Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.Erstes Kapitel. §. 41. von ihnen oder beide zu einer unrichtigen Darstellung ge-kommen sind. Nun steht bei Matthäus seiner Übereinstim- mung mit Johannes in dem bezeichneten Punkte nur die Stellung der Rede des Täufers entgegen, durch welche er Jesum von seiner Taufe zurückhalten will: nur weil je- ner, ehe irgend etwas Ausserordentliches erfolgt ist, so spricht, scheint eine vorangegangene Kenntniss Jesu in sei- ner Messianität vorausgesetzt zu werden. Wirklich stellt nun das Hebräerevangelium bei Epiphanius die Bitte des Johannes, dass Jesus vielmehr ihn taufen möchte, als Folge der himmlischen Erscheinung dar 19), und diese Darstel- lung hat man neuerlich für die ursprüngliche angesehen, welche der Verfasser unsres ersten Evangeliums abgekürzt habe, indem er zugleich, um die Sache effektvoller zu machen, schon bei dem ersten Nahen Jesu den Täufer sich weigern und jenen Ausspruch thun lasse 20). Allein, dass wir an der Relation des Hebräerevangeliums nicht die ursprüngliche Form dieser Erzählung besitzen, konnte schon die äusserst schleppende Wiederholung der Himmelsstimme sammt dem Auseinandergezogenen der ganzen Darstellung zeigen. Vielmehr ist sie ein sehr abgeleiteter Bericht, und die Stellung der Weigerung des Johannes nach der Er- scheinung und Stimme zwar keineswegs zu dem Ende vor- genommen, um den Widerspruch gegen das vierte Evan- gelium zu vermeiden, welches in dem Kreise jener ebioni- 19) Haeres. 30, 13: Kai os anelthen apo tou udatos, enoige- san oi ouranoi, kai eide to pneuma tou theou to agion en eidei periseras k. t. l. kai phone egeneto k. t. l. kai euthus perielampse ton topon phos mega. on idon, phesin, o Ioannes legei au' to; su tis ei, Kurie; kai palin phone k. t. l. kai tote, phesin, o Ioannes parapeson au' to elege; deomai sou Kurie, su me baptison. 20) Schneckenburger, über den Ursprung des ersten kanonischen
Evangeliums, S. 121 f. Lücke, Comm. z. Ev. Joh. 1, S. 361. Vergl. Usteri, über den Täufer Johannes u. s. w. Studien 2, 3. S. 446. Erstes Kapitel. §. 41. von ihnen oder beide zu einer unrichtigen Darstellung ge-kommen sind. Nun steht bei Matthäus seiner Übereinstim- mung mit Johannes in dem bezeichneten Punkte nur die Stellung der Rede des Täufers entgegen, durch welche er Jesum von seiner Taufe zurückhalten will: nur weil je- ner, ehe irgend etwas Ausserordentliches erfolgt ist, so spricht, scheint eine vorangegangene Kenntniſs Jesu in sei- ner Messianität vorausgesetzt zu werden. Wirklich stellt nun das Hebräerevangelium bei Epiphanius die Bitte des Johannes, daſs Jesus vielmehr ihn taufen möchte, als Folge der himmlischen Erscheinung dar 19), und diese Darstel- lung hat man neuerlich für die ursprüngliche angesehen, welche der Verfasser unsres ersten Evangeliums abgekürzt habe, indem er zugleich, um die Sache effektvoller zu machen, schon bei dem ersten Nahen Jesu den Täufer sich weigern und jenen Ausspruch thun lasse 20). Allein, daſs wir an der Relation des Hebräerevangeliums nicht die ursprüngliche Form dieser Erzählung besitzen, konnte schon die äusserst schleppende Wiederholung der Himmelsstimme sammt dem Auseinandergezogenen der ganzen Darstellung zeigen. Vielmehr ist sie ein sehr abgeleiteter Bericht, und die Stellung der Weigerung des Johannes nach der Er- scheinung und Stimme zwar keineswegs zu dem Ende vor- genommen, um den Widerspruch gegen das vierte Evan- gelium zu vermeiden, welches in dem Kreise jener ebioni- 19) Haeres. 30, 13: Καὶ ὡς ἀνῆλϑεν ἀπὸ τοῦ ὕδατος, ἠνοίγη- σαν οἱ οὐρανοὶ, καὶ εἶδε τὸ πνεῦμα τοῦ ϑεοῦ τὸ ἅγιον ἐν εϊδει περιςερᾶς κ. τ. λ. καὶ φωνὴ ἐγένετο κ. τ. λ. καὶ εὐϑὺς περιέλαμψε τὸν τόπον φῶς μέγα. ὅν ἰδών, φησιν, ὁ Ἰωάννης λέγει αυ' τῷ· σὺ τίς εἶ, Κύριε; καὶ πάλιν φωνὴ κ. τ. λ. καὶ τότε, φησὶν, ὁ Ἰωάννης παραπεσών αυ' τῷ ἔλεγε· δέομαί σου Κύριε, σύ με βάπτισον. 20) Schneckenburger, über den Ursprung des ersten kanonischen
Evangeliums, S. 121 f. Lücke, Comm. z. Ev. Joh. 1, S. 361. Vergl. Usteri, über den Täufer Johannes u. s. w. Studien 2, 3. S. 446. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0353" n="329"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Erstes Kapitel</hi>. §. 41.</fw><lb/> von ihnen oder beide zu einer unrichtigen Darstellung ge-<lb/> kommen sind. Nun steht bei Matthäus seiner Übereinstim-<lb/> mung mit Johannes in dem bezeichneten Punkte nur die<lb/> Stellung der Rede des Täufers entgegen, durch welche er<lb/> Jesum von seiner Taufe zurückhalten will: nur weil je-<lb/> ner, ehe irgend etwas Ausserordentliches erfolgt ist, so<lb/> spricht, scheint eine vorangegangene Kenntniſs Jesu in sei-<lb/> ner Messianität vorausgesetzt zu werden. Wirklich stellt<lb/> nun das Hebräerevangelium bei Epiphanius die Bitte des<lb/> Johannes, daſs Jesus vielmehr ihn taufen möchte, als Folge<lb/> der himmlischen Erscheinung dar <note place="foot" n="19)">Haeres. 30, 13: <foreign xml:lang="ell">Καὶ ὡς ἀνῆλϑεν ἀπὸ τοῦ ὕδατος, ἠνοίγη-<lb/> σαν οἱ οὐρανοὶ, καὶ εἶδε τὸ πνεῦμα τοῦ ϑεοῦ τὸ ἅγιον ἐν<lb/> εϊδει περιςερᾶς κ. τ. λ. καὶ φωνὴ ἐγένετο κ. τ. λ. καὶ<lb/> εὐϑὺς περιέλαμψε τὸν τόπον φῶς μέγα. ὅν ἰδών, φησιν,<lb/> ὁ Ἰωάννης λέγει αυ' τῷ· σὺ τίς εἶ, Κύριε; καὶ πάλιν<lb/> φωνὴ κ. τ. λ. καὶ τότε, φησὶν, ὁ Ἰωάννης παραπεσών<lb/> αυ' τῷ ἔλεγε· δέομαί σου Κύριε, σύ με βάπτισον.</foreign></note>, und diese Darstel-<lb/> lung hat man neuerlich für die ursprüngliche angesehen,<lb/> welche der Verfasser unsres ersten Evangeliums abgekürzt<lb/> habe, indem er zugleich, um die Sache effektvoller zu<lb/> machen, schon bei dem ersten Nahen Jesu den Täufer<lb/> sich weigern und jenen Ausspruch thun lasse <note place="foot" n="20)"><hi rendition="#k">Schneckenburger</hi>, über den Ursprung des ersten kanonischen<lb/> Evangeliums, S. 121 f. <hi rendition="#k">Lücke</hi>, Comm. z. Ev. Joh. 1, S. 361.<lb/> Vergl. <hi rendition="#k">Usteri</hi>, über den Täufer Johannes u. s. w. Studien<lb/> 2, 3. S. 446.</note>. Allein,<lb/> daſs wir an der Relation des Hebräerevangeliums nicht die<lb/> ursprüngliche Form dieser Erzählung besitzen, konnte schon<lb/> die äusserst schleppende Wiederholung der Himmelsstimme<lb/> sammt dem Auseinandergezogenen der ganzen Darstellung<lb/> zeigen. Vielmehr ist sie ein sehr abgeleiteter Bericht, und<lb/> die Stellung der Weigerung des Johannes nach der Er-<lb/> scheinung und Stimme zwar keineswegs zu dem Ende vor-<lb/> genommen, um den Widerspruch gegen das vierte Evan-<lb/> gelium zu vermeiden, welches in dem Kreise jener ebioni-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [329/0353]
Erstes Kapitel. §. 41.
von ihnen oder beide zu einer unrichtigen Darstellung ge-
kommen sind. Nun steht bei Matthäus seiner Übereinstim-
mung mit Johannes in dem bezeichneten Punkte nur die
Stellung der Rede des Täufers entgegen, durch welche er
Jesum von seiner Taufe zurückhalten will: nur weil je-
ner, ehe irgend etwas Ausserordentliches erfolgt ist, so
spricht, scheint eine vorangegangene Kenntniſs Jesu in sei-
ner Messianität vorausgesetzt zu werden. Wirklich stellt
nun das Hebräerevangelium bei Epiphanius die Bitte des
Johannes, daſs Jesus vielmehr ihn taufen möchte, als Folge
der himmlischen Erscheinung dar 19), und diese Darstel-
lung hat man neuerlich für die ursprüngliche angesehen,
welche der Verfasser unsres ersten Evangeliums abgekürzt
habe, indem er zugleich, um die Sache effektvoller zu
machen, schon bei dem ersten Nahen Jesu den Täufer
sich weigern und jenen Ausspruch thun lasse 20). Allein,
daſs wir an der Relation des Hebräerevangeliums nicht die
ursprüngliche Form dieser Erzählung besitzen, konnte schon
die äusserst schleppende Wiederholung der Himmelsstimme
sammt dem Auseinandergezogenen der ganzen Darstellung
zeigen. Vielmehr ist sie ein sehr abgeleiteter Bericht, und
die Stellung der Weigerung des Johannes nach der Er-
scheinung und Stimme zwar keineswegs zu dem Ende vor-
genommen, um den Widerspruch gegen das vierte Evan-
gelium zu vermeiden, welches in dem Kreise jener ebioni-
19) Haeres. 30, 13: Καὶ ὡς ἀνῆλϑεν ἀπὸ τοῦ ὕδατος, ἠνοίγη-
σαν οἱ οὐρανοὶ, καὶ εἶδε τὸ πνεῦμα τοῦ ϑεοῦ τὸ ἅγιον ἐν
εϊδει περιςερᾶς κ. τ. λ. καὶ φωνὴ ἐγένετο κ. τ. λ. καὶ
εὐϑὺς περιέλαμψε τὸν τόπον φῶς μέγα. ὅν ἰδών, φησιν,
ὁ Ἰωάννης λέγει αυ' τῷ· σὺ τίς εἶ, Κύριε; καὶ πάλιν
φωνὴ κ. τ. λ. καὶ τότε, φησὶν, ὁ Ἰωάννης παραπεσών
αυ' τῷ ἔλεγε· δέομαί σου Κύριε, σύ με βάπτισον.
20) Schneckenburger, über den Ursprung des ersten kanonischen
Evangeliums, S. 121 f. Lücke, Comm. z. Ev. Joh. 1, S. 361.
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