Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.Zweiter Abschnitt. bilden konnte. Nach A.G. 19, 4. erklärt der Apostel Pau-lus, was in der Geschichte hinlänglich begründet scheint, dass Johannes eis ton erkhomenon getauft habe, und dieser kommende Messias, auf welchen er hingewiesen, sezt Pau- lus hinzu, sei eben Jesus gewesen (toutesin eis khrison Iesoun). Diess war eine Deutung der Worte des Täufers aus dem Erfolg, da als den durch Johannes vorausverkündigten Messias sich bei einer grossen Zahl seiner Volksgenossen Jesus bewährt hatte. Wie nahe aber lag von hier aus die Meinung, als ob der Täufer selbst schon unter dem erkho- menos die Person Jesu verstanden, selbst schon jenes tou- tesin k. t. l. gedacht hätte; eine Ansicht, welche, so un- historisch sie ist, doch für die ältesten Christen um so ein- ladender sein musste, je erwünschter es war, durch die in der damaligen jüdischen Welt vielgeltende Auktorität des Täufers das Ansehen Jesu zu stützen. -- Auch dar- über, warum gerade der vierte Evangelist so besonders geschäftig ist, den Täufer zu Jesu in ein günstigeres Ver- hältniss zu setzen, als geschichtlich denkbar ist, bietet uns die angeführte Stelle aus der Apostelgeschichte vielleicht einigen Aufschluss. Derselben zufolge (V. 1. ff.) fanden sich nämlich in Ephesus Leute, die nur von der johannei- schen Taufe wussten, und daher vom Apostel Paulus noch einmal, auf Jesum, getauft wurden. Nun ist aber einer alten Überlieferung zufolge das vierte Evangelium in Ephesus geschrieben 34). Nehmen wir diese an, wie sie denn in dem Allgemeinen, dass sie eine griechische Lo- kalität für die Abfassung dieses Evangeliums angiebt, in jedem Falle Recht hat, und setzen wir jener Andeutung der Apostelgeschichte zufolge Ephesus als den Siz einer Anzahl von Anhängern des Täufers, welche dann Pau- lus schwerlich alle bekehrt haben wird, voraus: so würde sich aus dem Bestreben, diese zu Jesu herüberzuziehen, 34) Irenaeus adv. haer. 3, 1.
Zweiter Abschnitt. bilden konnte. Nach A.G. 19, 4. erklärt der Apostel Pau-lus, was in der Geschichte hinlänglich begründet scheint, daſs Johannes εἰς τὸν ἐρχόμενον getauft habe, und dieser kommende Messias, auf welchen er hingewiesen, sezt Pau- lus hinzu, sei eben Jesus gewesen (τουτέςιν εἰς χριςὸν Ἰησοῦν). Dieſs war eine Deutung der Worte des Täufers aus dem Erfolg, da als den durch Johannes vorausverkündigten Messias sich bei einer groſsen Zahl seiner Volksgenossen Jesus bewährt hatte. Wie nahe aber lag von hier aus die Meinung, als ob der Täufer selbst schon unter dem ἐρχό- μενος die Person Jesu verstanden, selbst schon jenes του- τέςιν κ. τ. λ. gedacht hätte; eine Ansicht, welche, so un- historisch sie ist, doch für die ältesten Christen um so ein- ladender sein muſste, je erwünschter es war, durch die in der damaligen jüdischen Welt vielgeltende Auktorität des Täufers das Ansehen Jesu zu stützen. — Auch dar- über, warum gerade der vierte Evangelist so besonders geschäftig ist, den Täufer zu Jesu in ein günstigeres Ver- hältniſs zu setzen, als geschichtlich denkbar ist, bietet uns die angeführte Stelle aus der Apostelgeschichte vielleicht einigen Aufschluſs. Derselben zufolge (V. 1. ff.) fanden sich nämlich in Ephesus Leute, die nur von der johannei- schen Taufe wuſsten, und daher vom Apostel Paulus noch einmal, auf Jesum, getauft wurden. Nun ist aber einer alten Überlieferung zufolge das vierte Evangelium in Ephesus geschrieben 34). Nehmen wir diese an, wie sie denn in dem Allgemeinen, daſs sie eine griechische Lo- kalität für die Abfassung dieses Evangeliums angiebt, in jedem Falle Recht hat, und setzen wir jener Andeutung der Apostelgeschichte zufolge Ephesus als den Siz einer Anzahl von Anhängern des Täufers, welche dann Pau- lus schwerlich alle bekehrt haben wird, voraus: so würde sich aus dem Bestreben, diese zu Jesu herüberzuziehen, 34) Irenaeus adv. haer. 3, 1.
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Zweiter Abschnitt.
bilden konnte. Nach A.G. 19, 4. erklärt der Apostel Pau-
lus, was in der Geschichte hinlänglich begründet scheint,
daſs Johannes εἰς τὸν ἐρχόμενον getauft habe, und dieser
kommende Messias, auf welchen er hingewiesen, sezt Pau-
lus hinzu, sei eben Jesus gewesen (τουτέςιν εἰς χριςὸν Ἰησοῦν).
Dieſs war eine Deutung der Worte des Täufers aus dem
Erfolg, da als den durch Johannes vorausverkündigten
Messias sich bei einer groſsen Zahl seiner Volksgenossen
Jesus bewährt hatte. Wie nahe aber lag von hier aus die
Meinung, als ob der Täufer selbst schon unter dem ἐρχό-
μενος die Person Jesu verstanden, selbst schon jenes του-
τέςιν κ. τ. λ. gedacht hätte; eine Ansicht, welche, so un-
historisch sie ist, doch für die ältesten Christen um so ein-
ladender sein muſste, je erwünschter es war, durch die
in der damaligen jüdischen Welt vielgeltende Auktorität
des Täufers das Ansehen Jesu zu stützen. — Auch dar-
über, warum gerade der vierte Evangelist so besonders
geschäftig ist, den Täufer zu Jesu in ein günstigeres Ver-
hältniſs zu setzen, als geschichtlich denkbar ist, bietet uns
die angeführte Stelle aus der Apostelgeschichte vielleicht
einigen Aufschluſs. Derselben zufolge (V. 1. ff.) fanden
sich nämlich in Ephesus Leute, die nur von der johannei-
schen Taufe wuſsten, und daher vom Apostel Paulus noch
einmal, auf Jesum, getauft wurden. Nun ist aber
einer alten Überlieferung zufolge das vierte Evangelium
in Ephesus geschrieben 34). Nehmen wir diese an, wie
sie denn in dem Allgemeinen, daſs sie eine griechische Lo-
kalität für die Abfassung dieses Evangeliums angiebt, in
jedem Falle Recht hat, und setzen wir jener Andeutung
der Apostelgeschichte zufolge Ephesus als den Siz einer
Anzahl von Anhängern des Täufers, welche dann Pau-
lus schwerlich alle bekehrt haben wird, voraus: so würde
sich aus dem Bestreben, diese zu Jesu herüberzuziehen,
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