Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.Einleitung. §. 5. Bei den englischen Deisten und Naturalisten im siebzehn-ten und achtzehnten Jahrhundert vorzüglich giengen B[e]- streitung der Ächtheit und Glaubwürdigkeit der Bibel und Herabwürdigung der darin erzählten Thatsachen zum Ge- meinen bunt durcheinander. Während Toland 1), Boling- broke 2) u. A. die Bibel für eine Sammlung unächter und fabel- hafter Bücher erklärten, gaben sich Andere alle Mühe, die biblischen Personen und Geschichten jedes Schimmers von höherem göttlichem Lichte zu berauben. So ist nach Morgan 3) das Gesez des Moses ein elendes System des Aberglaubens, der Blindheit und Sclaverei, die jüdischen Priester Betrüger, die Propheten Urheber der Zerrüttung und der Bürgerkriege in den beiden Königreichen. Die jüdische Religion kann nach Chubb 4) unmöglich eine von Gott geoffenbarte sein; dessen moralischer Charakter in ihr nur entstellt ist durch die willkührlichen Gebräuche, die sie ihn vorschreiben lässt, durch seine vorgegebene Parteilichkeit für das jüdische Volk, und vor Allem durch den blutigen Befehl zur Ausrottung der kanaanitischen Völkerschaften. Auch gegen das N. T. wurden von diesen und andern Deisten Streifzüge unternommen, der Charak- ter der Apostel als eigennützig und gewinnsüchtig ver- dächtigt 5), selbst der Charakter Jesu nicht geschont 6), und namentlich die Auferstehung desselben geläugnet 7). Das unmittelbarste Einschlagen des Göttlichen in das Mensch- 1) In seinem Amyntor, v. J. 1698, s. in Leland's Abriss deisti- scher Schriften, übersetzt von Schmidt, 1. Thl. S. 83 ff. 2) Bei Leland 2. Thl. 1. Abth. S. 198 ff. 3) In seiner Schrift: the moral philosopher, 1737, s. Leland 1. Thl. S. 247 ff. 4) Posthumous Works 2 Voll. 1748, bei Leland 1, 412 f. 5) Chubb, Posth. W. 1, 102 ff. Bei Leland 1, 481. 6) Ebendas. 2, 269. Bei Leland 1, 425. 7) The resurrection of Jesus considered -- by a moral philo-
sepher. 1744. Leland 1, S. 330. Einleitung. §. 5. Bei den englischen Deisten und Naturalisten im siebzehn-ten und achtzehnten Jahrhundert vorzüglich giengen B[e]- streitung der Ächtheit und Glaubwürdigkeit der Bibel und Herabwürdigung der darin erzählten Thatsachen zum Ge- meinen bunt durcheinander. Während Toland 1), Boling- broke 2) u. A. die Bibel für eine Sammlung unächter und fabel- hafter Bücher erklärten, gaben sich Andere alle Mühe, die biblischen Personen und Geschichten jedes Schimmers von höherem göttlichem Lichte zu berauben. So ist nach Morgan 3) das Gesez des Moses ein elendes System des Aberglaubens, der Blindheit und Sclaverei, die jüdischen Priester Betrüger, die Propheten Urheber der Zerrüttung und der Bürgerkriege in den beiden Königreichen. Die jüdische Religion kann nach Chubb 4) unmöglich eine von Gott geoffenbarte sein; dessen moralischer Charakter in ihr nur entstellt ist durch die willkührlichen Gebräuche, die sie ihn vorschreiben läſst, durch seine vorgegebene Parteilichkeit für das jüdische Volk, und vor Allem durch den blutigen Befehl zur Ausrottung der kanaanitischen Völkerschaften. Auch gegen das N. T. wurden von diesen und andern Deisten Streifzüge unternommen, der Charak- ter der Apostel als eigennützig und gewinnsüchtig ver- dächtigt 5), selbst der Charakter Jesu nicht geschont 6), und namentlich die Auferstehung desselben geläugnet 7). Das unmittelbarste Einschlagen des Göttlichen in das Mensch- 1) In seinem Amyntor, v. J. 1698, s. in Leland's Abriss deisti- scher Schriften, übersetzt von Schmidt, 1. Thl. S. 83 ff. 2) Bei Leland 2. Thl. 1. Abth. S. 198 ff. 3) In seiner Schrift: the moral philosopher, 1737, s. Leland 1. Thl. S. 247 ff. 4) Posthumous Works 2 Voll. 1748, bei Leland 1, 412 f. 5) Chubb, Posth. W. 1, 102 ff. Bei Leland 1, 481. 6) Ebendas. 2, 269. Bei Leland 1, 425. 7) The resurrection of Jesus considered — by a moral philo-
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Einleitung. §. 5.
Bei den englischen Deisten und Naturalisten im siebzehn-
ten und achtzehnten Jahrhundert vorzüglich giengen Be-
streitung der Ächtheit und Glaubwürdigkeit der Bibel und
Herabwürdigung der darin erzählten Thatsachen zum Ge-
meinen bunt durcheinander. Während Toland 1), Boling-
broke 2) u. A. die Bibel für eine Sammlung unächter und fabel-
hafter Bücher erklärten, gaben sich Andere alle Mühe,
die biblischen Personen und Geschichten jedes Schimmers
von höherem göttlichem Lichte zu berauben. So ist nach
Morgan 3) das Gesez des Moses ein elendes System des
Aberglaubens, der Blindheit und Sclaverei, die jüdischen
Priester Betrüger, die Propheten Urheber der Zerrüttung
und der Bürgerkriege in den beiden Königreichen. Die
jüdische Religion kann nach Chubb 4) unmöglich eine von
Gott geoffenbarte sein; dessen moralischer Charakter in
ihr nur entstellt ist durch die willkührlichen Gebräuche,
die sie ihn vorschreiben läſst, durch seine vorgegebene
Parteilichkeit für das jüdische Volk, und vor Allem durch
den blutigen Befehl zur Ausrottung der kanaanitischen
Völkerschaften. Auch gegen das N. T. wurden von diesen
und andern Deisten Streifzüge unternommen, der Charak-
ter der Apostel als eigennützig und gewinnsüchtig ver-
dächtigt 5), selbst der Charakter Jesu nicht geschont 6),
und namentlich die Auferstehung desselben geläugnet 7).
Das unmittelbarste Einschlagen des Göttlichen in das Mensch-
1) In seinem Amyntor, v. J. 1698, s. in Leland's Abriss deisti-
scher Schriften, übersetzt von Schmidt, 1. Thl. S. 83 ff.
2) Bei Leland 2. Thl. 1. Abth. S. 198 ff.
3) In seiner Schrift: the moral philosopher, 1737, s. Leland
1. Thl. S. 247 ff.
4) Posthumous Works 2 Voll. 1748, bei Leland 1, 412 f.
5) Chubb, Posth. W. 1, 102 ff. Bei Leland 1, 481.
6) Ebendas. 2, 269. Bei Leland 1, 425.
7) The resurrection of Jesus considered — by a moral philo-
sepher. 1744. Leland 1, S. 330.
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