sind, und das Ganze mit ihrem frivolen Tone so sehr fär- ben, dass doch vermuthet werden muss, der Deist wolle sich durch sein Dringen auf allegorische Deutung nur den Rücken sichern, um desto ungescheuter gegen den buch- stäblichen Sinn losziehen zu können.
Auf deutschen Boden wurden diese Deistischen Ein- würfe gegen die Bibel und die Göttlichkeit ihrer Geschichte hauptsächlich durch den Ungenannten verpflanzt, dessen in der Wolfenbüttelschen Bibliothek aufgefundene Frag- mente Lessing seit dem Jahr 1774 herauszugeben anfieng. Sie betrafen, ausser Mehrerem, was gegen eine geoffenbarte Religion überhaupt gesagt war 10), theils das alte 11), theils das neue Testament 12). In Bezug auf jenes fand dieser Verfasser die Männer, welchen dasselbe einen unmittelba- ren Umgang mit Gott zuschreibt, so schlecht, dass Gott durch ein solches Verhältniss, seine Wirklichkeit angenom- men, auf's Äusserste compromittirt würde; die Ergebnisse dieses Umgangs aber, die vorgeblich göttlichen Lehren und Gesetze, so crass und zum Theil verderblich, dass sie un- möglich Gott zugeschrieben werden können; die begleiten- den Wunder endlich so ungereimt und unglaublich, dass aus Allem zusammengenommen erhelle, der Umgang mit Gott sei nur vorgegeben, die Wunder Blendwerke gewesen, um gewisse, den Herrschern und Priestern vortheilhafte
10) In Lessings Beiträgen zur Geschichte und Literatur, das Frag- ment im dritten Beitrag, S. 195 ff., und im vierten Beitrag das erste Fragment S. 265. und das zweite S. 288.
11) In Lessings viertem Beitrag das dritte und vierte Fragment, S. 366. u. 384., und die von Schmidt 1787 herausgegebenen übrigen noch ungedruckten Werke des Wolfenbüttelschen Fragmentisten.
12) In Lessings viertem Beitrag das fünfte Fragment, über die Auferstehungsgeschichte, und das Fragment über den Zweck Jesu und seiner Jünger, von Lessing besonders herausgege- ben 1778.
Einleitung. §. 5.
sind, und das Ganze mit ihrem frivolen Tone so sehr fär- ben, daſs doch vermuthet werden muſs, der Deist wolle sich durch sein Dringen auf allegorische Deutung nur den Rücken sichern, um desto ungescheuter gegen den buch- stäblichen Sinn losziehen zu können.
Auf deutschen Boden wurden diese Deistischen Ein- würfe gegen die Bibel und die Göttlichkeit ihrer Geschichte hauptsächlich durch den Ungenannten verpflanzt, dessen in der Wolfenbüttelschen Bibliothek aufgefundene Frag- mente Lessing seit dem Jahr 1774 herauszugeben anfieng. Sie betrafen, ausser Mehrerem, was gegen eine geoffenbarte Religion überhaupt gesagt war 10), theils das alte 11), theils das neue Testament 12). In Bezug auf jenes fand dieser Verfasser die Männer, welchen dasselbe einen unmittelba- ren Umgang mit Gott zuschreibt, so schlecht, daſs Gott durch ein solches Verhältniſs, seine Wirklichkeit angenom- men, auf's Äusserste compromittirt würde; die Ergebnisse dieses Umgangs aber, die vorgeblich göttlichen Lehren und Gesetze, so craſs und zum Theil verderblich, daſs sie un- möglich Gott zugeschrieben werden können; die begleiten- den Wunder endlich so ungereimt und unglaublich, daſs aus Allem zusammengenommen erhelle, der Umgang mit Gott sei nur vorgegeben, die Wunder Blendwerke gewesen, um gewisse, den Herrschern und Priestern vortheilhafte
10) In Lessings Beiträgen zur Geschichte und Literatur, das Frag- ment im dritten Beitrag, S. 195 ff., und im vierten Beitrag das erste Fragment S. 265. und das zweite S. 288.
11) In Lessings viertem Beitrag das dritte und vierte Fragment, S. 366. u. 384., und die von Schmidt 1787 herausgegebenen übrigen noch ungedruckten Werke des Wolfenbüttelschen Fragmentisten.
12) In Lessings viertem Beitrag das fünfte Fragment, über die Auferstehungsgeschichte, und das Fragment über den Zweck Jesu und seiner Jünger, von Lessing besonders herausgege- ben 1778.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0038"n="14"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Einleitung</hi>. §. 5.</fw><lb/>
sind, und das Ganze mit ihrem frivolen Tone so sehr fär-<lb/>
ben, daſs doch vermuthet werden muſs, der Deist wolle<lb/>
sich durch sein Dringen auf allegorische Deutung nur den<lb/>
Rücken sichern, um desto ungescheuter gegen den buch-<lb/>
stäblichen Sinn losziehen zu können.</p><lb/><p>Auf deutschen Boden wurden diese Deistischen Ein-<lb/>
würfe gegen die Bibel und die Göttlichkeit ihrer Geschichte<lb/>
hauptsächlich durch den Ungenannten verpflanzt, dessen<lb/>
in der Wolfenbüttelschen Bibliothek aufgefundene Frag-<lb/>
mente <hirendition="#k">Lessing</hi> seit dem Jahr 1774 herauszugeben anfieng.<lb/>
Sie betrafen, ausser Mehrerem, was gegen eine geoffenbarte<lb/>
Religion überhaupt gesagt war <noteplace="foot"n="10)">In <hirendition="#k">Lessings</hi> Beiträgen zur Geschichte und Literatur, das Frag-<lb/>
ment im dritten Beitrag, S. 195 ff., und im vierten Beitrag das<lb/>
erste Fragment S. 265. und das zweite S. 288.</note>, theils das alte <noteplace="foot"n="11)">In <hirendition="#k">Lessings</hi> viertem Beitrag das dritte und vierte Fragment,<lb/>
S. 366. u. 384., und die von <hirendition="#k">Schmidt</hi> 1787 herausgegebenen<lb/>
übrigen noch ungedruckten Werke des Wolfenbüttelschen<lb/>
Fragmentisten.</note>, theils<lb/>
das neue Testament <noteplace="foot"n="12)">In <hirendition="#k">Lessings</hi> viertem Beitrag das fünfte Fragment, über die<lb/>
Auferstehungsgeschichte, und das Fragment über den Zweck<lb/>
Jesu und seiner Jünger, von <hirendition="#k">Lessing</hi> besonders herausgege-<lb/>
ben 1778.</note>. In Bezug auf jenes fand dieser<lb/>
Verfasser die Männer, welchen dasselbe einen unmittelba-<lb/>
ren Umgang mit Gott zuschreibt, so schlecht, daſs Gott<lb/>
durch ein solches Verhältniſs, seine Wirklichkeit angenom-<lb/>
men, auf's Äusserste compromittirt würde; die Ergebnisse<lb/>
dieses Umgangs aber, die vorgeblich göttlichen Lehren und<lb/>
Gesetze, so craſs und zum Theil verderblich, daſs sie un-<lb/>
möglich Gott zugeschrieben werden können; die begleiten-<lb/>
den Wunder endlich so ungereimt und unglaublich, daſs<lb/>
aus Allem zusammengenommen erhelle, der Umgang mit<lb/>
Gott sei nur vorgegeben, die Wunder Blendwerke gewesen,<lb/>
um gewisse, den Herrschern und Priestern vortheilhafte<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[14/0038]
Einleitung. §. 5.
sind, und das Ganze mit ihrem frivolen Tone so sehr fär-
ben, daſs doch vermuthet werden muſs, der Deist wolle
sich durch sein Dringen auf allegorische Deutung nur den
Rücken sichern, um desto ungescheuter gegen den buch-
stäblichen Sinn losziehen zu können.
Auf deutschen Boden wurden diese Deistischen Ein-
würfe gegen die Bibel und die Göttlichkeit ihrer Geschichte
hauptsächlich durch den Ungenannten verpflanzt, dessen
in der Wolfenbüttelschen Bibliothek aufgefundene Frag-
mente Lessing seit dem Jahr 1774 herauszugeben anfieng.
Sie betrafen, ausser Mehrerem, was gegen eine geoffenbarte
Religion überhaupt gesagt war 10), theils das alte 11), theils
das neue Testament 12). In Bezug auf jenes fand dieser
Verfasser die Männer, welchen dasselbe einen unmittelba-
ren Umgang mit Gott zuschreibt, so schlecht, daſs Gott
durch ein solches Verhältniſs, seine Wirklichkeit angenom-
men, auf's Äusserste compromittirt würde; die Ergebnisse
dieses Umgangs aber, die vorgeblich göttlichen Lehren und
Gesetze, so craſs und zum Theil verderblich, daſs sie un-
möglich Gott zugeschrieben werden können; die begleiten-
den Wunder endlich so ungereimt und unglaublich, daſs
aus Allem zusammengenommen erhelle, der Umgang mit
Gott sei nur vorgegeben, die Wunder Blendwerke gewesen,
um gewisse, den Herrschern und Priestern vortheilhafte
10) In Lessings Beiträgen zur Geschichte und Literatur, das Frag-
ment im dritten Beitrag, S. 195 ff., und im vierten Beitrag das
erste Fragment S. 265. und das zweite S. 288.
11) In Lessings viertem Beitrag das dritte und vierte Fragment,
S. 366. u. 384., und die von Schmidt 1787 herausgegebenen
übrigen noch ungedruckten Werke des Wolfenbüttelschen
Fragmentisten.
12) In Lessings viertem Beitrag das fünfte Fragment, über die
Auferstehungsgeschichte, und das Fragment über den Zweck
Jesu und seiner Jünger, von Lessing besonders herausgege-
ben 1778.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/38>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.