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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.

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Zweiter Abschnitt.
als den Messias verwies (1, 36. f.), fuhr er noch selbst
zu taufen fort 27)? Diess war zwecklos; denn was Lücke
sagt, dass an solchen Orten wenigstens, wo Jesus nicht
selbst erschien, die Taufe des Johannes noch am Platze
gewesen, widerlegt er selbst durch die Bemerkung, dass
wenigstens in der Zeit, von welcher Joh. 3, 22. ff. gehandelt
wird, Jesus und Johannes unfern von einander getauft ha-
ben müssen, da ja die Schüler des Johannes über den Zu-
lauf zu Jesus eifersüchtig wurden 28). Aber selbst zweck-
widrig erscheint die Fortsetzung der Taufe von Seiten des
Johannes, wenn blos Hinweisung auf Jesus als den Mes-
sias sein Zweck war. Er hielt dadurch noch immer einen
Kreis von Menschen in den Vorhallen des Messiasreiches
hin, und verzögerte oder hinderte selbst ganz ihren Über-
tritt zu Jesu, wie wir denn die Partei der Johannisjünger
noch zu des Apostels Paulus Zeit (A.G. 18, 24. f. 19, 1. ff.),
und wenn es wahr ist, was die sogenannten Zabier von
sich behaupten 29), bis auf die neuesten Zeiten fortdauren
sehen. Gewiss, jene Überzeugung des Täufers in Bezug
auf Jesum vorausgesezt, wäre es für ihn das Natürliche
gewesen, sich an diesen anzuschliessen; nun diess aber
nicht geschah, folgern wir, so kann er auch jene Über-
zeugung nicht gehabt haben 30).

Hauptsächlich aber macht der Charakter und das ganze
Wesen des Täufers die Annahme unmöglich, dass er sich
zu Jesu auf den Fuss gestellt habe, welchen das vierte
Evangelium angiebt. Er, der Mann aus der Wüste, der

27) de Wette, de morte Christi expiatoria, in s. Opusc. theol.
p. 81; Ders., biblische Dogmatik, §. 209; Winer, bibl. Re-
alwörterbuch 1, S. 692.
28) a. a. O. S. 488.
29) s. Gesenius, Probeheft der Ersch und Gruber'schen Encyclo-
pädie, d. A. Zabier.
30) Bretschneider, Probab. S. 46 f.; vergl. Lücke, S. 493 f.;
de Wette, Opusc. a. a. O.

Zweiter Abschnitt.
als den Messias verwies (1, 36. f.), fuhr er noch selbst
zu taufen fort 27)? Dieſs war zwecklos; denn was Lücke
sagt, daſs an solchen Orten wenigstens, wo Jesus nicht
selbst erschien, die Taufe des Johannes noch am Platze
gewesen, widerlegt er selbst durch die Bemerkung, daſs
wenigstens in der Zeit, von welcher Joh. 3, 22. ff. gehandelt
wird, Jesus und Johannes unfern von einander getauft ha-
ben müssen, da ja die Schüler des Johannes über den Zu-
lauf zu Jesus eifersüchtig wurden 28). Aber selbst zweck-
widrig erscheint die Fortsetzung der Taufe von Seiten des
Johannes, wenn blos Hinweisung auf Jesus als den Mes-
sias sein Zweck war. Er hielt dadurch noch immer einen
Kreis von Menschen in den Vorhallen des Messiasreiches
hin, und verzögerte oder hinderte selbst ganz ihren Über-
tritt zu Jesu, wie wir denn die Partei der Johannisjünger
noch zu des Apostels Paulus Zeit (A.G. 18, 24. f. 19, 1. ff.),
und wenn es wahr ist, was die sogenannten Zabier von
sich behaupten 29), bis auf die neuesten Zeiten fortdauren
sehen. Gewiſs, jene Überzeugung des Täufers in Bezug
auf Jesum vorausgesezt, wäre es für ihn das Natürliche
gewesen, sich an diesen anzuschlieſsen; nun dieſs aber
nicht geschah, folgern wir, so kann er auch jene Über-
zeugung nicht gehabt haben 30).

Hauptsächlich aber macht der Charakter und das ganze
Wesen des Täufers die Annahme unmöglich, daſs er sich
zu Jesu auf den Fuſs gestellt habe, welchen das vierte
Evangelium angiebt. Er, der Mann aus der Wüste, der

27) de Wette, de morte Christi expiatoria, in s. Opusc. theol.
p. 81; Ders., biblische Dogmatik, §. 209; Winer, bibl. Re-
alwörterbuch 1, S. 692.
28) a. a. O. S. 488.
29) s. Gesenius, Probeheft der Ersch und Gruber'schen Encyclo-
pädie, d. A. Zabier.
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[346/0370] Zweiter Abschnitt. als den Messias verwies (1, 36. f.), fuhr er noch selbst zu taufen fort 27)? Dieſs war zwecklos; denn was Lücke sagt, daſs an solchen Orten wenigstens, wo Jesus nicht selbst erschien, die Taufe des Johannes noch am Platze gewesen, widerlegt er selbst durch die Bemerkung, daſs wenigstens in der Zeit, von welcher Joh. 3, 22. ff. gehandelt wird, Jesus und Johannes unfern von einander getauft ha- ben müssen, da ja die Schüler des Johannes über den Zu- lauf zu Jesus eifersüchtig wurden 28). Aber selbst zweck- widrig erscheint die Fortsetzung der Taufe von Seiten des Johannes, wenn blos Hinweisung auf Jesus als den Mes- sias sein Zweck war. Er hielt dadurch noch immer einen Kreis von Menschen in den Vorhallen des Messiasreiches hin, und verzögerte oder hinderte selbst ganz ihren Über- tritt zu Jesu, wie wir denn die Partei der Johannisjünger noch zu des Apostels Paulus Zeit (A.G. 18, 24. f. 19, 1. ff.), und wenn es wahr ist, was die sogenannten Zabier von sich behaupten 29), bis auf die neuesten Zeiten fortdauren sehen. Gewiſs, jene Überzeugung des Täufers in Bezug auf Jesum vorausgesezt, wäre es für ihn das Natürliche gewesen, sich an diesen anzuschlieſsen; nun dieſs aber nicht geschah, folgern wir, so kann er auch jene Über- zeugung nicht gehabt haben 30). Hauptsächlich aber macht der Charakter und das ganze Wesen des Täufers die Annahme unmöglich, daſs er sich zu Jesu auf den Fuſs gestellt habe, welchen das vierte Evangelium angiebt. Er, der Mann aus der Wüste, der 27) de Wette, de morte Christi expiatoria, in s. Opusc. theol. p. 81; Ders., biblische Dogmatik, §. 209; Winer, bibl. Re- alwörterbuch 1, S. 692. 28) a. a. O. S. 488. 29) s. Gesenius, Probeheft der Ersch und Gruber'schen Encyclo- pädie, d. A. Zabier. 30) Bretschneider, Probab. S. 46 f.; vergl. Lücke, S. 493 f.; de Wette, Opusc. a. a. O.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/370>, abgerufen am 25.11.2024.