaufe
nicht die Reinigung von einzelnen, zudem noch blos leviti-
schen Unreinigkeiten, sondern des ganzen Menschen, und
diese Reinigung nicht unmittelbar und mysteriös durch das
Wasser, sondern durch Vermittlung des sittlichen Aktes
der Besserung habe bewirkt werden sollen 13).
Eine weitere Differenz findet in Bezug auf das Verhält-
niſs statt, in welches die verschiedenen Nachrichten über
Johannes seine Taufe zu der βασιλεία τῶν οὐρανῶν stellen.
Nach Matthäus war der kurze Inhalt der Aufforderung,
welche er mit der Taufe verband, der: μετανοεῖτε· ἤγγικε
γὰρ ἡ βασιλεία τῶν οὐρανῶν (3, 2.); nach Lukas spricht der
Täufer anfänglich nur von μετάνοια und ἄφεσις ἁμαρτιῶν,
aber von keinem Himmelreich, und erst die Vermuthung
des Volkes, er möchte vielleicht selbst der Messias sein,
veranlaſst ihn, auf diesen, als nach ihm kommenden hinzu-
weisen (3, 15 ff.); bei Josephus aber findet sich von einer
Beziehung der Thätigkeit des Täufers auf die messianische
Idee gar nichts. Auch hier jedoch darf man aus der Ab-
weichung der Berichte nicht schlieſsen, der Täufer selbst
habe sich in kein Verhältniſs zum messianischen Reiche
gestellt, und erst die christliche Sage habe ihm dieſs zu-
geschrieben. Denn schon seine Taufe ist, sofern man die
Ableitung aus der Proselytentaufe von der Hand weist,
nicht recht erklärlich, wenn man nicht an die oben erwähn-
te sühnende Lustration des Volkes denken darf, welche
man in der messianischen Zeit erwartete; dann aber wird
auch die Erscheinung Jesu begreiflicher, wenn schon Jo-
hannes die Idee des nahen Messiasreichs auf die Bahn ge-
bracht hatte. Daſs Josephus die messianische Beziehung
der Sache zurückstellt, stimmt ganz mit seiner sonstigen
13) So Paulus, a. a. O. S. 314 und 361. Anm.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/347>, abgerufen am 24.11.2024.
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