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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.

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Zweites Kapitel. §. 51.
die äusserlich sichtbare Teufelserscheinung anstössig war,
die ganze Verhandlung mit demselben gleich von Anfang
in das Innere der Seele Jesu hineinverlegten. Dabei fas-
sen sie entweder auch das 40tägige Fasten als bloss innere
Vorstellung auf 2), was aber wegen der ganz historisch
lautenden Angabe: neseusas emeras tessarakonta useron
epeinase die unerlaubteste Willkühr ist, oder man nimmt
es als wirkliche Thatsache, wobei dann für diesen Zug die
im vorigen §. erwähnten nicht geringen Schwierigkeiten
stehen bleiben. Jenes innere Anschauen und Vorstellen der
Versuchungen verlegen die Einen in einen Zustand eksta-
tischer Vision, für welche man den übernatürlichen Ur-
sprung beibehalten und sie entweder von Gott 3), oder von
der Einwirkung des Reichs der Finsterniss 4) ableiten kann;
Andre fassen die Vision mehr als traumartig und suchen
demgemäss einen natürlichen Grund für dieselbe in den Ge-
danken, mit welchen Jesus wachend umgegangen war 5).
In der erhöhten Stimmung, so wird hier die Sache vorge-
stellt, in welcher sich Jesus noch von der Scene bei sei-
ner Taufe her befand, durchdenkt er in der Einsamkeit
noch einmal seinen messianischen Plan und hält sich neben
den wahren Mitteln zu dessen Ausführung auch die mög-
lichen Gegensätze vor: Übertreibung des Wunderglaubens
und Herrschsucht, durch welche der Mensch nach jüdischer
Denkart aus einem Rüstzeug Gottes ein Vollstrecker der
Plane des Teufels wurde. Indem er sich solchen Gedan-
ken überlässt, unterliegt sein feinorganisirter Körper der
Anspannung, und versinkt auf einige Zeit in tiefe Er-
mattung und hierauf in einen traumartigen Zustand, in

2) Paulus, S. 379.
3) So H. Farmer, bei Gratz, Comm. zum Ev. Matth. 1, S. 217.
4) Olshausen, a. a. O. 1, S. 184.
5) Paulus, a. a. O. S. 377 ff.

Zweites Kapitel. §. 51.
die äusserlich sichtbare Teufelserscheinung anstöſsig war,
die ganze Verhandlung mit demselben gleich von Anfang
in das Innere der Seele Jesu hineinverlegten. Dabei fas-
sen sie entweder auch das 40tägige Fasten als bloſs innere
Vorstellung auf 2), was aber wegen der ganz historisch
lautenden Angabe: νηςεύσας ἡμέρας τεσσαράκοντα ὕςερον
ἐπείνασε die unerlaubteste Willkühr ist, oder man nimmt
es als wirkliche Thatsache, wobei dann für diesen Zug die
im vorigen §. erwähnten nicht geringen Schwierigkeiten
stehen bleiben. Jenes innere Anschauen und Vorstellen der
Versuchungen verlegen die Einen in einen Zustand eksta-
tischer Vision, für welche man den übernatürlichen Ur-
sprung beibehalten und sie entweder von Gott 3), oder von
der Einwirkung des Reichs der Finsterniſs 4) ableiten kann;
Andre fassen die Vision mehr als traumartig und suchen
demgemäſs einen natürlichen Grund für dieselbe in den Ge-
danken, mit welchen Jesus wachend umgegangen war 5).
In der erhöhten Stimmung, so wird hier die Sache vorge-
stellt, in welcher sich Jesus noch von der Scene bei sei-
ner Taufe her befand, durchdenkt er in der Einsamkeit
noch einmal seinen messianischen Plan und hält sich neben
den wahren Mitteln zu dessen Ausführung auch die mög-
lichen Gegensätze vor: Übertreibung des Wunderglaubens
und Herrschsucht, durch welche der Mensch nach jüdischer
Denkart aus einem Rüstzeug Gottes ein Vollstrecker der
Plane des Teufels wurde. Indem er sich solchen Gedan-
ken überläſst, unterliegt sein feinorganisirter Körper der
Anspannung, und versinkt auf einige Zeit in tiefe Er-
mattung und hierauf in einen traumartigen Zustand, in

2) Paulus, S. 379.
3) So H. Farmer, bei Gratz, Comm. zum Ev. Matth. 1, S. 217.
4) Olshausen, a. a. O. 1, S. 184.
5) Paulus, a. a. O. S. 377 ff.
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[411/0435] Zweites Kapitel. §. 51. die äusserlich sichtbare Teufelserscheinung anstöſsig war, die ganze Verhandlung mit demselben gleich von Anfang in das Innere der Seele Jesu hineinverlegten. Dabei fas- sen sie entweder auch das 40tägige Fasten als bloſs innere Vorstellung auf 2), was aber wegen der ganz historisch lautenden Angabe: νηςεύσας ἡμέρας τεσσαράκοντα ὕςερον ἐπείνασε die unerlaubteste Willkühr ist, oder man nimmt es als wirkliche Thatsache, wobei dann für diesen Zug die im vorigen §. erwähnten nicht geringen Schwierigkeiten stehen bleiben. Jenes innere Anschauen und Vorstellen der Versuchungen verlegen die Einen in einen Zustand eksta- tischer Vision, für welche man den übernatürlichen Ur- sprung beibehalten und sie entweder von Gott 3), oder von der Einwirkung des Reichs der Finsterniſs 4) ableiten kann; Andre fassen die Vision mehr als traumartig und suchen demgemäſs einen natürlichen Grund für dieselbe in den Ge- danken, mit welchen Jesus wachend umgegangen war 5). In der erhöhten Stimmung, so wird hier die Sache vorge- stellt, in welcher sich Jesus noch von der Scene bei sei- ner Taufe her befand, durchdenkt er in der Einsamkeit noch einmal seinen messianischen Plan und hält sich neben den wahren Mitteln zu dessen Ausführung auch die mög- lichen Gegensätze vor: Übertreibung des Wunderglaubens und Herrschsucht, durch welche der Mensch nach jüdischer Denkart aus einem Rüstzeug Gottes ein Vollstrecker der Plane des Teufels wurde. Indem er sich solchen Gedan- ken überläſst, unterliegt sein feinorganisirter Körper der Anspannung, und versinkt auf einige Zeit in tiefe Er- mattung und hierauf in einen traumartigen Zustand, in 2) Paulus, S. 379. 3) So H. Farmer, bei Gratz, Comm. zum Ev. Matth. 1, S. 217. 4) Olshausen, a. a. O. 1, S. 184. 5) Paulus, a. a. O. S. 377 ff.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/435>, abgerufen am 21.11.2024.