Sieg berechnetes Verfahren kommen, sondern der stille Weg, den Jesus gieng, musste ihm eben als der rechte, seiner Lammsbestimmung angemessene erscheinen. Auch so daher, wenn die Frage des Johannes eine blosse Auf- forderung enthielte, hätte der Täufer durch dieselbe sei- nen früheren Ansichten widersprochen. -- Aber die Frage kann diesen Sinn gar nicht haben. Den Worten nach ent- hält sie lauter Zweifel, und die Aufforderung muss man immer erst hineintragen. Wie sehr man dabei den Wor- ten Gewalt anthun muss, erhellt am besten aus der Um- deutung, welche Schleiermacher im Sinn dieser Erklärung mit denselben vornimmt. Die unentschiedene Frage: su ei o erkhomenos; verwandelt er in die entschiedene Vorausse- zung: du bist doch der da kommen soll, -- und die an- dere noch bedenklichere: e eteron prosdokomen; macht er vollends ganz unkenntlich, indem er sie so wendet: wor- auf sollen wir (da du ohnehin so grosse Dinge thust) noch warten, und soll nicht gleich Johannes mit seiner ganzen Auktorität Allen, die sich von ihm haben taufen lassen, durch uns befehlen, dir als Messias zu gehorchen und dei- ner Winke gewärtig zu sein 9)?
Ist es also mit allen diesen Ausflüchten nichts, so kehrt uns die ursprüngliche Auslegung zurück, die Frage als den Ausdruck einer in dem Täufer selbst entstandenen Unge- wissheit über Jesu messianische Würde aufzufassen, wie auch Olshausen richtig anerkannt hat 10). Wenn er nun aber den vorübergehenden Abfall des Täufers von seinen früheren glaubensstarken Zeugnissen daraus zu erklären sucht, dass in seinem dunkeln Kerker den Mann Gottes ei- ne finstre Stunde des Zweifels überfallen habe: so wollen wir hier nicht die oben aufgeführten Gründe wiederholen, aus welchen nach der früheren Gewissheit des Johannes
9) a. a. O. S. 110.
10) Bibl. Comm. 1, S. 360 ff.
Erstes Kapitel. §. 42.
Sieg berechnetes Verfahren kommen, sondern der stille Weg, den Jesus gieng, muſste ihm eben als der rechte, seiner Lammsbestimmung angemessene erscheinen. Auch so daher, wenn die Frage des Johannes eine bloſse Auf- forderung enthielte, hätte der Täufer durch dieselbe sei- nen früheren Ansichten widersprochen. — Aber die Frage kann diesen Sinn gar nicht haben. Den Worten nach ent- hält sie lauter Zweifel, und die Aufforderung muſs man immer erst hineintragen. Wie sehr man dabei den Wor- ten Gewalt anthun muſs, erhellt am besten aus der Um- deutung, welche Schleiermacher im Sinn dieser Erklärung mit denselben vornimmt. Die unentschiedene Frage: σὺ εἶ ὁ ἐρχόμενος; verwandelt er in die entschiedene Vorausse- zung: du bist doch der da kommen soll, — und die an- dere noch bedenklichere: ἢ ἔτερον προςδοκῶμεν; macht er vollends ganz unkenntlich, indem er sie so wendet: wor- auf sollen wir (da du ohnehin so groſse Dinge thust) noch warten, und soll nicht gleich Johannes mit seiner ganzen Auktorität Allen, die sich von ihm haben taufen lassen, durch uns befehlen, dir als Messias zu gehorchen und dei- ner Winke gewärtig zu sein 9)?
Ist es also mit allen diesen Ausflüchten nichts, so kehrt uns die ursprüngliche Auslegung zurück, die Frage als den Ausdruck einer in dem Täufer selbst entstandenen Unge- wiſsheit über Jesu messianische Würde aufzufassen, wie auch Olshausen richtig anerkannt hat 10). Wenn er nun aber den vorübergehenden Abfall des Täufers von seinen früheren glaubensstarken Zeugnissen daraus zu erklären sucht, daſs in seinem dunkeln Kerker den Mann Gottes ei- ne finstre Stunde des Zweifels überfallen habe: so wollen wir hier nicht die oben aufgeführten Gründe wiederholen, aus welchen nach der früheren Gewiſsheit des Johannes
9) a. a. O. S. 110.
10) Bibl. Comm. 1, S. 360 ff.
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Erstes Kapitel. §. 42.
Sieg berechnetes Verfahren kommen, sondern der stille
Weg, den Jesus gieng, muſste ihm eben als der rechte,
seiner Lammsbestimmung angemessene erscheinen. Auch
so daher, wenn die Frage des Johannes eine bloſse Auf-
forderung enthielte, hätte der Täufer durch dieselbe sei-
nen früheren Ansichten widersprochen. — Aber die Frage
kann diesen Sinn gar nicht haben. Den Worten nach ent-
hält sie lauter Zweifel, und die Aufforderung muſs man
immer erst hineintragen. Wie sehr man dabei den Wor-
ten Gewalt anthun muſs, erhellt am besten aus der Um-
deutung, welche Schleiermacher im Sinn dieser Erklärung
mit denselben vornimmt. Die unentschiedene Frage: σὺ εἶ
ὁ ἐρχόμενος; verwandelt er in die entschiedene Vorausse-
zung: du bist doch der da kommen soll, — und die an-
dere noch bedenklichere: ἢ ἔτερον προςδοκῶμεν; macht er
vollends ganz unkenntlich, indem er sie so wendet: wor-
auf sollen wir (da du ohnehin so groſse Dinge thust) noch
warten, und soll nicht gleich Johannes mit seiner ganzen
Auktorität Allen, die sich von ihm haben taufen lassen,
durch uns befehlen, dir als Messias zu gehorchen und dei-
ner Winke gewärtig zu sein 9)?
Ist es also mit allen diesen Ausflüchten nichts, so kehrt
uns die ursprüngliche Auslegung zurück, die Frage als den
Ausdruck einer in dem Täufer selbst entstandenen Unge-
wiſsheit über Jesu messianische Würde aufzufassen, wie
auch Olshausen richtig anerkannt hat 10). Wenn er nun
aber den vorübergehenden Abfall des Täufers von seinen
früheren glaubensstarken Zeugnissen daraus zu erklären
sucht, daſs in seinem dunkeln Kerker den Mann Gottes ei-
ne finstre Stunde des Zweifels überfallen habe: so wollen
wir hier nicht die oben aufgeführten Gründe wiederholen,
aus welchen nach der früheren Gewiſsheit des Johannes
9) a. a. O. S. 110.
10) Bibl. Comm. 1, S. 360 ff.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/359>, abgerufen am 25.11.2024.
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