Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.Zweites Kapitel. §. 50. gezeigt, auf etwas Zauberhaftes in der Sache hinweist: soist ohne Zweifel an magische Versetzungen zu denken, wie A.G. 8, 39. dem pneuma Kur[i]ou ein solches arpazein zu- geschrieben ist. Hier fand man es nun aber schon früh- zeitig mit der Würde Jesu unvereinbar, dass der Teufel auf diese Weise eine magische Gewalt über ihn geübt und ihn in der Luft mit sich herumgeführt haben solle 16), und nur derjenige wird diesen Zug natürlich finden, dem auch das persönliche Erscheinen des Teufels nicht zu aben- teuerlich ist. Das Unglaubliche häuft sich, wenn man be- denkt, welches Aufsehen es gemacht haben müsste, Jesum (sein Begleiter mag sich hier etwa unsichtbar gemacht ha- ben) auf dem Tempeldach erscheinen zu sehen, falls es sich auch nicht beweisen lässt, dass auf dasselbe sich zu stellen, wegen der vergoldeten Spiesse, mit welchen es be- sezt war, unmöglich 17), oder doch dem Laien unerlaubt gewesen sei 18), wovon übrigens das Leztere nicht unwahr- scheinlich ist. Die lezte Versuchung betreffend, ist die Frage allbekannt, wo denn der Berg sei, von welchem man alle Reiche der Welt übersehen könne? und wenn die Auskunft, dass unter kosmos hier nur Palästina und unter den basileiais dessen einzelne Gebiete und Tetrarchien verstanden seien 19), kaum minder lächerlich ist, als die, der Teufel habe Jesu die Welt auf einer Karte gezeigt 20): so bleibt keine Antwort übrig, als, ein solcher Berg exi- stire nur in der alterthümlichen Vorstellung von der Erde als einer Fläche einerseits und andrerseits in der volks- thümlichen Phantasie, welche leicht einen Berg bis in den 16) s. den Verf. der Rede de jejunio et tentationibus Christi un- ter den Werken Cyprians. 17) Joseph. b. j. 5, 5, 6. 6, 5, 1. 18) s. bei Fritzsche, in Matth. S. 164. 19) Kuinöl, in Matth. S. 90. 20) angeführt bei Fritzsche, p. 168.
Zweites Kapitel. §. 50. gezeigt, auf etwas Zauberhaftes in der Sache hinweist: soist ohne Zweifel an magische Versetzungen zu denken, wie A.G. 8, 39. dem πνεῡμα Κυρ[ί]ου ein solches ἁρπάζειν zu- geschrieben ist. Hier fand man es nun aber schon früh- zeitig mit der Würde Jesu unvereinbar, daſs der Teufel auf diese Weise eine magische Gewalt über ihn geübt und ihn in der Luft mit sich herumgeführt haben solle 16), und nur derjenige wird diesen Zug natürlich finden, dem auch das persönliche Erscheinen des Teufels nicht zu aben- teuerlich ist. Das Unglaubliche häuft sich, wenn man be- denkt, welches Aufsehen es gemacht haben müſste, Jesum (sein Begleiter mag sich hier etwa unsichtbar gemacht ha- ben) auf dem Tempeldach erscheinen zu sehen, falls es sich auch nicht beweisen läſst, daſs auf dasselbe sich zu stellen, wegen der vergoldeten Spieſse, mit welchen es be- sezt war, unmöglich 17), oder doch dem Laien unerlaubt gewesen sei 18), wovon übrigens das Leztere nicht unwahr- scheinlich ist. Die lezte Versuchung betreffend, ist die Frage allbekannt, wo denn der Berg sei, von welchem man alle Reiche der Welt übersehen könne? und wenn die Auskunft, daſs unter κόσμος hier nur Palästina und unter den βασιλείαις dessen einzelne Gebiete und Tetrarchien verstanden seien 19), kaum minder lächerlich ist, als die, der Teufel habe Jesu die Welt auf einer Karte gezeigt 20): so bleibt keine Antwort übrig, als, ein solcher Berg exi- stire nur in der alterthümlichen Vorstellung von der Erde als einer Fläche einerseits und andrerseits in der volks- thümlichen Phantasie, welche leicht einen Berg bis in den 16) s. den Verf. der Rede de jejunio et tentationibus Christi un- ter den Werken Cyprians. 17) Joseph. b. j. 5, 5, 6. 6, 5, 1. 18) s. bei Fritzsche, in Matth. S. 164. 19) Kuinöl, in Matth. S. 90. 20) angeführt bei Fritzsche, p. 168.
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Zweites Kapitel. §. 50.
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wie A.G. 8, 39. dem πνεῡμα Κυρίου ein solches ἁρπάζειν zu-
geschrieben ist. Hier fand man es nun aber schon früh-
zeitig mit der Würde Jesu unvereinbar, daſs der Teufel
auf diese Weise eine magische Gewalt über ihn geübt
und ihn in der Luft mit sich herumgeführt haben solle 16),
und nur derjenige wird diesen Zug natürlich finden, dem
auch das persönliche Erscheinen des Teufels nicht zu aben-
teuerlich ist. Das Unglaubliche häuft sich, wenn man be-
denkt, welches Aufsehen es gemacht haben müſste, Jesum
(sein Begleiter mag sich hier etwa unsichtbar gemacht ha-
ben) auf dem Tempeldach erscheinen zu sehen, falls es
sich auch nicht beweisen läſst, daſs auf dasselbe sich zu
stellen, wegen der vergoldeten Spieſse, mit welchen es be-
sezt war, unmöglich 17), oder doch dem Laien unerlaubt
gewesen sei 18), wovon übrigens das Leztere nicht unwahr-
scheinlich ist. Die lezte Versuchung betreffend, ist die
Frage allbekannt, wo denn der Berg sei, von welchem man
alle Reiche der Welt übersehen könne? und wenn die
Auskunft, daſs unter κόσμος hier nur Palästina und unter
den βασιλείαις dessen einzelne Gebiete und Tetrarchien
verstanden seien 19), kaum minder lächerlich ist, als die,
der Teufel habe Jesu die Welt auf einer Karte gezeigt 20):
so bleibt keine Antwort übrig, als, ein solcher Berg exi-
stire nur in der alterthümlichen Vorstellung von der Erde
als einer Fläche einerseits und andrerseits in der volks-
thümlichen Phantasie, welche leicht einen Berg bis in den
16) s. den Verf. der Rede de jejunio et tentationibus Christi un-
ter den Werken Cyprians.
17) Joseph. b. j. 5, 5, 6. 6, 5, 1.
18) s. bei Fritzsche, in Matth. S. 164.
19) Kuinöl, in Matth. S. 90.
20) angeführt bei Fritzsche, p. 168.
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