Himmel hinein erhöhen und ein Auge in's Unendliche schär- fen kann.
Endlich auch der lezte Zug der Erzählung, dass, nach- dem der Teufel mit der Versuchung zu Ende war, Engel zu Jesu gekommen seien und ihn bedient haben, ist, auch abgesehen von dem oben besprochenen Zweifel an der Exi- stenz solcher Wesen, von Anstoss nicht frei. Denn das diekonoun kann doch keine andere Art von Bedienung bedeu- ten, als die Darreichung von Nahrungsmitteln, wie nicht allein der Zusammenhang, welchen zufolge Jesus nach langem Hungern eben eine solche Bedienung nöthig hatte, sondern auch die Vergleichung mit 1. Kön. 19, 5. zeigt, wo dem Elias ein Engel Speise bringt. Dann aber ist beides gleich unwahrscheinlich, was man möglicherweise annehmen könn- te, dass entweder ätherische Wesen, wie Engel, irdische, materielle Speisen dahergetragen haben, oder dass Jesu menschlicher Leib mit himmlischen Substanzen, wenn es solche giebt, gestärkt worden sei.
§. 51. Die Versuchung als innerer, oder als äusserer natürlicher Vor- gang; dieselbe als Parabel.
Das Undenkbare jener plözlichen Entrückungen Je- su auf den Tempel und Berg hat schon einige der alten Erklärer auf die Ansicht gebracht, dass wenigstens die Lo- kale der zweiten und dritten Versuchung nicht leiblich und äusserlich, sondern blos im Gesichte Jesu gegenwärtig gewesen seien 1); wogegen die Neueren, welchen überhaupt
1) Theodor von Mopsvestia a. a. O. S. 107. behauptete gegen Julian, phantasian orous ton diabolon pepoiekenai, und nach dem Verfasser des schon angeführten Sermo de jejunio et tentationibus Christi gieng die erste Versuchung zwar lo- caliter in deserto vor, auf dem Tempel und Berg aber war Jesus nur so, wie Ezechiel vom Chaboras aus zu Jerusalem, nämlich in spiritu.
Zweiter Abschnitt.
Himmel hinein erhöhen und ein Auge in's Unendliche schär- fen kann.
Endlich auch der lezte Zug der Erzählung, daſs, nach- dem der Teufel mit der Versuchung zu Ende war, Engel zu Jesu gekommen seien und ihn bedient haben, ist, auch abgesehen von dem oben besprochenen Zweifel an der Exi- stenz solcher Wesen, von Anstoſs nicht frei. Denn das διηκόνουν kann doch keine andere Art von Bedienung bedeu- ten, als die Darreichung von Nahrungsmitteln, wie nicht allein der Zusammenhang, welchen zufolge Jesus nach langem Hungern eben eine solche Bedienung nöthig hatte, sondern auch die Vergleichung mit 1. Kön. 19, 5. zeigt, wo dem Elias ein Engel Speise bringt. Dann aber ist beides gleich unwahrscheinlich, was man möglicherweise annehmen könn- te, daſs entweder ätherische Wesen, wie Engel, irdische, materielle Speisen dahergetragen haben, oder daſs Jesu menschlicher Leib mit himmlischen Substanzen, wenn es solche giebt, gestärkt worden sei.
§. 51. Die Versuchung als innerer, oder als äusserer natürlicher Vor- gang; dieselbe als Parabel.
Das Undenkbare jener plözlichen Entrückungen Je- su auf den Tempel und Berg hat schon einige der alten Erklärer auf die Ansicht gebracht, daſs wenigstens die Lo- kale der zweiten und dritten Versuchung nicht leiblich und äusserlich, sondern blos im Gesichte Jesu gegenwärtig gewesen seien 1); wogegen die Neueren, welchen überhaupt
1) Theodor von Mopsvestia a. a. O. S. 107. behauptete gegen Julian, φαντασίαν ὂρους τὸν διάβολον πεποιηκέναι, und nach dem Verfasser des schon angeführten Sermo de jejunio et tentationibus Christi gieng die erste Versuchung zwar lo- caliter in deserto vor, auf dem Tempel und Berg aber war Jesus nur so, wie Ezechiel vom Chaboras aus zu Jerusalem, nämlich in spiritu.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0434"n="410"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Zweiter Abschnitt</hi>.</fw><lb/>
Himmel hinein erhöhen und ein Auge in's Unendliche schär-<lb/>
fen kann.</p><lb/><p>Endlich auch der lezte Zug der Erzählung, daſs, nach-<lb/>
dem der Teufel mit der Versuchung zu Ende war, Engel<lb/>
zu Jesu gekommen seien und ihn bedient haben, ist, auch<lb/>
abgesehen von dem oben besprochenen Zweifel an der Exi-<lb/>
stenz solcher Wesen, von Anstoſs nicht frei. Denn das<lb/><foreignxml:lang="ell">διηκόνουν</foreign> kann doch keine andere Art von Bedienung bedeu-<lb/>
ten, als die Darreichung von Nahrungsmitteln, wie nicht<lb/>
allein der Zusammenhang, welchen zufolge Jesus nach langem<lb/>
Hungern eben eine solche Bedienung nöthig hatte, sondern<lb/>
auch die Vergleichung mit 1. Kön. 19, 5. zeigt, wo dem<lb/>
Elias ein Engel Speise bringt. Dann aber ist beides gleich<lb/>
unwahrscheinlich, was man möglicherweise annehmen könn-<lb/>
te, daſs entweder ätherische Wesen, wie Engel, irdische,<lb/>
materielle Speisen dahergetragen haben, oder daſs Jesu<lb/>
menschlicher Leib mit himmlischen Substanzen, wenn es<lb/>
solche giebt, gestärkt worden sei.</p></div><lb/><divn="3"><head>§. 51.<lb/>
Die Versuchung als innerer, oder als äusserer natürlicher Vor-<lb/>
gang; dieselbe als Parabel.</head><lb/><p>Das Undenkbare jener plözlichen Entrückungen Je-<lb/>
su auf den Tempel und Berg hat schon einige der alten<lb/>
Erklärer auf die Ansicht gebracht, daſs wenigstens die Lo-<lb/>
kale der zweiten und dritten Versuchung nicht leiblich<lb/>
und äusserlich, sondern blos im Gesichte Jesu gegenwärtig<lb/>
gewesen seien <noteplace="foot"n="1)">Theodor von Mopsvestia a. a. O. S. 107. behauptete gegen<lb/>
Julian, φαντασίανὂρουςτὸνδιάβολονπεποιηκέναι, und<lb/>
nach dem Verfasser des schon angeführten Sermo de jejunio<lb/>
et tentationibus Christi gieng die erste Versuchung zwar lo-<lb/>
caliter in deserto vor, auf dem Tempel und Berg aber war<lb/>
Jesus nur so, wie Ezechiel vom Chaboras aus zu Jerusalem,<lb/>
nämlich in spiritu.</note>; wogegen die Neueren, welchen überhaupt<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[410/0434]
Zweiter Abschnitt.
Himmel hinein erhöhen und ein Auge in's Unendliche schär-
fen kann.
Endlich auch der lezte Zug der Erzählung, daſs, nach-
dem der Teufel mit der Versuchung zu Ende war, Engel
zu Jesu gekommen seien und ihn bedient haben, ist, auch
abgesehen von dem oben besprochenen Zweifel an der Exi-
stenz solcher Wesen, von Anstoſs nicht frei. Denn das
διηκόνουν kann doch keine andere Art von Bedienung bedeu-
ten, als die Darreichung von Nahrungsmitteln, wie nicht
allein der Zusammenhang, welchen zufolge Jesus nach langem
Hungern eben eine solche Bedienung nöthig hatte, sondern
auch die Vergleichung mit 1. Kön. 19, 5. zeigt, wo dem
Elias ein Engel Speise bringt. Dann aber ist beides gleich
unwahrscheinlich, was man möglicherweise annehmen könn-
te, daſs entweder ätherische Wesen, wie Engel, irdische,
materielle Speisen dahergetragen haben, oder daſs Jesu
menschlicher Leib mit himmlischen Substanzen, wenn es
solche giebt, gestärkt worden sei.
§. 51.
Die Versuchung als innerer, oder als äusserer natürlicher Vor-
gang; dieselbe als Parabel.
Das Undenkbare jener plözlichen Entrückungen Je-
su auf den Tempel und Berg hat schon einige der alten
Erklärer auf die Ansicht gebracht, daſs wenigstens die Lo-
kale der zweiten und dritten Versuchung nicht leiblich
und äusserlich, sondern blos im Gesichte Jesu gegenwärtig
gewesen seien 1); wogegen die Neueren, welchen überhaupt
1) Theodor von Mopsvestia a. a. O. S. 107. behauptete gegen
Julian, φαντασίαν ὂρους τὸν διάβολον πεποιηκέναι, und
nach dem Verfasser des schon angeführten Sermo de jejunio
et tentationibus Christi gieng die erste Versuchung zwar lo-
caliter in deserto vor, auf dem Tempel und Berg aber war
Jesus nur so, wie Ezechiel vom Chaboras aus zu Jerusalem,
nämlich in spiritu.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/434>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.